Der Türkische Ministerpräsident Yildirim hat mit seiner Veranstaltung in Oberhausen Werbung für die Verfassungsänderung in der Türkei und damit Agitation für ein antidemokratisches System der Alleinherrschaft des größenwahnsinnigen Präsidenten Erdogan betrieben. Dieses System setzt auf Lüge und Verleumdung ohne jeglichen Beweis und Sippenhaft: Das Märchen, der ehemalige Kampfgefährte Erdogans, Fethullah Gülen sei der Initiator des stümperhaften Putschversuchs vom Sommer vergangenen Jahres, dient seitdem als Vorwand für “Säuberungen”, berufliche Existenzvernichtung, Rufmord und Willkürjustiz gegen jegliche innenpolitische Gegner seines Regimes. Zu seinen politischen Rufmordkampagnen gehört es, jegliche demokratische Opposition, sogar Oppositionsabgeordnete der kurdischen demokratischen Partei HDP und jeden kritischen Journalisten mit dem Vorwurf des Terrorismus zu überziehen. Ihm geht es nicht nur darum, Menschen mundtot zu machen, sondern sie darüber hinaus auch noch existenziell zu vernichten und in politischen Willkürprozessen jahrelang hinter Gittern verschwinden zu lassen. Die Türkei ist auf dem Weg in die Diktatur.
Das Regime der Türkei bedient sich dabei bereits heute Nazi-Methoden der Denunziation und Bespitzelung. Nicht nur, dass die türkische staatliche Religionsbehörde Imame – Geistliche, die besonderes Vertrauen der Gläubigen genießen sollten – als Spitzel gegen Lehrer, Eltern und Schüler in Deutschland einsetzte. Auch Schüler und Eltern wurden animiert und dazu verleitet, etwa Lehrer zu denunzieren, die offen über den Völkermord der Türken an den Armeniern sprechen, eine Tatsache, die das Erdogan-Regime leugnet. Und sie stifteten sogar Schülerinnen und Schüler an, Lehrer, die nach unserer Verfassung der Aufklärung und Wahrhaftigkeit verpflichtet sind, zu bespitzeln, dem Regime mißliebigen Unterrricht mit Handys zu filmen und gegenüber den türkischen Konsulaten zu denunzieren. Auch die NSDAP benutzte Kinder und Jugendliche aus Jungvolk und Hitlerjugend, um regimekritische Lehrer oder Eltern zu denunzieren und ans Messer zu liefern. Nichts anderes praktiziert das Erdogan-Regime, indem es deutsche Bürger mit türkischen Wurzeln anstachelt Denunziationen zu begehen, die die Betroffenen zum einen hier terrorisieren, zum anderen bei Reisen in die Türkei der Verfolgung aussetzen.
Was muss eigentlich noch passieren, bevor die Bundeskanzlerin mit dem Diktator Erdogan eine andere Sprache spricht und sich nicht mehr wegen des Flüchtlingsabkommens selbst einen Maulkorb auferlegt? Warum gehen Verfassungsschutz und Polizei nicht längst ganz anders gegen Institutionen einer türkischen Regierung vor, die offen und dreist Bundesbürger auffordert, Menschen zu denunzieren und zu bespitzeln? Wann endlich wendet sich der Bundespräsident an die Bürger mit türkischen Wurzeln und redet Tacheles über Nazi-Methoden, Spitzeleien und Aushöhlung der Demokratie durch Erdogan? Was muss eigentlich noch geschehen, bevor er Deutschen mit türkischem Wahlrecht ins Gewissen redet, sie fragt, wie es zusammen gehen kann, hier zu leben, an der sozialen, demokratischen und ökonomischen Entwicklung teilzunehmen, die auf Freiheit und Grundrechten beruht und sich gleichzeitig daran zu beteiligen, einem Rattenfänger zu unterstützen, die Türkei zu einem autoritären Polizeistaat und islamistischen Gedankengefängnis umzubauen? Wann wacht die Zivilgesellschaft auf und begreift, dass das, was Erdogan da gerade in der Türkei veranstaltet, ganz wesentlich nur dadurch möglich ist, weil sich Erdogan auf viele tausend Wählerstimmen von seinen Anhängern in Deutschland stützen kann, die es sich ein bisschen zu einfach machen, wenn sie glauben, hier leben und gleichzeitig ein autoritäres Willkürregime unterstützen zu können? Wann beginnen wir darüber einen Diskurs mit türkischstämmigen Nachbarn mit unserem türkischen Händler, mit dem Döner-Imbiss an der Ecke und mit dem türkischen Schneider darüber? Wann beginnen wir, diese Menschen, die hier leben, solidarisch zu schätzen und sie an ihre Veranwortung zu erinnern, aber ihnen damit auch zu zeigen, dass sie ein Teil unserer Gesellschaft sind und uns allen nicht egal sein kann, was in der Türkei passiert?
Ja, dies ist ein freies Land und deshalb durfte der türkische Ministerpräsident hier reden – auch über die absurden und freiheitsfeindlichen Pläne seines Präsidenten. Aber das ist noch lange kein Grund dafür, dass Politik und Repräsentanten unseres Gemeinwesens zu diesen Umtrieben schweigen. Warum gibt es keine Broschüre der Bundesregierung an alle Bürger mit türkischen Wurzeln, in der klar der Unterschied zwischen unseren Grundrechten des Grundgesetzes und den Methoden der Diktatur von Erdogans und seinen Verfassungsplänen erläutert und an ihre Verantwortung appelliert wird? Warum spricht niemand klar aus, dass eine Stimme für die Diktatur in der Türkei auch gleichzeitig eine Absage an die Demokratie in Deutschland ist, und sie dafür moralisch, persönlich und politisch gerade stehen müssen? Dass wer in der Türkei für die Diktatur stimmt, sich damit gleichzeitig gegen die Grundwerte unserer gemeinsamen Verfassung richtet? Beide Seiten – Deutsche AKP-Anhänger und Unterstützer der Diktatur und Politiker unserer Mehrheitsgesellschaft glauben offenbar, durch gegenseitige Ingnoranz diesen Widerspruch unter den Teppich kehren zu können. Ein gefährlicher Irrtum mit Potenzial zum kulturellen GAU der Demokratie.
Wann endlich wendet sich Bundespräsident Steinmeier direkt mit diesem Thema an uns alle, bevor mit einer inszenierten Abstimmung die Türkei mit unterstützung von Stimmen aus Deutschland in eine Diktatur abrutscht? Wer nicht sehen will, dass so abstimmende Menschen auch für unsere Demokratie ein Problem sind, kann untätig der Entwicklung zusehen. Den deutschen Bürgern mit türkischen Wurzeln muß klar gemacht werden, dass wer Erdogans Regime unterstützt, sich gleichzeitig gegen die Demokratie und Toleranz wendet, die hier Grundlage unseres gemeinsamen Zusammenlebens sind. Diese Verantwortung ist vielen offenbar nicht präsent. Der Präsident aller hier lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln heisst nicht Erdogan, sondern Steinmeier. Und er sollte auch begreifen, dass es seine Aufgabe ist, die Deutschen mit Migrationshintergrund nicht allein zu lassen – aber ihnen auch vor Augen zu führen, dass es keine zweigeteilte Demokratie geben kann. Wer als Organisation einen Diktator in der Türkei unterstützt, wird damit automatisch hier zum Risiko für die Demokratie. Das muss auch den Funktionären den AKP und ihren Anhängern in Deutschland klar gemacht werden. Die türkische Gemende in Deutschland hat das ihre getan und dazu aufgerufen, am 16.3. mit “Nein” zu stimmen. Wir alle sind gefragt, das zu unterstützen und nun sind Sie dran, Herr Bundespräsident!
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