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Grüne Spitzentänze (KK III)

Was haben sie sich aufgeregt, die Medien und manche Grüne, dass Winfried Kretschmann bei Maischberger ausgesprochen hat, was die Mehrheit der Republik sowieso denkt und für das es leider ja gute Gründe gibt: Dass Merkel derzeit als die bessere Krisenmanagerin und damit auch Bundeskanzlerin erscheint. Mit seiner selbstbewussten und unabhängigen Schlitzohrigkeit hat er doch nur den Finger in die Wunde der Anhänger von Rot-Rot-Grün gelegt, die doch eine Antwort schuldig sind: Wer soll es denn machen? Selbst wenn die Republik endlich so weit wäre, das zur Regierung zu machen, was viele Wählerinnen und Wähler seit Jahren in Bundesländern und im Bund mehrheitlich wählen – es gibt keinen Kanzlerkandidaten der SPD, der eine solche soziale Reformpolitik, eine Friedenspolitik, die den Namen verdient, und ein Europapolitik, die das Gemeinsame betont, sowie Bürgerrechte und mehr Demokratie in einer umfassenden EU-Reform und einer Abkehr von der Terrorhysterie anpackt und umsetzt.

Bei der SPD ist dafür kein Ansatzpunkt zu erkennen. Sigmar Gabriel, das ist hier an anderer Stelle bereits erörtert, hat seine Glaubwürdigkeit, wenn es darum geht, in Zukunft TTIP wenn nicht sogar zu verhindern, so wenigstens durch klare und demokratische Auflagen in einen rechtsstaatlichen Rahmen zu passen, der dem US-Neoliberalismus Einhalt gebietet, durch sein Vorgehen bei CETA verspielt. Die SPD hat bisher kein Programm und vor allem keine Personen anzubieten, die Rot-Rot-Grün überhaupt mit Inhalt füllen könnten. Auf wesentliche Fragen einer anderen Politik, die über das Krisenmanagement Merkels hinausführt, gibt es keine erkennbaren programmatischen Entwürfe, die Rot-Rot-Grün gesellschaftlich zwingend und attraktiv machen. In keiner der drei Parteien.

Und somit wird die Kandidatenkür-Frage auch bei den Grünen von Pragmatikern dominiert. Denn diese könnten, das versucht Kretschmann gerade, möglicherweise in einer Koalition mit der CDU gekonnter Schlimmeres verhindern als die SPD in den Großen Koalitionen. Man denke an die Vorratsdatenspeicherung, sämtliche weiteren Antiterrorgesetze, die unsägliche Mütterrente, um Klientelpolitik mit der “Rente mit 63″ zu machen, um jetzt von den Wirtschafts”weisen” die “Rente mit 71” vorgehalten zu bekommen. Die aufgeweichten Verbraucherstandards und PKW-Maut statt klarer Vorgaben für Stickoxide. Da ist es bezeichnend aber auch traurig, dass die Öko-Partei, die einmal antrat, um vor allen Dingen um Inhalte und politische Ziele zu kämpfen und sich schwer tat, Personen wie Joschka F., Otto S., Jutta D. und Antje V. sich profilieren zu lassen, heute ins glatte Gegenteil abgerutscht ist. Personalfragen werden ausgefochten, Listen aufgestellt, bevor die Wahlprogramme erörtert und beschlossen sind – in Nordrhein-Westfalen, wo im Mai die Schlüsselwahl vor der Bundestagswahl stattfindet, ebenso wie im Bund. Ganz schön ungrün, das.

Schauen wir uns das Personal an, das die Grünen derzeit mit sich selbst beschäftigt, anstatt die Zeit zu nutzen, politische Inhalte in Stellung zu bringen. Anton Hofreiter, jener urgrün aussehende Bauer und auch so klingende Fraktionsvorsitzende ist sicher ein brillanter Verkehrs- und Landwirtschaftspolitiker. Aber macht das einen potenziellen Vizekanzler aus? Robert Habeck, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Klaus Müller als schleswig-holsteinischer Umweltminister bundesweit noch nicht aufgefallen, macht durch seine künstlerischen Ambitionen auf sich aufmerksam. Was ihn antreibt, soll die Nähe zum “linken Flügel” der Grünen sein. Zumindest in früheren Zeiten hat jedoch dieser “Linke Flügel” in Person von Jürgen Trittin zum Beispiel sich auch durch strategisches Denken ausgezeichnet. Was an der Kandidatur von Habeck das strategische Ziel sein soll, außer dass er von sich meint, der bessere Kandidat zu sein, verschließt sich allerdings dem Betrachter. Würde Habeck nämlich wider Erwarten gewählt, müsste er für den Bundestag kandidieren und dadurch dem wirklich bundesweit profilierten Innen- und Rechtspolitiker der Grünen, Konstantin von Notz, den einzigen sicheren Listenplatz zwei des kleinen flachen Landes wegnehmen. Der politische Schaden, den sich die Grünen damit selbst zufügen würden, ließe die FDP sicher vor Entzücken himmelhoch jauchzen. Cem Özdemir wiederum bringt das mit, nach dem sich alle anderen Parteien neidvoll umschauen müssen, er ist Migrant, Schwabe, versteht etwas von Bürgerrechten und von Wirtschaft – aber er ist auch Vorsitzender, prominent und bunt und hat bei allen Stärken etwas, das in den Grünen immer noch negativ ausschlagen kann: Den Neidfaktor – und deshalb hat er bisher zwar alles richtig gemacht, aber noch lange nicht gewonnen.

Und letztens Katrin Dagmar Göring-Eckhardt – die “gesetzte” einzige Kandidatin für die Spitzenkandidatin. Vor vier Jahren hat sie gegen Claudia Roth und Renate Künast das Rennen um die Spitze gewonnen. Sie ist scheinbar unangefochten als Fraktionssprecherin und nun in der Position, dass keine andere Frau sich traute, gegen sie anzutreten. Heisst das aber, dass sie unbedingt mit einem guten Ergebnis rechnen kann? Zweifel sind angebracht. Während ihre damaligen Kontrahentinnen Renate K. durch unterkühlte Schlagfertigkeit bis zur Verbissenheit, dagegen Claudia R. durch ihre überbordenden Emotionen polarisierten, sagt diese Spitzenkandidatin meist das Richtige, aber so beiläufig, dass manche es gar nicht merken. Sie provoziert nicht, wahrt immer Form und Anstand, aber sie langweilt auch – gerade diejenigen Grünwähler und Mitglieder, denen der Erfolg Kretschmanns bürgerlicher Mitte einiges abverlangt. Nun schließen Sie, liebe Leser/in mal die Augen und stellen sich vor: Außenministerin und Vizekanzlerin Katrin Göring-Eckardt. “Der Claudia” hätten es sogar diejenigen zugetraut, die von ihr bisweilen genervt waren, wie der ehemalige bayerische Ministerpräsident Beckstein. Was aber, wenn eine Spitzenkandidatin nur mit 70% gewählt würde – oder gar mit 59%? Das Rennen ist noch nicht gelaufen – die Partei kann ihr noch schaden und damit sich selbst.

Bis zur Entscheidung Mitte Januar beschäftigt sich die Grüne Parteispitze nicht mit Politikfragen, sondern mit Personalfragen, und damit mit sich selbst. Das mag innerparteilich attraktiv sein, Wähler überzeugt man so noch nicht und begibt sich der Möglichkeit, vor der Bundestagswahl strategisch Themen zu positionieren und Meinungsführerschaften zu gewinnen. Deswegen haben diejenigen, die Rot-Rot-Grün wollen, 2017 von vornherein die schlechteren Karten. Denn dafür bedürfte es einer politisch-inhaltlichen Programmatik, die weit über das eigene Lager hinaus trägt. Und die ist bisher nicht zu erkennen, weil den Grünen Kandidaturen scheinbar wichtiger sind, als Inhalte.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

2 Kommentare

  1. martin köhler

    Ja schon … aber es gibt eine Große Koalition, notfalls mit der F.D.P. zusätzlich – schade aber die Frage Schwarz-Grün oder RRG stellt sich nicht.
    Martin

  2. AF

    sehr sehr wahr! Leider!

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