Viele der Älteren meinen heute, die Leute um sie herum würden immer bekloppter. In früheren Jahrhunderten waren sie – im Durchschnitt – längst tot. Die, die es in überdurchschnittliches Alter schafften, dachten das – im Durchschnitt – schon immer. Dennoch können wir – auch für Jüngere verständlich – festhalten, dass sich Intensität und Tempo des menschlichen Lebens technikbedingt fortgesetzt beschleunigt. Und auch frühere Menschheitsgenerationen in früheren Jahrhunderten benötigten die eine oder andere Generation Zeit, um die Nutzung neuer Techniken zu erlernen und kulturell zu beherrschen (statt umgekehrt). Mit zunehmender Beschleunigung wird die Lücke qualitativ grösser. Technikkompetenz hat die Machtverhältnisse in Schulen und Familien umgedreht.
Die Ursache für diese Beschleunigung ist unser globalisiertes kapitalistisches System des Zusammenlebens. Der Kapitalismus funktioniert nur durch Wachstum. Wenn er das nicht mehr schafft, bricht Krieg aus, zunächst Verteilungs-, Handels- und Kalter Krieg. Im Katastrophenfall auch militärischer Krieg, der seit dem 20. Jahrhundert immer mit Massenmord, Genozid und brutalen Gewaltverbrechen aller Art verbunden war. Wenn dadurch überdimensional Werte zerstört wurden, konnte wieder Wachstum durch Wiederaufbau entstehen (“Wirtschaftswunder“). Nicht nur Westdeutschland ist dafür ein Beispiel, auch z.B. das China nach der “Kulturrevolution” – beide heute als “Exportweltmeister” bezeichnet.
Nach der militärischen Niederschlagung des Faschismus 1945 und der ökonomischen Niederlegung des “realen Sozialismus” folgte der globale ökonomische Sieg des Neoliberalismus. D.h. der Kapitalismus zieht in all die gesellschaftlichen Lebensbereiche ein, die bisher vor ihm abgeschirmt waren. Mit jedem zusätzlich eroberten Bereich war und ist weiteres Wachstum möglich, mitunter auf “disruptive” Weise. Scheinbar wird dabei immer mehr, am Ende die ganze, Verantwortung für Erfolg im menschlichen Leben dem jeweiligen Individuum zugeordnet und aufgeladen.
Kulturelle und soziale Errungenschaften des Industriezeitalters in den bereicherten Ländern, Ergebnisse ihrer – nur bruchstückhaft internationalisierten – Klassenkämpfe, bürgerliche und soziale Menschenrechte, soziale Einrichtungen und Organisationen (von Kirche und Staat), kulturelle und familiäre Schutzräume – wurden und werden wieder einkassiert und als gestrig, konservativ und unrentabel denunziert.
Ungefähr an dieser Stelle sind wir jetzt. Wir kämpfen in Deutschland gegenwärtig um unsere Demokratie. Geht es mit ihr weiter? Oder zuende? Ein DLF-Kultur-Feature “Eine Frage der Ohnmacht? – Über den schweren Weg, Einfluss auf die Politik zu nehmen” von Thomas Klug machte eine realistische Bestandsaufnahme.
Tags zuvor berichteten Jan Heier und Andrea Beer für den gleichen Sender über die Ultras von Rapid Wien. Was sie dort erlebten, unterscheidet sich im Prinzip nicht von deutschen Ultras. In Dortmund, Köln, Mönchengladbach oder Frankfurt hätten sie Ähnliches vorgefunden. Ihr Feature fängt das Dilemma der herrschenden Medien adäquat ein. Die sog. “Vierte Gewalt” funktioniert nämlich nicht, und ist damit ein wesentliches Symptom der aktuellen Systemkrise. Die private Medienmarktwirtschaft von “Österreich” bis Facebook ist, wenn wir Demokratie erhalten wollen, Teil des Problems, kaum der Lösung.
And now something completely different, aber wir bleiben beim Sport.
Vor einiger Zeit habe ich gefordert, für professionellen Leistungssport und seine internatonalen Wettkämpfe ein Mindestalter der Teilnehmenden festzulegen. Besser als mit dieser taz-Bestandsaufnahme von Marina Mai zum Eiskunstlauf kann es kaum begründet werden. Erziehungsberchtigte, die sowas zulassen, müssten strafrechtlich verfolgt werden.
Warum sollen wir in Deutschland um unsere Demokratie kämpfen? Das setzt ja voraus, dass früher alles besser war. Was war denn früher, in Bezug auf die Demokratie, besser? Der Kapitalismus wird für alles Unglück der Welt verantwortlich gemacht. Wie sieht denn die Alternative aus ohne Konzerne und Großbanken? Wird dadurch alles besser? Rein theoretisch könnte man das meinen, aber von diese von einigen erträumte Vision Realität würde, wird man feststellen, dass sich auch dann nicht viel ändern wird, zumindest nicht im positiven. Kriege, im kleinen wie im grossen, wird es weiter geben. Die gab es vor dem Kapitalismus und sie wird es auch nach dem Kapitalismus geben. Hunger gab es auf der Welt auch schon immer und wird es auch in Zukunft, egal “unter” welchem System, geben. Die grossen Menschheitsfragen werden nicht durch ein bestimmtes System verursacht oder gelöst. Für die Lösung dieser Probleme braucht es engagierte Menschen; je mehr, desto besser. Politische und wirtschaftliche Systeme können noch so gut sein, ohne diese engagierten Menschen sind sie zum Scheitern verurteilt.