Sepp Blatter ist soeben zurückgetreten. Das zeigt, dass alle Anzeichen für Korruption offensichtlich berechtigt sind. Aber es ist wichtig, das System der Weltdachverbände des Sports zu verstehen, wenn es nicht so weitergehen soll, wie bisher. Denn er will bis zu Neuwahlen im Amt bleiben. Das geht gar nicht!
Ehemals waren FIFA und UEFA nur Dachverbände von Vereinen, die auf internationaler und europäischer Ebene die Kooperation zwischen den nationalen Fußballverbänden sicher stellten, um Europa- und Weltmeisterschaften zu organisieren. Und um festzulegen, ob es bei Unentschieden nach Verlängerung einen Losentscheid, Elfmeterschießen oder ein Wiederholungsspiel gibt, ob die Abseitsregel für alle oder nur aktiv am Spiel beteiligte Kicker gilt. Deshalb ist die FIFA in der Schweiz immer noch als gemeinnützig steuerbefreit – nicht der einzige Anachronismus des ganzen Systems. Handelt es sich doch inzwischen um ein Unternehmen, das zweistellige Milliardenbeträge umsetzt und dreistellige Millionenbeträge erwirtschaftet.
Korruption wird System
Seit 1981 treibt Sepp Blatter als vielfach verdächtig der Korruption und als zwielichtig bezeichneter Pate, erst Generalsekretär, dann Präsident, sein Unwesen an der Spitze des Weltfußballverbandes. Seine Karriere begann im Adidas-Konzern in den 70er Jahren – auch dieser profitierte vermutlich von der Karriere seines früheren Angestellten. Bereits nach seiner Wahl 1998 zum FIFA-Präsidenten warf ihm der damalig DFB-Präsident Ägidius Braun vor, die nötigen Stimmen für seine Mehrheit gekauft zu haben. Schon damals sollen Briefumschäge mit großen Beträgen, unter Hotelzimmertüren geschoben, die Wahl beeinflusst haben.
Einer Affaire folgt die nächste
Die ISL-Bestechungs-Affäre war laut Wikipedia sein nächster Skandal. Mehrere Manager der 2001 in Konkurs gegangenen Sportmarketingfirma, die bezüglich der Fernseh-Übertragungsrechte eng mit der FIFA zusammenarbeitete, wurden 2007 unter anderem wegen Veruntreuung, Betrug und betrügerischem Konkurs zu Geldstrafen verurteilt, darunter ein Vertrauter und Freund Blatters, ISL-Vize Jean-Marie Weber. Die FIFA-Affäre weitete sich zum Skandal aus, als die Staatsanwaltschaft Zug Ermittlungen wegen Bestechung hoher FIFA-Funktionäre durch ISL aufnahm. Das Verfahren wurde 2010 gegen eine Zahlung von 5,5 Millionen CHF eingestellt. Zu den Schmiergeldempfängern zählten unter anderem Ricardo Teixeira, Nicolás Leoz sowie Blatters Vorgänger João Havelange. Aus einer im Juli 2012 bekannt gewordenen Einstellungsverfügung geht hervor, dass Sepp Blatter in der Funktion des FIFA-Generalsekretärs über die Schmiergeldzahlungen an FIFA-Funktionäre im Bilde war, ohne etwas dagegen zu unternehmen. 2015 ist Blatter zum Staunen des Publikums wieder gewählt worden, obwohl er vor vier Jahren erklärte, letztmalig zu kandidieren, obwohl sieben seiner Vorstandskollegen auf Betreiben der US-Justiz wegen Korruptionsverdachts zwei Tage zuvor verhaftet worden waren.
Deutschland mittendrin
Reinhard Rauball, selbst einst glückloser 7 Tage- Justizminister unter Wolfgang Clement, inzwischen Präsident der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die ähnlich der FIFA die Übertragungsrechte der Bundesliga an die Medien verkauft und so verteilt, dass die Großen Vereine das Meiste bekommen, forderte Blatter zum Rücktritt auf. Blatter konterte sofort mit Andeutungen, auch bei der Vergabe der WM 2006 an Deutschland sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Mitglieder des damaligen deutschen WM-Organisationskomitees, darunter Franz Beckenbauer, wiesen die Anschuldigungen zurück und deutsche Medien bezeichneten schnell die Äusserungen Blatters als Ablenkungsmanöver – vielleicht, weil man selbst zu nahe dran war? ARD und ZDF haben schließlich bereits 432 Millionen Euro für die Übertragungsrechte der WM in Quatar und Russland an Blatter gezahlt? Einzelne Journalisten wiesen immer wieder darauf hin, dass dem damaligen knappen Mehrheitsentscheid des FIFA-Exekutivkomitees (10:9) zahlreiche Merkwürdigkeiten vorausgegangen seien, darunter die “Flucht” ohne Stimmabgabe des von verschiedenen Seiten unter Druck gesetzten neuseeländischen Funktionärs Dempsey sowie Investitionen und Vermarktungsdeals deutscher Unternehmen wie der Kirch-Gruppe. Aber welcher “Nestbeschmutzer” sollte in Deutschland nach dem gelungenen “Sommermärchen” 2006 heute noch fragen, wie korrupt dies möglicherweise 2000 zustande kam und an Legenden wie “Kaiser Franz” rühren?
Der Pate ist schwer zu kriegen
Wer ein wenig die Mechanismen des Organisierten Verbrechens kennt, erinnert die Rolle, die Al Capone in den 30er Jahren in den USA spielte: Jahrelang gelang es selbst dem FBI nicht, ihm nachzuweisen, dass der Gansterboss an vielfältigen Netzwerken und Machenschaften beteiligt war. Erst Steuerverfahren, die gegen ihn anhängig waren, boten einen Hebel, ihn letztendlich hinter Gitter zu befördern. Ähnliche Assoziationen weckt das Verhalten von Josef Blatter, der auf die Verhaftung langjähriger Weggefährten und Handlanger in der FIFA reagiert, als ob es sich um Personen handele, die nur zufällig im gleichen Haus residierten, den gleichen Konzern führten mit denen aber Blatter überhaupt nichts zu tun hatte. Was geschähe wohl, wenn bei Unternehmen wie VW oder ABB die Häfte der Vorstandsmitglieder wegen Korruption verhaftet würde und der Vorstandvorsitzende anderntags sagen würde, dass er mit solchen “Einzeltätern” gar nichts zu tun hätte, um sich ungerührt der Wiederwahl zu stellen?
Der Quatar-Skandal
Die Machenschaften der FIFA um die Vergabe der WM 2022 in Quatar sind wiederholt in der internationalen Presse kritisiert worden – bisher völlig folgenlos, obwohl schon ohne die Menschenrechtsskandale die Durchführung einer WM im Dezember so absurd ist, wie ein Formel eins Grand Prix auf dem Mond. Selbst wenn sich die vermutlichen Schiebereien weiter konkretisieren, selbst nach Blatters Rücktritt ist noch lange nicht klar, wie es weiter geht. So hielt etwa der stellvertretende Sprecher der FIFA, Koch bei Plasberg’s “Hart aber Fair” die Rückabwicklung der Verträge mit Quatar für völlig undenkbar. Den zivilrechtlichen Grundsatz, dass unrechtmässig zustande gekommene Verträge nichtig sind, scheinen die FIFA-Funktionäre nicht zu kennen oder in ihrem Geld- und Machtwahn zu ignorieren – das typische Verhalten eines Monopolisten.
Russland in Zwielicht
Ähnliche Unklarheiten bestehen auch bei der Entscheidung für Russland 2018. So macht das FIFA-Mitglied Lefkaritis, FIFA-Delegierter und Ölunternehmer aus Zypern, Geschäfte mit Gazprom und hat natürlich für die WM in Russland gestimmt. Und auch Franz Beckenbauer steht mit unbekannten Beträgen auf der Soldliste von Gazprom. Wie schon die entsprechenden Entscheidungen für Russland beim IOC für Sotschi, den neuen Grandprix der Formel eins hat auch die Fußball-WM dort mehr als ein “Geschmäckle”, wie der Schwabe sagt.
Man kann die Korruption im Prinzip riechen und fühlen.
In der Geschäftswelt undenkbar, im Fußball, der Formel eins oder beim IOC/Olympia an der Tagesordnung – nicht kontrollierbares Agieren von Vorständen und Funktionären. Was für internationale Wirtschaft an Anti-Korruptionsregeln und Codes of Conduct der UNO gilt, lässt insbesondere die FIFA für sich nicht gelten. So absurd wie ihre Entscheidung für Quatar ist die innere Organisation ihrer nationalen Dachverbände. Während im DFB die Mitgliedverbände ihrer Größe entsprechend Delegierte stellen – z.B. Bayern 23, Bremen 5 – zählt in der FIFA der DFB mit 7 Millionen Mitgliedern ebenso eine Stimme wie der Fußballverband des Königreichs Tonga, der keine 3.000 Kicker organisiert. Auch eigenartig: Die Mitgliederversammlung kann dem Präsidenten angeblich “ohnen dessen Willen” Präsidiumsmitglieder zuwählen. Dass allerdings im System Blatter irgendetwas ohne dessen Billigung passiert, halten Insider für mehr als unwahrscheinlich, denn er gilt als Kontrollfreak. Sein Herrschaftssystem baut zudem auf finanziellen Asymmetrien zwischen Nord und Süd auf und ist ein Ergebnis des Wegschauens der Politik. Längst hätte die Schweiz der FIFA die Gemeinnützigkeit entziehen und dadurch erhebliche Steuereinnahmen generieren können.
Millionengeschäfte in der Grauzone
Die unkontrollierbare Verfassung der Sportkonzerne in der Grauzone zwischen Profitmaximierung und Gemeinnützigkeit ermöglicht es, dass halbseidene Methoden am Rande der Legalität unter den Augen der Öffentlichkeit praktiziert werden, ohne dass sich die Blatter, Ecclestone oder Samaranch dafür verantworten müssen. So ist es die FIFA gewesen, die nach einem Bericht des SWF Fernsehens vom 29.5.15 im Abkommen mit Russland von diesem fordert, dass für die Arbeiter an den Baustellen der WM das russische Arbeitsrecht ausgesetzt wird – folglich Arbeiter zu Hungerlöhnen arbeiten müssen, ähnlich wie die Bausklaven in Quatar, deren Arbeitsbedingungen die ARD aufgedeckt hat. Russland hat dafür ein spezielles Gesetz verabschiedet. Dass sich FIFA-Sprecher Koch bei Günther Jauch dazu verstieg, zu behaupten, die Arbeitssklaven in Quatar nütze die Öffentlichkeit ihres Elends, ist an Dreistigkeit wohl kaum zu überbieten.
Warum sind diese korrupten Machenschaften so schwer zu verfolgen?
Im Prinzip nutzen Täter wie Blatter, Ecclestone und Co massive Lücken der Gesetzgebung aus, die keine internationale oder nationale Gesetzgebung bisher geschlossen hat. IOC, Formel eins und FIFA waren einst wie viele andere Sportorganisationen lose internationale Zusammenschlüsse von nationalen Dachverbänden, deren Aufgabe ausschließlich die Organisation weltweiter Sportereignisse war. Oft haben sie wie die FIFA sogar einen Status als gemeinnützige Organisation. Solange “Kalter Krieg” und der Wettstreit zwischen Ost und West vorherrschten, waren diese Organisationen politische Bühnen der Koordination im gemeinsamen Interesse, die quasi indirekt vom Gleichgewicht der Systeme kontrolliert wurden.
Samaranch hat mit dem IOC den Sport kapitalisiert
Als erster begann in den 70er Jahren IOC-Chef Samaranch, ein Duzfreund des faschistischen Diktators Franco von Spanien, mit Beharrlichkeit die Kommerzialisierung des IOC und den Ausverkauf der Amateurkultur Olympias an internationale Konzerne wie Coca Cola. Damit wurde einer einstmals auf demokratischer Selbstorganisation und dem ehrenamtlichen Engagement von Mitgliedern, Trainern und Förderern entstandenen Sportbewegung ein kommerzielles Dach von schier unglaublicher Wirtschaftskraft übergestülpt. Die Mitgliedschaften der Vereine und nationalen Komittees wurden von Smaranch und Co in großem Stil an Sponsoren verkauft. Sie eigneten sich damit im Prinzip privat an, was ein Jahrhundert lang gesellschaftlich mit Ehrenamt und Engagement von der Basis aus gewachsen war – von staatlicher Förderung im Osten mal abgesehen. Da sie bei diesem Vorgehen den bisher zumeist ehrenamtlichen nationalen Größen der Funktionärsebene zunächst kleine, dann größere Geschenke zukommen ließen, stimmten diese der Privatisierung zu und so entstanden die ersten Abhängigkeiten. Samaranch und Rogge schufen ein neues IOC: Einen Konzern im rechtsfreien Raum, der nicht den Gesetzen von Wirtschaftsunternehmen folgt und eins ist, aber frei von Kontrollmechanismen wie etwa einem Aufsichtsrat oder der Börsenaufsicht agiert.
Bernie Ecclestone und Max Mosley zogen nach
In England kamen Bernie Ecclestone als Formel Eins-Organisator und sein Kumpel Max Mosley, Präsident des englischen Automobilklubs ebenfalls auf die brilliante Idee, dass man nicht nur Autorennen koordinieren, sondern den gesamten Sport vermarkten und als Ganzes durch geschickte Verhandlungen mit den Ausrichtern von Rennen – den nationalen Automobilclubs und ihren Rennstrecken sowie den Medien und internationalen Sponsoren Macht und Reichtum konzentrieren könne. Sie kopierten im Prinzip das IOC, privatisierten ebenfalls einstmals gemeinnützige Tätigkeiten und kombinierten kapitalistische Macht mit internationalen Verbindungen. Auch die Formel eins ist ein Konzern ähnlicher Art, er wird von niemandem kontrolliert und unterwirft sich keinen wirtschaftlichen Kontrollen – schon gar nicht hinsichtlich so überflüssiger Fragen wie der Menschenrechtslage in Staaten wie Bahrein, Abu Dhabi, China, Singapur oder Malaysia. Von den Korruptionsvorwürfen der Bayerischen Staatsanwaltschaft kaufte sich Ecclestone flugs mit 100 Mio.€ frei.
Ohne Privatfernsehen undenkbar
Die FIFA folgte spätestens seit den 80er Jahren demselben Prinzip. Die Gehälter der Spieler auf internationalen wie nationalen Ebenen wurden mit Hilfe von Geld aus Senderechten und Sponsoren um ein Vielfaches aufgewertet, Profigehälter wie Ablösesummen wuchsen in schwindelnde Höhen, die Vereinsstrukturen und Nachwuchsförderungen wurden ausgebeutet, kanalisiert und zum Aufbau eines Netzes von Abhängigkeiten zwischen FIFA und ihren Mitgliedsorganisationen genutzt. Die Politik hatte hierzu durch die Legalisierung des Privatfernsehens – Helmut Kohl in Deutschland, Berlusconi in Italien – einen elementaren Beitrag geleistet, durch den die ehemals eher bescheiden dotierten Übertragungsrechte in den achtziger Jahren insgesamt in Milliardenhöhe explodierten. Dieser Geldsegen prasselte fortan auf Funktionäre und Spieler nieder, die sogleich ein möglichst ungerechtes Verteilungssystem – bis hinunter auf die nationale Ebene – Bayern München bekommt etwa 20 mal soviel Geld, wie ein Bundesligaaufsteiger – etablierten. Und da dieses System immer von oben nach unten funktioniert, ist jeder Vergleich mit der UNO ist so abwegig wie falsch.
Der gemeinnützig firmierende Milliardenkonzern
Da sie von diesen Geldern auf Länderspielebene profitiert, wurde die FIFA zum Krösus, der weiter in der Schweiz als gemeinützig gilt und Steuervorteile geniesst, obwohl er eindeutig ein gewinnorientierter Konzern ist. Im Zerfall der Blöcke gestalteten ihre Funktionäre die Fußballverbände zu Konzernen um, die Milliarden veschieben, aber keine Kontrolle durch Aufsichtsräte oder Börsenaufsicht fürchten müssen. Die FIFA hat nur Mitglieder, von denen vor allem die afrikanischen Organisationen in ihrer eigenen ökonomischen Armut vom Zentralverband durch Zuwendungen abhängig sind. Und die sind eben höher, als die regelmäßigen Treffen in Luxushotels rund um den Globus.
Ein weltweites Talenteinkaufsnetz
Auch die Nachwuchsförderungen im Fußball, die die FIFA etwa in Afrika oder anderen Drittweltländern betreibt und deren sie sich als sozialem Engagement rühmt, dienen zu nichts anderem, als Einfluß vor Ort zu festigen und billige junge Spielertalente vor allem für die Europäischen Ligen zu rekrutieren. Da liegt der Schlüssel, weshalb Blatter über sichere 54 Stimmen der Vertreter afrikanischer Fußballverbände verfügen kann. Funktionäre, die selbst kein Geld aus Fernsehrechten oder potente Sponsoren haben, ihn natürlich wählen werden, weil er ihnen Hunderttausende Euro und ihren Einfluß im Heimatland wert ist. Das Prinzip gilt in seiner grundsätzlichen Form weltweit, von Ostasien bis Südamerika. Das bedeutet aber auch, dass die FIFA das System Blatter bedeutet, dass jeder Nachfolger einer würde, der wie Blatter die Mehrzahl der 209 Konventsmitglieder versorgt und bei Bestechungen vor Standortentscheidungen beide Augen zudrückt, es sei denn, die FIFA würde durch Strafverfolgung, öffentlichen Druck oder Regierungseingriffe der Schweiz zu Änderungen ihrer Statuten gewungen.
Kontrolle durch die Medien funktioniert auch nicht
Die Kontrolle von FIFA, IOC und Formel eins funktioniert aber ganz im Besonderen nicht, weil sich hier, anders als in der Politik, Interessenkonflikte zwischen der Teilhabe an Sportrechten und unabhängiger Berichterstattung zeigen. Auf der einen Seite sollen Medien als die vierte Gewalt über Themen wie internationale Korruption berichten, zum anderen sind sie selbst bei der Vergabe der Übertragungsrechte von den korrupten Sportfunktionären abhängig oder glauben es zumindest, zu sein. So weigern sich die ARD und ZDF bisher, etwa die Verträge zwischen ihr und der FIFA für die Übertragungsrechte der WM 2018 oder 2022 zu veröffentlichen. Hier würde sich ein schönes Betätigungsfeld für die Rundfunkräte als Aufsichtsgremien ergeben – schließlich stammen die 432 Millionen Euro, die an Blatter überwiesen wurden, aus öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebühren. Auch im WDR-Rundfunkrat ruht hierzu bisher still der See.
RTL bei m Bahrein-Grand Prix unter Selbstzensur
So war es 2012 mehr als peinlich, zu beobachten, wie etwa RTL sich in der Berichterstattung über die Niederschlagung des “Arabischen Frühlings” zurückhielt. Während öffentlich-rechtliche Sender über das brutale Vorgehen der bahreinischen Despoten mit Hilfe Saudi-Arabischer Panzer gegen die Opposition berichteten, waren sich die Reporter von RTL nicht zu schade, einen der Prinzen anlässlich des Grand Prix mit den harmlosesten Fragen zu interviewen und den vor den Toren der Rennstrecke schwelenden Konflikt mit keinem Wort zu erwähnen.
Übertragungsrechte als Erpressungsfaktor
Natürlich sind auch im Falle von FIFA wie beim IOC die Medien daran interessiert, ihre Übertragungsrechte zu behalten. Sie können deshalb in der Berichterstattung über Veranstalter von Ereignissen, die Werbeeinnahmen in Milliardenhöhe bedeuten, nicht objektiv und völlig unabhängig sein. Vielmehr sind Interessenkonflikte von vornherein nicht auszuschließen, das gilt für die Privatsender ebenso wie die Öffentlich-Rechtlichen. Vielleicht ist die Berichterstattung zurückhaltender, sind die Recherchen möglicherweise weniger vehement. Wenn “Pate” Blatter es wagt, öffentliche Drohungen vor den Mikrofonen der Medien auszustoßen wie nach seiner Wiederwahl – er verzeihe zwar, aber vergesse nicht – dann können damit innerverbandliche Gegner gemeint sein, er kann aber auch auf ganz andere zielen. Dass er sich dergleichen angesichts der Korruptionsvorwürfe in aller Öffentlichkeit traut, zeigt, wie sicher er sich fühlt.
Ist die FIFA unantastbar?
Angesichts des FIFA-Kongress sind viele Fußballfans nicht zum ersten mal der Funktionäre überdrüssig. Sepp Blatter vertritt seit Jahren die These, dass jede Kritik an seiner Funktionärskaste verstummt, sobald der Ball auf dem Spielfeld rollt. Das halbherzige Geplänkel von Michel Platini im Vorfeld von Blatters Wiederwahl zeigt, dass sein Ziehvater recht hat. Ob Wolfgang Niersbach eine Alternative zu Blatter sein könnte, nachdem er zurückgetreten ist, ist offen. Vielleicht wäre ein untadeliges und glaubwürdiges Schwergewicht wie Kofi Annan nötig, nach seiner Präsidentschaft die FIFA zu reorganisieren.
Im Ernst: Die einzig wirkungsvolle Drohung, die die FIFA wahrscheinlich versteht, wäre eine Rückzugsdrohung der Hauptsponsoren – aber die ist kaum denkbar. Zu hohe Risiken bestehen, dass sich in der globalen Welt schnell andere Sponsoren finden würden. Aus China und Russland vielleicht.
Keine Kraft zum Aufstand
Es sei denn, die Europäischen nationalen Fußballverbände fänden die Kraft, einfach eine neue, demokratisch besser legitimierte Dachorganisation anstelle der FIFA zu gründen und damit schlichtweg das bisherige System zur Implosion zu bringen. Denn so machtlos, wie Niersbach und Plattini in der Öffentlichkeit tun, wären die Europäischen Fußballverbände nicht. Sie sind es, die den Löwenanteil der Medieneinnahmen erwirtschaften. Sie sind es, deren Wirtschaftskraft so groß wäre, dass die FIFA – anders als im Boxsport – eine Koexistenz mehrere Dachverbände nicht durchhalten könnte. Würden sich DFB, die britische Football League, Frankreich, Spanien und Italien an einer solchen Neugründung beteiligen, würden flugs weltweit die Austritte der kleinen und armen Verbände aus der FIFA folgen und die Rest-FIFA stünde da als König ohne Kleider. Aber leider scheitert das am Charakter der meisten Fußballfunktionäre. Platini, ein Prachtexemplar seiner Zunft, brachte es keine 24 Stunden nach seinem “Aufständchen” gegen den Paten fertig, dass Frankreich wieder Blatter wählte.
Hoffen auf US-Justiz
Hoffen wir auf weiterhin massive Strafverfolgung seitens der US-Justiz und dass vielleicht der öffentliche Druck auf die schweizerische Politik ähnlich wie beim Bankgeheimnis Erfolge zeigt und erreicht, dass sie der FIFA zumindest die Gemeinnützigkeit entzieht. Dass vielleicht auch bei uns ein Druck auf die Medien durch die Aufsichtsgremien erwacht, dass Rundfunkräte aufwachen und Fragen stellen. Dass auch einmal Sportjournalisten lernen, deutlicher als bisher Distanz zu wahren und vielleicht auch einmal recherchieren, ob und warum Franz Beckenbauer Wolfgang Niersbach “faltet” und damals Uli Hoenes zurückgepfiffen hat, als dieser Kritik an Blatter übte. Auch sie werden bezahlt, um aufzuklären, statt mit Schielen auf die Fernsehrechte heimliche Kumpanei zu üben.
Blatter ist weg, nicht nötig, die Navy Seals zu rufen. Aber die FIFA ist damit noch lange nicht ohne Korruption.
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