Interview mit der argentinischen Trainerlegende César Luis Menotti
von Sandra Schmidt
An einem heißen Sommertag im Februar empfängt César Luis Menotti Sandra Schmidt in seinem klimatisierten Büro zwei Blocks vom Obelisken im Zentrum von Buenos Aires. El Flaco, wie der lange, dünne Mann hier heißt, ist in hervorragender Verfassung und bester Laune. Bei den politischen Themen regt er sich wunderbar auf und weist auch gern nochmal auf seine Zeiten mit Parteibuch – der argentinischen KP – hin. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich Papiere und alte Fußballzeitschriften, die den Trainer des Weltmeisters von 1978 und Verfechter des schönen Spiels auf dem Titelbild zeigen – „Guck’ mal, so etwas schicken mir die Leute!“. Menotti wird im Oktober 79 Jahre alt.
Wie geht es dem argentinischen Fußball heute?
Der argentinische Fußball behauptet sich wie der Jagdhund, das ist genetisch. (lacht) Diese Hunde sind seit hundert, ach was, seit tausend Jahren Jagdhunde, und hier kommen immer wieder Fußballer hervor und man weiß nicht, warum. Das kann eigentlich nur genetisch sein, denn das ganze Umfeld hier macht es niemandem leicht, sich zu entwickeln. Wir stecken in einer sehr tiefen Krise, die nicht nur, aber auch kultureller Art ist. Argentinien hat in den letzten dreißig Jahren einen tiefgreifenden Kulturverlust erlebt, und davon ist der Fußball natürlich nicht unberührt geblieben. Er ist längst Teil des großen Geschäfts, nicht mehr der Kultur, nicht mehr das, was der argentinische Fußball lange war: repräsentativ für die Gesellschaft hier, mitsamt der Freude jedes einzelnen, der sein Vereinstrikot hatte. Heute träumt der junge Fußballer hier nicht mehr davon, in seinem Verein Karriere zu machen, sondern eher davon, nach Europa zu gehen. Hier herrscht das Chaos, die wirtschaftliche Situation ist sehr schwierig und komplex.
Der argentinische Fußballverband, die AFA, steckt seit dem Tod von Julio Grondona 2014 in einer tiefen Krise… (zum Zeitpunkt des Interviews war die AFA noch führungslos, am 30. März wurde Claudio Tapa zum Präsidenten gewählt)
Grondona war ein Caudillo, ein Anführer, und wenn ich das sage, dann rede ich nicht über Redlichkeit oder Ehrlichkeit – dafür ist die Justiz zuständig –, sondern über seine Art. Ich erinnere mich, als ich damals in den USA gelebt habe, anderthalb Jahre in New York, da haben die Leute immer über die Mafia geredet. Ein Italiener, der dort lebte, sagte immer: Das Schlimmste, was New York passieren konnte, war, dass Al Capone gestorben ist, weil er ab dem Moment die Mafia nicht mehr führen konnte. Diese Art von Caudillos umgeben sich immer mit mediokren und gehorsamen Leuten, und als er tot war, da dachten alle: Jetzt bin ich der nächste Al Capone! Und dann ging die Zeit der großen Massaker, der großen Kämpfe erst los! Genau das Gleiche ist hier passiert: Der Chef ist gestorben und alle, die immer um ihn herum waren, wollen Grondona sein, wollen der Präsident sein. Er hat überhaupt nichts hinterlassen, seine Führung war äußerst individualistisch. Er hat gemacht, was er wollte, sehr fähig, aber natürlich in Komplizenschaft mit einer korrupten FIFA, mit Havelange und all seinen großen Geschäften und jenseits all jener Sektoren, die wirklich irgendwelche Werte gehabt hätten. Der Fußball ist ja nicht nur der große Fußball: Wenn man Fußball sagt, dann ist das, als würde man hier in Argentinien „auf dem Land“ sagen. Nicht alle auf dem Land sind Großgrundbesitzer und Millionäre, es gibt viele, die beackern ihre 100, 200 Hektar tagein, tagaus. Und genau so gibt es viele Fußballspieler, die jetzt kaum mehr das Geld haben, ihr U-Bahn-Ticket zu bezahlen, um zum Training zu fahren. Es ist ja nicht jeder ein Messi oder ein Guardiola! Es gibt viele junge Trainer, die gerade so überleben. Wenn es so weitergeht wie bisher, dann geht die AFA weiter unter! Denn es gibt keine ernsthafte Debatte. Das Engagement des Staates war immer politisch, nie kulturell orientiert.
Präsident Macri hat das Programm „Fußball für alle“ – mit dem die Spiele frei empfänglich im Fernsehen zu sehen waren – aufgekündigt. Mit dem Beginn der kommenden Ligasaison im August müssen die Argentinier bezahlen, wenn sie Fußball sehen wollen. Was halten Sie davon?
Ich glaube, dass das nicht der Kern des Problems ist, darum geht es letztlich nicht. Als der Staat die Übertragung finanziert hat, war das, weil sie Werbung schalten wollten, denn es standen Wahlen an und die Präsidentin (Cristina Fernández de Kirchner) hat Grondona in ihre Arme geschlossen. Ich glaube, dass der Fußball andere Möglichkeiten hat und es dafür keinen Grund gibt. Was der Staat tun muss, ist kontrollieren, denn wir reden hier über gemeinnützige Vereine und die Justiz hat die Rechte der Vereinsmitglieder zu verteidigen! Das sind ja keine börsennotierten Unternehmen! Wenn du da mit den Finanzen nicht im Reinen bist, dann gehst du ins Gefängnis, dann war es das. Hier können wir zwei einfach einen Verein aufmachen, und wenn Geld reinkommt, wunderbar, dann nehmen wir es uns – und wenn keins reinkommt, dann zahlen wir auch niemandem etwas. Das geht doch so nicht! Das ist die Situation, in der der argentinische Fußball steckt, ein Skandal! Das führte dazu, dass die Menschen pessimistisch wurden, sie verlieren ihren Glauben in den Fußball – in Argentinien war der Fußball wie ein Theater! Die Menschen fühlten sich hier immer als Teil der Emotionen, die bei einem großen Spiel entstehen. Die Leute gehen nicht mehr ins Stadion, teilweise ist die Lage rund um die Stadien unsicherer geworden, also schauen sie Fußball im Fernsehen an. Aber Fußball sollte man nicht im Fernsehen angucken! Wenn ich in München leben würde, dann wollte ich Bayern München doch nicht im Fernsehen sehen – dann wollte ich doch ins Stadion! Es gibt nichts Langweiligeres, als ein Fußballspiel im Fernsehen anzusehen! (lacht) – statt ins Stadion zu gehen! Das ist, als würde ich mir einen Liebesfilm anschauen und dabei meinen Hund in den Armen halten! Das ist doch sehr seltsam!
Mauricio Macri hat im vergangenen Jahr vorgeschlagen, den legalen Status der Clubs zu ändern, also aus den gemeinnützigen Vereinen Aktiengesellschaften zu machen. Wie bewerten Sie das?
Erstmal sollte sich Macri um die bestehenden Aktiengesellschaften in diesem Land kümmern, damit die nicht immer weiter Geld klauen und damit der durchschnittliche Argentinier nicht 15, 16 Stunden am Tag arbeiten muss, um überhaupt überleben zu können! Und wenn er das gemacht hat, dann sollte er den Fußball sich selbst überlassen. Was sie tun müssen – aber nicht Macri oder die Regierung, sondern die Justiz – ist, die gemeinnützigen Vereine zu beobachten und zu überwachen! Hier gibt es Vereinspräsidenten, die sagen: „Ah, ich habe 15 Millionen Dollar Schulden geerbt. Ah, na gut. Nach vier Jahren gehen sie und der nächste Präsident sagt: Ich habe 20 Millionen Dollar Schulden geerbt, was soll‘s.“ So geht das hier immer weiter und sie behaupten alle das gleiche!
Macri kommt ja aus dem Fußball (Menotti lacht). Wie war denn das, Sie haben ihn ja als Präsident von Boca Juniors, von 1995 bis 2007, selber erlebt?
Macri ist nicht im Fußball groß geworden, auch nicht als Funktionär. Ich glaube, er hat sich diese Karriere im Leben nicht erträumt – er ist ein Geschäftsmann. Ja, er ist ein Fan, er mag den Fußball, er guckt ihn gern und er spielt mit seinen Freunden, es ist ihm nicht völlig fremd. Aber es ist das eine, Präsident von Boca Juniors zu sein, das andere Präsident des Landes!
Diego Maradona hat den Boca-Präsidenten Macri damals, als er selbst Spieler bei Boca Juniors war, einen cartonero (Papiersammler) geschimpft, der nicht lesen und schreiben kann…
Dieser Streit mit Diego hatte andere Motive: Sie stammen aus verschiedenen Klassen. Diego gehört hier den Menschen, dem Volk, er stammt aus einem sehr bescheidenen Viertel und Macri kommt aus der Welt der Geschäfte. Klar, Macri hatte die Macht und Diego haben viele Entscheidungen nicht gepasst. Ich glaube, dass das viel eher etwas Persönliches hatte. Aber wahr ist auch, dass Diegos Auslassungen oft wunderbar sind, manchmal scheint er ein Philosoph!
Macris Agieren wirkt häufig ein wenig unglücklich, ein Mann der Kultur scheint er nicht zu sein, oder?
Nun ja, er hat die Universität abgeschlossen, ist Ingenieur. Für mich ist er ein Mann der Geschäfte, der großen Geschäfte. (Pause) Es passiert doch letztlich immer das Gleiche: Nach einer erklärtermaßen rechten Regierung gewinnt eine verlogene linke, und zwar in allen lateinamerikanischen Ländern – und jetzt komme mir niemand und sage, der Kirchnerismus sei links gewesen! Das war eine verlogene Linke! Und jetzt haben wir eine erklärte Rechte und meine Sorge ist einfach, dass diese erklärtermaßen rechte Regierung so agiert, dass danach wieder eine verlogene Linke gewinnt. Würde wenigstens mal jemand gewinnen, der irgendeine Idee von Politik hat! Hier übernimmt ja niemand mehr für irgendwas die Verantwortung! Ich war Trainer der Fußball-Nationalmannschaft, selbstverständlich übernehme ich die Verantwortung für alles, was in der Zeit passiert ist. Die politisch Mächtigen scheinen für gar nichts verantwortlich: Sie reden von Korruption, als ginge es darum, dass jemand 50 Pesos an der Ecke geklaut hat. Dabei haben sie das Land zerstört! Ich habe als Kind zu denen von oben gehört, meinem Vater ging es sehr gut, wir hatten ein Auto und alles. Dann ist mein Vater plötzlich gestorben und ganz schnell gehörte ich zu denen von unten. Dann habe ich begriffen, wie ungerecht diese Gesellschaft ist. Und ich habe mich darauf vorbereitet, gegen die da oben zu kämpfen! Aber dann habe ich begriffen, dass ich nicht darauf vorbereitet war, mit denen von unten zu kämpfen, wenn sie erstmal oben angekommen sind. Das passiert in unseren Ländern hier: Es gab viele Kämpfe gegen den Feind von oben, den entfesselten Kapitalismus etc., und dann, dann stellt sich der, mit dem du gekämpft hast, als schlimmer als der Gegner heraus. Darauf war ich nicht vorbereitet!
Werden Macris Maßnahmen, um das Land aus der Krise zu führen, von Erfolg gekrönt sein?
Nein, nein, ich bin schrecklich besorgt – die Lage ist chaotisch und wirklich sehr schwierig. Die Zukunft ist unsicher, völlig unsicher. Das hat natürlich auch mit der Regierung vor Macri zu tun. Nun, die Menschen haben ihn gewählt, damit sich etwas ändert. Macri hat die Chance seines Lebens! Er ist in einer Position, die er sich im Leben nicht erträumt hat, nicht mal in seinen kühnsten Träumen! Ich würde mal annehmen, er hat vielleicht davon geträumt, sich einen eigenen Verein zu kaufen oder einen Fernsehsender und so etwas, aber nicht davon, Präsident von Argentinien zu werden! Vielleicht hat er mal davon geträumt, wie Johann Cruyff Fußball zu spielen oder ein Fernsehsendung wie Tinelli (Marcelo Tinelli – Moderator des populären TV-Magazins ShowMatch) zu haben – ich glaube, das waren eigentlich die Möglichkeiten, die er hatte. Keine Ahnung, wie er nun diese Probleme lösen will! Ich bin nicht gut als Wirtschaftswissenschaftler, aber ich habe Kontakt zu den Menschen und ich höre ihnen zu: Ich bin gerade mit dem Taxi hergefahren und der Taxifahrer erzählt mir, dass er morgens mit 1500 Pesos minus anfängt, die muss er nämlich für das Taxi bezahlen; und dass er mindestens 15 Stunden am Tag fährt, um überhaupt zu überleben. Ich habe keine Geduld mehr, ich habe es satt, immer von der Hoffnung zu leben! Ich habe auch keine Zeit mehr, auf irgendwas zu hoffen. Wir werden doch seit 30, 40 Jahren angelogen, die Kultur geht vor die Hunde – das war mal ein Land der Dichter und Denker und Musiker!
Was bedeutet das für die Gesellschaft?
Die Menschen haben kein Geld mehr, ins Teatro Colón (wichtigstes Opern- und Konzerthaus in Lateinamerika), ins Kino oder auch nur in die Shopping Malls zu gehen. Sie verlieren den Glauben ans Leben und wenn das Geld kaum reicht, deine Kinder zu ernähren, dann ist dir natürlich alles andere auch egal! Es gibt einen tiefgreifenden Kulturverlust eines ganzen Volkes, das früher mal sehr solidarisch war. Jetzt regen sich die Menschen über die angeblich kriminellen Bolivianer oder Chilenen auf, das ist doch alles eine einzige Lüge! Nur vier, fünf Prozent der Gefängnisinsassen sind keine Argentinier. Das sind alles Lügen, die die Regierung erfindet. So verlieren die Menschen den Respekt, ihre Träume und den Respekt für den Nächsten. Die Polizei hilft da überhaupt nicht! Wir müssen wieder über Erziehung sprechen – und ich rede hier jetzt nicht von Erziehung à la Marx, sondern von grundlegenden Dingen. Zum Beispiel schlicht davon, dass man einen Nachbarn hat, und den sollte man kennen und wenn er Hilfe braucht, dann muss man ihm helfen. Das ist Solidarität und das interessiert heutzutage keinen Menschen!
Gibt es Ihrer Meinung nach einen Zusammenhang zwischen rechten oder linken nationalen Regierungen und dem Fußball?
Der Fußball ist den Regierungen irgendwie immer ein wenig fremd. Die Regierungen hoffen, dass man gewinnt – wenn du gewinnst, dann wartet der Präsident der Nation auf dich, wenn du verlierst, dann wartet nicht mal deine Familie – so ist das ja letztlich! Der einzige Ort, wo das ganze Volk eine Mannschaft in den Straßen empfangen hat, das war in in den Niederlanden 1974 und 1978 – weil die Mannschaft im Finale gestanden hatte. Ich glaube, dass der Fußball damals so etwas war wie die Olympischen Spiele, etwas, das mit der Kultur des jeweiligen Landes zu tun hat. Mittlerweile liegt der Ball längst auf den Schreibtischen der Geschäftsleute.
Aber es gibt schon immer noch die Rede von einer nationalen Spielkultur, von einem Stil…
Die Deutschen zum Beispiel spielen heute wie wir 1940, damals waren wir die Besten in der Welt. Sie passen sich den Ball zu, keine hohen Bälle ins Nichts in der Hoffnung auf irgendeinen Kopf, der da in der Luft steht. (lacht) Sie hatten immer gute Spieler, Spieler, die die Tore gemacht haben – das ist jetzt anders: Da ist kein Beckenbauer mehr, kein Overath, diesen Typ gibt es nicht mehr, aber sie haben sehr gute Spieler. Die Deutschen spielen einen sehr guten Fußball; nicht nur Bayern München, es ist ziemlich egal, welches Spiel man sich anschaut. Und es scheint ein emotionaleres Verhältnis zu den Fans zu geben, eines, das weniger mit dem Ergebnis verknüpft ist: Wenn dein Team verliert, aber gut gespielt hat, dann hattest du einen guten Nachmittag und denkst: Ja, nächste Woche gewinnen wir so! Aber wenn du gewinnst und schlecht gespielt hast, dann ist am Montag alles vorbei, weil dann am Montag schon klar ist: Wenn wir weiter so spielen, dann gewinnen wir kein Spiel mehr!
Was halten Sie momentan von der FIFA mit ihrem neuen Präsidenten Gianni Infantino?
Ich kenne ihn nicht. Nach dem, was er sagt, scheint es zumindest so, dass er in einigen Dingen entschiedener handeln will – aber bislang ist nicht wirklich viel passiert. Und die Geschichte mit den vielen Mannschaften in der Vorrunde: Also mir scheint, dass das mehr mit Geschäften als mit dem Fußball zu tun hat. Ich sage: Um eine WM zu spielen, sollte man vorher gut gespielt haben, nicht nur seine Stimme bei Wahlen vergeben! Ich mag Trinidad & Tobago, die sind wirklich sehr sympathisch, aber die müssen sich erstmal entwickeln und unter ihresgleichen messen. Ich glaube, dass eine Vorrunde mit rund 50 Teams ein Schwachsinn ist! Und davon abgesehen, gibt es viel zu viele Spiele! Darum sollte man sich mal kümmern! Da sollten sich vielleicht mal die Mediziner einschalten! Die spielen am Montag, am Dienstag, am Mittwoch, am Donnerstag – bald spielen sie jeden Tag! Das ist wie mit dem Essen, das sage ich ja schon lange: Ein Teller gute Nudeln ist wunderbar! Zwei Teller gute Nudeln sind in Ordnung, bei drei Tellern wird es eng. Wenn sie dir jeden Tag drei Teller Nudeln geben – bitte nicht! Nicht jeden Tag Nudeln! Beim Fußball ist es genau so und es wird dahin kommen, dass die Leute jeden Tag zehn Teller Nudeln vor sich haben! Da fängt man an, sich zu langweilen! Man muss doch auch mal aufhören können. Das ist die Wirtschaft, die sagt: Lasst sie einfach jeden Tag spielen! Ich weiß nicht, was das soll! Und außerdem: Umgekehrt wäre das, als würde ich sagen: Wir bringen die Berliner Symphoniker in die bolivianische Hochebene, damit sie dort Musik machen und dann entwickelt sich dort die Musik! – Eh!? – Seien wir doch ehrlich! Der Fußball entwickelt sich woanders!
Welche Rolle kann Ihrer Meinung nach ein Diego Maradona in der FIFA spielen?
Keine Ahnung! Was Maradona hat, da ist eine gewisse Schelmenhaftigkeit in seinen Aussagen. Immer dann, wenn er etwas sagt, dann gibt es eine Art Explosion. Ich glaube, in der Welt des Fußballs ist es schwierig, Maradona als Gegner zu haben. Das hat viel mit seiner Erfahrung zu tun. Es ist auf jeden Fall besser, Maradona auf seiner Seite zu haben. Außerdem sollte die FIFA ihm dankbar sein, sie hat ihn massakriert damals, weil sie ihn nicht im Griff hatte. Und dann haben sie dieses Zeugs gefunden, Ephedrin, das war ein Scherz, das hat jeder genommen, der eine Erkältung hatte – und sie haben ihn zwei Jahre gesperrt. Nehmen wir mal an, jemand ist abhängig, was macht man mit so jemandem? Als würde man einem Musiker, der hier im Teatro Colón auftritt und irgendwelche Drogen nimmt, die Geige wegnehmen! Der erschießt sich doch! Maradona haben sie den Ball weggenommen, und er hat damals einen genialen Satz gesagt: Sie haben mir die Beine abgeschnitten! Was sollte er denn die zwei Jahre lang tun, außer Fußball zu spielen? Er war ja noch gut damals. Ich glaube, sie haben daraus gelernt. Maradona gegen sich zu haben, ist nicht gut. Darüber hinaus habe ich keine Ahnung, aber ich habe den Eindruck, er ist ruhiger, er hat eine Vorstellung von dem, was er da will. Auf jeden Fall ist es niemand, den man mit zwei Freiflügen und einem Fünf-Sterne-Hotel einkaufen kann. Damit kann man einen Diego nicht überzeugen. Ich glaube, dass er gut drauf ist, was er dann tatsächlich in der FIFA tun kann, was weiß ich, das wird sich zeigen müssen. Aber besser Maradona als irgendein dahergelaufener Depp!
Sie haben mal oft gesagt, man sollte Maradona nicht mit Lionel Messi vergleichen – warum nicht?
Weil man die beiden nicht vergleichen kann, man genießt sie. Würden sie in der gleichen Epoche spielen, dann ja. Das ist wie in einer Ehe. Wenn du dich von einer Frau trennst und eine andere Frau heiratest, was dann? Vergleichst Du dann die ganze Zeit die beiden Frauen, deine neue Frau mit der vorherigen? Nach dem Motto: Die alte war besser, aber die ist ja jetzt weg – nein. Maradona ist längst nicht mehr dabei, er hatte seine Zeit, ihn jetzt mit diesem jungem Kerl zu vergleichen, das finde ich irgendwie unmöglich. Als würde man Maradona mit di Stéfano oder mit Cruyff vergleichen – alle waren die Könige ihrer Zeit, Idole jener Zeit und ganz große Spieler. Mir gefallen diese Vergleiche nicht. Ich glaube, dass Maradona in seiner Zeit außergewöhnlich war, er hätte weiter spielen können bis er fünfzig Jahre alt geworden wäre, hätte er nicht all die Affären gehabt, die er hatte. Und dieser junge Kerl (Messi) ist ein großartiger Fußballer, er ist die Nummer eins, der Beste der Welt. Aber klar, man muss sehen, wie er reagiert, wenn es mal eine große Krise gibt. Ich glaube, beide sind ganz großartige Fußballer.
Das Gespräch führte Sandra Schmidt am 21. Februar 2017 in Buenos Aires.
Es erschien in der Zeitschrift “ila 405” der Bonner Informationsstelle Lateinamerika. Herzlichen Dank an die Autorin und die ILA für die Genehmigung der Textübernahme.
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