Die CDU-Fraktion im Bonner Stadtrat wird heute abend einen neuen Fraktionsgeschäftsführer wählen: den bisherigen Leiter des Amtes O1 (= “Amt des Oberbürgermeisters”) Horst Gehrmann. Das ist eine bedeutende Personalie für die zukünftige Zusammenarbeit der “Jamaika”-Koalition aus CDU, Grünen und FDP.
Wie bedeutend, das ist mit einem Blick auf den bisherigen Amtsinhaber Georg Fenninger zu erkennen. Fenninger ist Beueler Prominenz, viele Freund*inn*e*n und viele Feind*inn*e*n. Ich habe langjährig zu Letzteren gehört, für langjährige Mitarbeiter des Bundesamtes für “Verfassungsschutz” vermag ich keine Sympathien zu entwickeln. Als Geheimdienstler muss mann ein harter Realo sein, es gehört zum Berufsbild Wirklichkeiten zu erkennen und zu sammeln, die sich anderen und der breiten Öffentlichkeit nicht erschliessen. Diese Fähigkeit war und ist Fenninger zweifellos gegeben. Daraus ergab sich fast schon zwingend, dass er nach der WCCB-Affäre, die die ehemalige Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und ihre SPD nachhaltig politisch desavouierte, zu einem zentralen Architekten des ersten schwarz-grünen Bündnisses im Bonner Stadtrat wurde. Während die Bonner CDU nach der Kommunalwahl 2009 ihr Glück über diese Möglichkeit kaum fassen konnte, entschlossen die Grünen sich erst nach bei ihnen üblicher langer “schmerzhafter” Debatte dazu, mit gut 60% gegen knapp 40% bei ihrer damaligen gut besuchten Mitgliederversammlung.
Zu diesem Prozess bildete die Kommunalwahl 2014 einen Kontrast. Die 2009 glückliche CDU wurde von ihren Wähler*inne*n mit Verlusten gestraft. Die Grünen wunderten sich dagegen über einen Zugewinn von 1.500 Stimmen, einige wenige ärgerten sich sogar heimlich. Nun wurde es noch etwas kniffliger: Mehrheiten im Stadtrat gab es rechnerisch nur für eine CDU/SPD oder eine “Jamaika”-Koalition (= Schwarz-Grün + FDP). Da die SPD mit erklecklichen “Leihstimmen” von Grünen-Wähler*inne*n den OB Nimptsch (nach dem alten Wahlrecht genügte die einfache Mehrheit von 40%) stellen konnte, präferierte die CDU, die als einzige Alternativen hatte, “Jamaika”. Und so kam es, bei den Grünen wieder wie oben.
Gelingen, inkl. dem Wahlergebnis 2014, konnte das nur, weil die Koalitionsparteien, ihre Fraktionsspitzen und ihre -geschäftsführungen miteinander geschäftsfähig waren. D.h. anders, als man es über Jahrzehnte mit der nordrhein-westfälischen und Bonner SPD gewöhnt war, konnten Absprachen aller Art (inhaltlich, organisatorisch, personell) nicht nur getroffen, sondern sensationellerweise meistens sogar eingehalten werden. Ein Vertrauensminimum als notwendige Bedingung für erfolgreiches Koalieren existierte. Am härtesten dafür arbeiten mussten die Fraktionsgeschäftsführer*innen, die im Gegensatz zu den auf Amateurbasis gewählten Kommunalpolitiker*inn*en in Rat und Bezirksvertretungen, professionalisiert arbeiten können.
Wird sich das mit dem Wechsel von Fenninger zu Gehrmann bei der CDU fortsetzen?
In allen beteiligten Fraktionen der Koalition gibt es Mitglieder, die die Koalition ablehnen, einzelne entwickeln sogar (Selbst-)Hass. Gebremst werden sie nur durch das Wahlvolk, das ihnen keine Alternative gab, und das erst 2020 wieder zur Urne gerufen wird. Vorgezogene Neuwahlen, ein beliebtes taktisches Mittel der Strippenzieher*innen, gibt es in der NRW-Gemeindeordnung nicht.
Wer als Kommunalpolitiker*in auf eine andere Koalition hinarbeiten will, hätte also grosszügige drei Jahre Zeit, öffentliche Diskurse zu entwickeln, die das Bonner Wahlvolk überzeugen, 2020 anders zu wählen als 2014. Eine Anforderung, die leider die Intelligenz vieler ehrenamtlicher Politiker*innen überfordert. Sie schaffen es nur klandestin, so dass niemand was merkt.
Welche Rolle wird Gehrmann in diesem Gefüge spielen?
Beantworten kann ich diese Frage nicht. Eine Ahnung gibt seine bisherige Arbeit für den OB, bzw. was davon durch das öffentliche Agieren von OB Sridharan bisher sichtbar wird. Der konzentrierte sich bisher darauf, die Stadt auf respektierte Weise zu repräsentieren und seine Verwaltung mit eher straffen Zügeln effizient zu managen und zu leiten. Große Fehler sind ihm dabei bisher nicht unterlaufen, was sicher auch für Gehrmann spricht, große gestalterische und richtungsweisende Impulse aber auch noch nicht gelungen. Auf der Plusseite steht z.B. die parteiübergreifend unterstützte kommunale Flüchtlings- und Integrationspolitik, oder die Erhaltung des Pantheon bei uns in Beuel. Auf der Minusseite die Geringschätzung des zukünftig dominierenden Grundsatzthemas kommunaler Politik bundesweit, das Amtsvorgänger Nimptsch noch instinktsicher erkannt hatte: die berechtigte Forderung nach mehr und intensiverer Bürger*innen*beteiligung, angesichts des niedergehenden Ansehens von Politik(er*inne*n) und Parteien. Sridharan leidet hier ganz offensichtlich unter seiner eigenen Sozialisation als Verwaltungsmensch, in der quengelnde Bürger*innen und ehrenamtliche Gewählte als Betriebsstörung aufgefasst werden. Das hat Gehrmann nicht zu korrigieren gewusst. Wenn das nicht nachgeholt wird, werden es die Wähler*innen bestrafen.
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