Viele ehemalige Jungdemokraten wie ich, die der “wahren” Jugendorganisation[1] der FDP bis in die 80er Jahre angehörten, haben Guido Westerwelle 1980 als einen etwas nassforschen Bundesgeschäftsführer, später Bundesvorsitzenden der “Jungen Liberalen”[2] kennen gelernt. Jener Parteijugend, die gegen die Jungdemokraten vom Wirtschaftsflügel der FDP gefördert wurde, um die “Wende”, den Koalitionswechsel von der SPD zur CDU 1982 vorzubereiten und um, wie viele sagen, letztlich den politischen Liberalismus in Deutschland zu spalten. Guido Westerwelle war persönlich immer ein wenig ein “Underdog”, der kämpfen musste. Als Scheidungskind fiel ihm das Abitur nicht in den Schoß, er musste sich von der Realschule zum Abi danach durchbeissen, um das Jurastudium aufnehmen zu können. 1980 saß er in der ersten Bundesgeschäftsstelle der “Julis” in der Bonner Dorotheenstraße und kämpfte in der Minderheit gegen die Jungdemokraten, die etablierte Jugendorganisation, deren Antikapitalismus er nicht verstand, wie wir es im Gegenzug aber auch nicht verstanden, Jugendliche seiner Generation, die “Popper” zu erreichen, ihnen unsere Politik zu erklären. An der Uni Bonn wurde er noch in dieser Zeit wegen seines Schwulseins gemobbt – ganz schön finster waren die Zeiten noch in Sachen Toleranz gegenüber Gleichgeschlechtlichen und ich fand es später sehr angenehm und positiv, wie klar und selbstverständlich er als Außenminister zu seinem Mann stand.
Auch ein bisschen oppositionell
Als “Juli” wurde er auch gegen Ende der achtziger in der FDP ein bißchen oppositionell – mit der Forderung, die FDP dürfe sich nicht allein auf Bündnisse mit der CDU beschränken, machte er von sich reden. Er hat dies alles immer eloquent und mutig vorgetragen und obwohl ich oft nicht seiner Meinung war, habe ich es immer genossen, seinen Reden zuzuhören. Auch wenn er sich manchmal Klöpse wie den mit der “spätrömischen Dekadenz” leistete – langweilig war der Mann niemals. Man konnte sich politisch an ihm reiben und lustvoll mit ihm streiten. Am intensivsten ist er mir begegnet, als wir bei der Bundestagswahl 1994 im Wahlkreis Bonn gegeneinander kandidiert haben – er für die FDP, ich inzwischen für die Grünen. Man musste aufpassen bei ihm, er hat jede rhetorische Schwäche sofort schlagfertig ausgenutzt – und es hat uns beiden so Spaß gemacht, dass sich CDU und SPD-Kandidaten am Ende gar nicht mehr zu den Diskussionen trauten, ihre Vertreter schickten.
Sein “häßlicher Hund”
Legendär, wenn Guido seinen netten – aber nach seinen eigenen Worten “häßlichen Hund”, einen Mischling, mitbrachte und wir nach solchen Diskussionen zunächst an der Frittenbude auf dem Bonner Marktplatz standen oder zusammen im “Pawlow” der Altstadt-Punkerkreipe auf ein Kölsch einkehrten – er im Schlips unter all den gepiercten und bunthaarigen – von denen ihn viele kannten, denn er wohnte in der Nähe und die leicht verstaubte Anwaltskanzlei seines Vaters befand sich schräg gegenüber. Der alte Westerwelle benutzte noch ein Schallplatten-Diktiergerät aus den 50er Jahren!
Weitblickender, als manche dachten
Guido Westerwelle hatte eine andere Vorstellung von Liberalismus, als wir, die in den 70er Jahren mit linken Gruppen, bei Anti-AKW-Demos, Aktionen gegen Berufsverbote und in der Friedensbewegung aktiv waren. Er fand die soziale Marktwirtschaft in Ordnung und wollte junge Menschen für die FDP gewinnen-mehr nicht. Ich habe ihn nie verbissen erlebt, er hatte eher Vorstellungen davon, was er nicht wollte – zuviel Staat und Steuern – , als von einem “großen Entwurf” von Gesellschaftspolitik. Er wollte aufstreben, wo er hin wollte, das wusste er – ein umfassendes Programm, um es dort umzusetzen, wäre ihm fremd gewesen. Das kam ihm in der Opposition zugute, aber das begründete auch sein späteres Scheitern in der Regierung und als FDP-Vorsitzender. Seine Außenpoliik war außerordentlich pragmatisch – auch wenn ihn zuletzt Kritik wegen seiner uneingeschränkten Unterstützung arabischer Oppositionsgruppen traf. Seine Enthaltung im UNO-Sicherheitsrat in Sachen Libyen, in der manche einen Affront gegen die USA und die NATO sahen, war aus heutiger Sicht vielleicht weitblickender, als sich manche eingestehen wollen.
Höflicher Kampf um Anerkennung
Bei alldem blieb er immer ausgesprochen höflich – im persönlichen Umgang war er genau das Gegenteil von dem, was ihm auf der politischen Bühne nachgesagt wurde – ich habe ihn zwar eitel, aber nie arrogant erlebt. Viele seiner Parteifreunde sehen das anders, weil er ihnen zuweilen zu sehr polarisierte. Sein “Mir kauft Ihr den Schneid nicht ab” kam vielleicht schräg ‘rüber – aber es war ein typischer Guido, der gelernt hat, aus Minderheitenpositionen heraus selbstbewußt um Anerkennung zu kämpfen.
Seinen wichtigsten Kampf hat er am 18.März leider verloren. Meinen Respekt hat er schon lange gewonnen.
[1] Die “Deutschen Jungdemokraten” wurden als Jugendorganisation der linksliberalen DDP 1919 gegründet und waren mit den Jungsozialisten der SPD und den Windthorstbunden des Zentrums die einzigen Jugendorganisationen, die für die Weimarer Verfassung eintraten. Prominente Mitglieder waren Heinrich Mann, Friedensnobelpreisträger Prof. Ludwig Quidde und Marie-Elisabeth Lüders, die Alterspräsidentin des ersten Deutschen Bundestages. Der erste Bundesvorsitzende 1945 war Wolfgang Mischnick und die “Judos” waren bis zur “Wende” 1982, dem Koalitionswechsel Genschers von Helmut Schmidt zu Helmut Kohl die offizielle Jugendorganisation der F.D.P. Sie standen politisch links von den Jungsozialisten und brachten viele profilierte Liberale wie Helga Schuchardt, Gerhard Baum, Ingrid Matthäus-Maier, Andreas v. Schoeler und Irmingard Schewe-Gerigk hervor. Ehemalige Jungdemokraten im aktuellen Deutschen Bundestag sind Claudia Roth (Grüne), Christoph Strässer (SPD) und Mathias W. Birkwald (Linke).
[2] Die Jungen Liberalen wurden 1980 u.a. von Hans-Joachim Otto, Dorothee Gerwald und Guido Westerwelle gegründet. Otto wurde der erste Bundesvorsitzende. Seit 1983 sind sie Jugendorganisation der FDP.
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