Oskar Lafontaine wird sich wieder einmal durchsetzen. Er fürchtet die Lohndrückerei durch zuviele Flüchtlinge. Seine Gattin trat kürzlich öffentlich gemeinsam mit seinem CSU-Kumpel und einstigen BILD-Kolumnistenkollegen Gauweiler auf. Die 6%-Partei CSU kümmert sich jetzt auch in den Koalitionsverhandlungen darum, Lafontaines Sorgen Rechnung zu tragen. Die Lohndrückerei in den massenhaft sich ausbreitenden prekären Arbeitsverhältnissen soll gebremst werden. Ob das klappt?

Wer sind die Prekären? Die Dienstleister*innen aller Art: Putz- und Haushaltshilfen, Verkäufer*innen, Erzieher*innen, Pfleger*innen, Kellner*innen und Küchenhilfen, Kurierdienst- und Callcenter-Sklav*inn*en, Handwerkstätten aller Art, insbesondere bei Arbeitszeiten abseits 9 to 5. Wo fehlt Personal und sind die Krankheitsstände am höchsten? Dito. Am meisten überall dort, wo mit Scheisse und anderen Abfällen hantiert werden muss. Aber selbst im schönen und menschenleeren Meck-Pomm sucht die Gastronomie, die haben da ja sonst nichts mehr, über tausend Leute und findet sie nicht.

Wie der Zufall es will, fallen in allen diesen Arbeitsbereichen zwei Dinge zusammen: niedrige Löhne und schwache Gewerkschaften. Nicht nur, weil z.B. Alten- und Krankenpfleger*innen es “nicht übers Herz bringen” zu streiken.

Die Lösung wäre: Bezahlung für alle verdoppeln. Das macht natürlich kein/e Arbeitgeber*in freiwillig. Sie müssen also dazu gezwungen werden. Durch starke Gewerkschaften. Oder durch die Politik. Worauf müssten wir wohl länger warten?

Wenn es dazu käme, keine Sorge, ist jetzt nur eine Fantasie, würde einiges für Sie und mich teurer. Beiträge in die Pflege- und Krankenversicherung müssten erhöht werden (im Idealfall auch für unsere Arbeitgeber*innen). Gastronomie-Preise würden erhöht, Schluss mit Mittagstischen für 7,50 und Kölsch für 1,50, Döner und Pommes für 2 Euro war einmal … Der Kurierdienst kostet, egal wie viel Sie bestellen. Und wenn der Handwerker für Sie schneller Zeit haben soll, wird das auch nicht billiger (und ist es schon jetzt nicht, klar).

Es mag ja sein, dass Sie alles Mögliche auf einen Klick sofort kriegen können und Sie sich daran gewöhnt haben. Bei allem, was auf Arbeit basiert, wird es nicht so bleiben. Wir werden lernen müssen, das wieder wertzuschätzen, und zwar schon jetzt, im Kapitalismus, nicht erst in einer späteren, besseren Welt. Und wir müssen sogar lernen, denen, die wir für Arbeit bezahlen, auch noch dankbar zu sein und ihnen das zu zeigen. Alte und Kranke, denen das oft auch nicht leichtfällt, wissen meistens, wie viele menschliche Vorteile das im Alltag mit sich bringt.
Es wäre ausserdem für all die gemeinsam besser, die sich politisch für bessere Verhältnisse einsetzen wollen. Mehr Zeit nehmen, langsamer machen, lieber vorher einen Gedanken mehr statt weniger bevor er irgendwo gepostet (das neue Tratschen/Stammtischgerede/Schwätzen) wird.
Vor allem zu der Frage, wie wir das schaffen, jetzt: Solidarität.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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