Steuerhinterziehung in Höhe von rund acht Millionen Euro dürfte unweigerlich eine Haftstrafe nach sich ziehen. Folglich droht Werner Mauss nun Haft. Denn das Gericht hat keine Lust mehr auf seine Erzählungen, fiktive oder reale Zeugen, die eines gemeinsam haben – sie können nichts oder recht wenig zum Tatvorwurf der Steuerhinterziehung seit etwa 2000 beitragen. Selbst Agent 008, mit bürgerlichem Namen Bernd Schmidbauer und zu Helmut Kohls Kanzlerzeiten Staatsminister im Bundeskanzleramt und dort – mit der Kontrolle der Nachrichtendienste – deutlich überfordert, sagte lediglich aus, dass es vor 1990 wohl eine Art “Reservefonds” ausländischer Nachrichtendienste gegeben habe, der Werner Mauss zur Verfügung stand. Mehr wisse er nicht, das habe ihn auch nicht weiter interessiert. Die übrigen von Mauss und seinen Spitzenanwälten benannten Zeugen hatten, so sie denn überhaupt nach Bochum kamen, wenig bis nichts zum Beweisthema beizutragen und widersprachen nach Ansicht des Gerichts sogar in wichtigen Punkten den in sich ebenfalls widersprüchlichen Ein- und Auslassungen von Werner Mauss. Das Gericht unter Leitung von Markus van den Hövel jedenfalls hat erkennbar keine Lust mehr auf die Spielchen des medial manchmal etwas überschätzten “Geheimagenten”. Was machte Mauss tatsächlich? – Den verschiedenen Berichten zufolge, war sehr oft sehr viel Geld im Spiel. Geld, das Mauss überbrachte oder dessen Zahlung durch Mauss vermittelt wurde.
Wie Werner Mauss das selbst sieht, steht auf seiner Homepage – auch darauf sei verwiesen:
http://www.werner-mauss.de/indexa467.html
Im Prozess bekam ich den Eindruck, dass Geld für Mauss überhaupt eine ganz wichtige Rolle spielte. Und viel musste es sein. Seine Ersparnisse, davon ist das Gericht nach dem heutigen Stand der Beweisaufnahme überzeugt, wollte Mauss für seine Erben sichern. Deshalb verfügte er eine bis in alle Einzelheiten festgelegte Erbfolgeregelung.
Diese liebevolle Fürsorge für seine Kinder und Kindeskinder wurde ihm in Bochum zum Verhängnis.
Das Gericht sieht darin einen recht deutlichen Widerspruch zum vermeintlichen “Treuhand-Konto”. Denn ein Treuhandkonto würde nach Beendigung der Tätigkeit aufgelöst und das Geld flösse dorthin zurück, wo es her gekommen ist – an die Treugeber.
Eigentlich hätte am 10. Juli 2017, am 21. Verhandlungstag der geheime Oberzeuge aus Israel, passender Weise mit dem Tarnnamen “Adam” bedacht, aussagen und alle Fragen des Gerichts beantworten sollen. – So jedenfalls wurde es von Werner Mauss und seinen wahrscheinlich recht teuren Anwälten, immer wieder prophezeit.
Doch als es zum Schwur oder wenigstens zur Aussage kommen sollte – mochte Adam nicht mehr. Er hatte Angst. Angst, in Bochum festgenommen zu werden. So jedenfalls erzählten es Mauss und seine Anwälte. Dem Gericht gegenüber teilte Adam lediglich mit, eine deutsche Sicherheitsbehörde habe ein “Leak” hinsichtlich seiner Person und Funktion verursacht. Deshalb könne er nicht nach Bochum kommen..
„Adam“ schickte die Email an das Gericht, übrigens nicht von seinem „Dienstrechner“ sondern er nutzte eine private Emailadresse. Erstaunt zeigte sich das Gericht auch von der Tatsache, dass in dem seit immerhin 2012 laufenden Ermittlungsverfahren der Zeuge „Adam“ nie zuvor genannt worden sei. Erstaunlich auch, dass „Adam“ in seiner Email an das Gericht über seine vermeintliche Angst vor Festnahme nichts geschrieben habe. Warum nicht? Zumal Adam über einen deutschen Rechtsbeistand verfügte.
Den Antrag der Verteidiger, Adam nunmehr in Israel durch einen dortigen Richter oder aber audiovisuell zu vernehmen, lehnte das Gericht ab. Van den Hövel wollte diesen, nach Darstellung der Verteidigung so zentralen Zeugen, direkt hören, nicht nur aufmerksam lauschen, sondern auch seine Gestik und Mimik sehen. Doch Adam wollte nicht.
Der Zeuge, der für den gestrigen den 22. Prozesstag auf Antrag der Verteidigung geladen wurde, wollte auch nicht. Er kam einfach nicht, obwohl – darauf legte der Gerichtsvorsitzende großen Wert, er ausweislich des postalischen Rückscheins die Ladung des Landgerichts erhalten und persönlich per Unterschrift quittiert hatte. Und wieder verlass einer der Anwälte einen länglichen Beweisantrag, in welchem dem leider nicht erschienenen Zeugen ebenfalls eine große Wichtigkeit und Beweiskraft attestiert wurde. „Die Vernehmung des Zeugen T. wird die Lücke schließen…“ Schade, T. kam nicht und ließ sie somit offen, die Lücke. Nicht die einzige Lücke in der Gegenbeweiskette der Verteidigung, gegen die Anklage der Bochumer Staatsanwaltschaft, die wiederum auf der Fleißarbeit der Wuppertaler Steuerfahndung fußt. Für Staatsanwaltschaft und Gericht gibt es auch nach 22 Verhandlungstagen keinen Gegenbeweis zur Annahme, dass Mauss seine über 20 Mio. Euro hätte versteuern müssen. Mit keiner Aussage und keinem Dokument ließe sich bisher beweisen, dass das Mauss zugerechnete Geld aus einem angeblich 1985 von ausländischen Geheimdiensten gegründeten Fond stamme.
Auch von der Idee, den Prozess zu unterbrechen, damit ein Gutachter sich mit den dem BKA zur Auswertung übergebenen „Panama-Papers“ befassen kann, hielt das Gericht nichts. Denn erstens befassten sich diese Panama Papers trotz ihrer Fülle nur mit den Briefkasten-Gründungen einer einzigen Anwaltskanzlei – von denen es in Panama aber noch einige und auch weitaus größere gebe als die Kanzlei Mossack Fonseca – und außerdem sei Mauss dort niemals Kunde gewesen.
„Genau so gut könne man auch die Verlesung des Telefonbuchs etwa von Oer Erkenschwick beantragen“ – denn dort stehe wahrscheinlich auch nichts über den Geldtransfer des Werner Mauss, so der unsachliche Scherz eines Prozessbeobachters.
Auch mochte das Gericht nicht – wie von den phantasievollen Verteidigern allen Ernstes beantragt – die Staatsanwaltschaft anweisen, künftig nur noch solche Beamte des BKA mit Aufträgen zu bedenken, die gegenüber dem Angeklagten neutral und nicht voreingenommen seien. Das Gericht sah auch keinerlei Anhaltspunkte für eine Beeinflussung des Ober-Super-Zeugen „Adam“ durch Beamte oder Boten des BKA. Die Anwälte argumentierten, das BKA habe mit einer bis heute übrigens nicht beantworteten Anfrage an „den Mossad“ und durch nicht näher bekannte mündliche Erklärungen bei der Übergabe des Briefes „den Zeugen kaputt gemacht“. Diese Tragweite so bedauerte die Verteidigung, sei von der Staatsanwaltschaft „offensichtlich nicht erkannt“ worden.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem taz-Blog “Sauerländische Erzählungen” von Annette Hauschild, mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Letzte Kommentare