Wolfgang Michal hat kürzlich in seinem Blog die aktuelle Krise des (deutschen) Journalismus exzellent erfasst. Bei meinen folgenden Ausführungen setze ich die Kenntnis dieser gut geschriebenen und einfach lesbaren Beschreibung dieses komplexen Problems voraus.
Es gibt Wichtigeres als Verhandlungen über eine deutsche Bundesregierung. Die FAZ meldet heute aus einem Israel-nahen Beratungsgremium, ein neuer Nahostkrieg stünde kurz bevor. Das befürchte ich auch. Dass die von der FAZ referierte Analyse interessegeleitet ist, und eine stark vereinfachte Gut-und-Böse-Zuschreibung pflegt, ist leider kein Anlass zur Beruhigung, eher zum Gegenteil. Mein erster Gedanke: wie verhält sich unsere Regierung dazu? Achso, wir haben z.Z. keine. Und wenn doch, würde das zu einer Verbesserung und Entspannung der Lage führen? Oder zum Gegenteil, also eher: gut so?
Das ist aber nur der Vordergrund, die öffentliche Performance. Dahinter ist alles viel schlimmer. Der Autor Sascha Adamek gibt Telepolis ein Interview (hier der 2.Teil), in dem er brutal offen benennt, wie unsere Reichen Herrschenden auf das Erquicklichste mit den übelsten Terror-Sympathisanten und -Förderern ökonomisch zusammenarbeiten, also quasi die ganze Scheisse finanzieren und am Leben erhalten.
Genauso machen sie es mit Erdogan. Spiegel-online verkleidet den Sachverhalt mit der – auch interessanten – Fragestellung, inwiefern die volkswirtschaftliche Statistik der Türkei glaubwürdig ist. Die Frage verhüllt aber mehr, als dass sie aufdeckt. Denn dahinter ist zu sehen: gegenüber arabischen Feudalfürsten und Diktator Erdogan wedelt der Aussenminister gut öffentlich sichtbar mit dem “Dududu”-Zeigefinger, und hintenrum werden die Deals über Bauaufträge, Pipelines und Panzerfabriken gemacht. Oder was glauben Sie, wie Ex-Kanzler Schröder Herrn Steudtner freibekommen hat? ÜBrigens: heute ist der 278. Tag von Deniz Yücels Untersuchungshaft ohne Anklageerhebung.
Dejavu-mässig kommt mir da schon vor, was die SZ diese Woche aus den “Paradise-Papers” aufgewärmt hat. Witwe Honecker soll Geld aus dem unübersichtlichen Netzwerk des Weltidols Nelson Mandela erhalten haben. Der Gute, wie böse war der denn? So platt kann die SZ es gegenüber ihrer bildungsbürgerlichen Leser*innen*schaft nicht bringen, aber so bleibt es hängen. Ich habe keinen Zweifel, dass – ob er es nun persönlich veranlasst haben mag oder nicht – Mandela da nicht die geringsten Skrupel bekommen hätte. In den 70er Jahren war es die von Honecker regierte DDR, die den illegalen ANC in Südafrika und im Exil finanzkräftig unterstützt und zahllosen seiner jungen Aktivist*inn*en ein Studium in der Sicherheit ihres Staates ermöglicht hat. Die Regierungen der BRD, egal welcher Koalition, haben den ANC dagegen in Übereinstimmung mit dem von der UNO alljährlich verurteilten südafrikanischen Apartheidregime als “von Moskau gesteuerte” terroristische Organisation angesehen und mit dem Apartheidregime fortgesetzt ökonomisch und – zu großen Teilen illegal – mit ihm militärisch (und atomar!) zusammengearbeitet.
Von der kurdischen PKK herrscht heute noch – in Übereinstimmung mit dem Erdogan-Regime – ein ähnliches Bild in der deutschen Öffentlichkeit. Und in ähnlicher Weise wie damals mit dem Apartheidregime wird heute nichtöffentlich ökonomisch und militärisch mit seinem Regime zusammengearbeitet. Der Unterschied zu damals: wir wissen es, es ist nicht mehr zu verheimlichen. Aber interessiert es uns?
Wenn uns das weiter egaler bleibt, als die Höhe des Solidaritätszuschlages oder das weitere Schicksal von Seehofer und der CSU, dann wird sich daran auch nichts ändern; “mit Aussenpolitik kann man keine Wahlen gewinnen”.
Und die Flüchtlinge? Die, die erfolgreich daran gehindert werden, zu uns zu gelangen, denen geht es dann ungefähr so. Ist das beruhigend?
Update 19.11.: Um den Ukraine-Konflikt ist es in der deutschen Medienlandschaft auch merkwürdig still geworden. NIcht in den italienischen Berlusconi-Medien. Stefan Corinth berichtet auf telepolis.
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