Der Beueler Jürgen Nimptsch (SPD) erklärte gestern, nicht erneut für das Amt des Oberbürgermeisters (OB) im Beueler Vorort Bonn kandidieren zu wollen. Als Begründung nannte er “kräftezehrende kommunalpolitische Prozesse” und die “lebensbedrohliche Erkrankung” seiner Frau. Beide Gründe sind nachvollziehbar. Und gut.

Nimptsch hatte sein Amt von einer Vorgängerin übernmmen, die ihm ein desaströses Erbe hinterließ, an der Sptze den Bau des “Weltkongresszentrums” (WCCB), der noch nicht vollendet ist und dessen Aufarbeitung sich mitten in Ermittlungs- und Gerichtsverfahren befindet. Nimptsch klagt selbst viel über seine Konflikte mit der bisherigen schwarz-grünen Koalition im Rat. In der wichtigen und teuren WCCB-Angelegenheit hat man sich aber zusammengerauft um es fertig zu bauen und damit Bonn als UN-Standort zu retten. Dass das kräftezehrend war, dafür darf er sich bei seiner Vorgängerin und Parteigenossin bedanken.

Zur Erkrankung seiner Frau gibt es nichts zu kommentieren. Dass eine Liebe so lang andauernd solchen Belastungen standhält, das ist beneidenswert und menschlich wichtiger als jede Politik.

Alle Bonner Parteien haben nun ein Riesenproblem. Die CDU wollte und will eine Jamaika-Koalition mit Grünen und der sterbenden FDP, um die dann hinter einer CDU-OB-Kandidatur gegen Nimptsch versammelt zu bekommen. Nun ist dieser gemeinsame Gegner plötzlich weg. Für die SPD ist es natürlich alles noch schlimmer. Da ist der Kandidat weg. Und wer will schon freiwillig nach Bonn kommen und kandidieren?

Die fatalen “kräftezehrenden kommunalpolitischen Prozesse” bestehen nicht nur aus dem schwachbrüstigen Niveau der Bonner AmateurpolitikerInnen. Ein Strukturproblem der gesamten Kommmunalpolitik in NRW ist, dass es PolitikerInnen gibt, die fähig sind, eine Direktwahl zu gewinnen. Und dass es PolitikerInnen gibt, die fähig sind, eine große Stadtverwaltung (in Bonn ca. 5.000 Beschäftigte) zu führen und zu leiten. Es gibt aber niemand, der/die das beides kann.

Es ehrt Jürgen Nimptsch, dass er das erkannt hat. Es würde ihn noch mehr ehren, wenn er das auch offen ausspräche. Aber das ist im Bonner Politgeplänkel wohl zuviel verlangt.

Nun ist nicht nur die OB-Position durchs Volk neu zu wählen. In der jetzigen sechsjährigen kommunalen Legislaturperiode sind auch alle Dezernate der Stadtverwaltung durch den Rat neu zu wählen. Das wird ein heftig-hektisches Hauen und Stechen vor und hinter den Kulissen werden, denn dabei geht es um achtjährige Amtszeiten für kommunale Wahlbeamte. Fast alle Politikermänner glauben, dass sie das können, und sowieso besser als die AmtsinhaberInnen. Alle Frauen dagegen, die es wirklich können würden, zweifeln selbst daran. Leider werden aber solche kandidieren, die nicht zweifeln. Das sind die heutigen Mechanismen der Rekrutierung von Politkadern. Sie sichern das Eigenleben der Verwaltungsbürokratie, die das mehr oder weniger belustigt verfolgt. Um die Engagierten in dieser Bürokratie kann es einem leid tun. Und um uns, die das alles bezahlen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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