Die Deutsche Fußball Liga muss sich an den Kosten für Polizeieinsätze beteiligen, wenn Fan-Krawalle drohen. Richtig so! Richtig so?

Es gibt wenig auf der Welt, was mich so sehr langweilt wie ein Fußballspiel, und noch weniger, was mich derart nervt wie grölende Fans. Wenn die nur mit einem Massenaufgebot an Polizisten unter Kontrolle zu bringen sind, dann sollen sie für diesen Einsatz auch zahlen. Oder irgendjemand sonst, jedenfalls nicht ich mit meinen Steuergeldern. Stimmt’s? Nein. Stimmt nicht.

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen, dem zufolge sich die Deutsche Fußball Liga bei Hochrisikospielen – was für ein Wort! – an den Kosten für Polizeieinsätze beteiligen muss, hat bei mir spontan Schadenfreude ausgelöst.
Es trifft die Richtigen. Meiner Meinung nach. Das Problem ist nur: Andere wären vermutlich begeistert und fänden, es träfe die Richtigen, wenn die Veranstalter von Demonstrationen zur Kasse gebeten würden. Sobald die Gefahr besteht, dass jemand im Rahmen der Kundgebung randaliert, also fast immer.
Oder soll künftig abgewogen werden, ob es sich um eine „Hochrisikodemonstration“ handelt? Tolle Idee. Und das Ende der Versammlungsfreiheit.

In Bremen ging es um kommerzielle Veranstalter, schon klar. Nicht um politische Meinungsäußerungen. Aber das ist eine Feinheit, von der ich nicht sicher bin, dass sie Bestand hat. Denn das Urteil stößt eine Tür auf, die geschlossen bleiben sollte. Es relativiert hoheitliche Aufgaben.
Die werden derzeit ja häufiger relativiert. Der Richterspruch liegt also im Trend. Das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, ausgearbeitet von dem sozialdemokratischen Bundesjustizminister Heiko Maas, verpflichtet Netzwerke wie Facebook oder Twitter, „offenkundig“ strafbare Inhalte zu löschen. Bei Zuwiderhandlungen drohen Millionenstrafen.
„Offenkundig?“ Die Frage, welche Äußerungen strafbar sind, scheint sich ja erstaunlich leicht beantworten zu lassen. Oder doch nicht? Man weiß es nicht. Maas und eine Mehrheit des Parlaments haben mit dem Gesetz die in demokratischen Staaten eigentlich sehr komplexe Frage der Zensur nämlich einfach mal: ausgelagert.

Nun wird also mit dem Richterspruch von Bremen eine weitere staatliche Aufgabe teilprivatisiert. Die Herstellung von Sicherheit im öffentlichen Raum. Wer – und sei es indirekt – für deren Gefährdung verantwortlich ist, soll zahlen.

Die Herstellung von Sicherheit im öffentlichen Raum ist eine Kernaufgabe des Staates. Dafür zahlen wir Steuern, genau dafür.

Zur Erinnerung: Die Herstellung von Sicherheit im öffentlichen Raum ist eine Kernaufgabe des Staates. Dafür zahlen wir Steuern, genau dafür. Übrigens zahlen auch kommerzielle Veranstalter Steuern – ob genug, das ist eine andere Frage. Die in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt.
Keine Rolle spielt auch, ob der oder die Einzelne jeweils nutzt oder benötigt, was der Staat bereitzustellen hat: Autobahnen, Kindergärten, Hilfsangebote für Suchtkranke, Gefängnisse, Rüstungsgüter für die Landesverteidigung.

Wer findet, dies oder jenes solle künftig nicht mehr staatliche Aufgabe sein oder ganz abgeschafft werden, muss sich dafür eine Mehrheit suchen. Bislang gibt es keine Massenbewegung, die dafür eintritt, Sicherheit im öffentlichen Raum zu privatisieren.
Vor rund fünf Monaten wurde in Deutschland gewählt, und noch immer konnte keine Regierung gebildet werden. Was unter anderem daran liegt, dass Opposition derzeit reizvoller zu sein scheint als Regieren.
Die Richter in Bremen, Heiko Maas und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, der die Jamaika-Verhandlungen platzen ließ: Sie alle haben sehr unterschiedliche Motive für ihr jeweiliges Handeln. Aber es gibt eine erstaunliche Gemeinsamkeit. Weg, weg, weg von staatlicher Zuständigkeit und Verantwortung. Das finde ich noch bedrohlicher als Hooligans.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.

Über Bettina Gaus:

Bettina Gauss ( † ) war politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Ihre Beiträge sind Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.