Dem US-Präsidenten und seiner Administration haben wir es zu verdanken, dass die deutsche Öffentlichkeit sich seit langem wieder stark für Aussenpolitik interessiert. Das letzte Mal war es – gefühlt – 1972, dass eine Bundestagswahl von ihr entschieden wurde.
Eines entwickelten demokratische Staates ist es eigentlich unwürdig, dass seine aussenpolitischen Diskurse, die im Ergebnis über Krieg oder Frieden entscheiden, nur von verschlossenen Expert*inn*enkreisen geführt werden. Dennoch ist es so, nicht nur bei uns, sondern fast überall. Das begünstigt Geheimnistuerei, “hidden agendas” und Deals, über die niemand draussen etwas erfahren soll.
Hans Hütt (FAZ) macht heute in seiner Anne-Will-Besprechung auf den Wechsel in der öffentlichen Debatte aufmerksam, nunja er tropfte heute auch aus jeder Nachrichtensendung, weil es uns als “Botschaft” des G7-Gipfeltreffens und “Ergebnis” der Trump-Reise eingebimst werden soll: dass “wir” jetzt ins Lenkrad des Weltgeschehens greifen müssen, weil dieser Trump einfach zu doof, und auf ihn kein “Verlass” mehr sei (als wenn das jemals anders war ….).
Jetzt rächt sich Schäubles Aussenpolitik ein weiteres Mal. Nachdem Deutschland der EU vorexerziert hat, was es mit EU-Partnern macht, die nicht nach seinen Regeln spielen (Griechenland), erwartet es nun, dass ihm auf ein “mir nach!” alle folgen.
Große Erwartungen werden dabei an Frankreichs Präsident Macron geknüpft, dessen Regierung hier schon Peter Wahl analysiert hat, hier ergänzend Bernhard Schmid (Telepolis). Im Kern würde ich heute auch Jens Berger (nachdenkseiten) in seiner Einschätzung zustimmen.
Wie wird die Opposition reagieren, nach Merkels Bierzeltrede? Sie ist erkennbar, und das weiss Merkel, nicht sortiert. Die Linke wird von ihrem linken Flügel gelähmt, der mit Nato und EU nichts zu tun haben will (mit Regierungsmacht ja auch nicht), die Grünen von ihren antirussischen Ostlandrittern und Burgfräuleins mit Maoistenvergangenheit. Der SPD sind die erfahrenen Entspannungspolitiker, und nichts würde jetzt dringender gebraucht, überwiegend weggestorben; bei ihr gibt es solides Fachwissen (Annen, Erler, Mützenich), aber keine Figuren die Popularität mit Gegenwicht zur CDU glaubwürdig verkörpern können. Oder wächst Sigmar jetzt unverhofft in seine Traunrolle?
Update 7.6.: die klügste Einlassung seit Monaten zum wahren Desaster von Merkels Aussenpolitik veröffentlichten jetzt zwei Personen, mit denen ich im vorigen Jahrhundert politisch nicht so viel anfangen konnte: Antje Vollmer und Peter Brandt, Sohn von Williy, Bruder von Matthias, im Tagesspiegel. Zu Brandt habe ich seinerzeit diese Kritik weitgehend geteilt, Anfang der 80er Jahre sogar eine Seminararbeit gegen sein damaliges Werk verfasst. Die Einlassungen seines Schauspielerbruders Matthias fand ich bis heute immer nachdenklicher, reflektierter, cooler.
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