Gestern Abend besuchte ich die kleine Festveranstaltung zu 10 Jahre “WDR Grenzenlos”. Die Gestaltung durch den Sender war nach innen aufwendig, nach außen sparsam. Das charakterisiert treffend die Widersprüchlichkeit des Ganzen: so ein Projekt ist geeignet, den öffentlich-rechtlichen Sender zu retten. Doch der spart lieber und gräbt sich damit sein Grab.
Intendant Buhrow hatte absagen müssen. Kein Wunder, denn er hätte keine Geschenke mitgebracht. Seine Stellvertreterin Eva-Maria Michel musste gestehen, dass der WDR aus seinen Pensionslasten nicht rauskommt, mehrere hundert Stellen “sozialverträglich” abbauen muss – für die Einstellung von Talenten bleibt da nichts mehr übrig.
Bei der Vorstellung von Personen aus den unterschiedlichen Jahrgängen von “Grenzenlos” – sachkundig und professionell gut vorbereitet moderiert von Asli Sevindim und Till Nassif – wurde schnell deutlich, welchen Schatz dieses Projekt unter Leitung von Gualtiero Zambonini für den Sender gehoben hat. Die ProjektteilnehmerInnen hatten schnell analysiert, dass die aktuelle “Flüchtlingskrise” vor allem eine “Krise der Bürokratie” ist – unter den aktuellen Flüchtlingen, in deren Netzwerken und denen ihrer BetreuerInnen kennen sie sich bestens aus, im Gegensatz zu den Altredaktionen und vielen gutmeinenden festangestellten MitarbeiterInnen.
Das geschah jedoch in einem nur halbvollen Kleinen Sendesaal. WDR-Führungskräfte waren reichlich zur Anwesenheit verdonnert, Außenwerbung war dagegen für mich nicht wahrnehmbar. Folgerichtig ist auch kaum Berichterstattung außerhalb des Senders zu erwarten. Die Widersprüchlichkeit des Senderhandelns kulminiert aktuell in der Einstellung des Magazins “Cosmo-TV” und der gleichzeitigen Versicherung, seine Redaktion bleibe aber erhalten. So what?
Letztes Biotop bleibt so die Radiowelle “Funkhaus Europa”, die nördlich des Ruhrgebiets nur leider auf UKW nicht empfangbar ist (in Bonn nur in nördlichen Stadtteilen auf 103,3 MHz). Ihre Gründung war die wertvollste strategische Entscheidung der Intendanz von Fritz Pleitgen (1995-2007).
Den politischsten Beitrag des Abends hielt am Schluss der Kabarettist Jürgen Becker. Der Ärmste wurde von der Moderation schon als “Legende” bezeichnet. Das kommt wohl von den weiß gewordenen Haaren. Becker klamaukte nicht rum, sondern berichtete von seinen Kunstprojekten in Kölner Hauptschulen, in Stadtteilen, in denen nur noch 20% zur Wahl gehen. Von der Arbeit mit Kindern, in deren Haushalten der WDR bereits ein unbekanntes Wesen sein dürfte.
Wie will er da als Sender überleben, wenn er exzellent gebildete, hochintelligente und politisch engagierte potenzielle MitarbeiterInnen wieder auf den Arbeitsmarkt laufen lässt? Um diese MitarbeiterInnen muss man sich keine Sorgen machen, die werden exzellente Karrieren machen. Ein öffentlich-rechtlicher Sender, der die denen nichts anzubieten hat, ist dagegen schon halbtot.
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