Nun ist auch ein Bonner Geisel von Erdogan. Lisa Inhoffen berichtete im GA ausführlich. Im Geschäft der Geiselbefreiung sind Medien – meistens – nicht hilfreich, weil sie immer das verstärken, was wir im Ruhrgebiet “grosse Schnauze” nennen. Darum muss es für Mehmet Y. nichts Nachteiliges bedeuten, wenn Aussenminister Maas sich im Beisein seines türkischen Amtskollegen kleinlaut gab. Im Falle von Mehmet Y. stellen sich allerdings nicht nur Fragen zu den deutsch-türkischen Beziehungen (dieser Link verschwindet in einigen Tagen in einem Paywall-Archiv), sondern auch zu den EU-internen deutsch-bulgarischen (wie zuvor bei Dogan Akhanli zu den deutsch-spanischen). Da reicht rein diplomatisches Handwerk nicht aus, da sind auch klare Haltungen gefordert. Doch zu welchen klaren Haltungen ist diese kleine “Große Koalition” überhaupt fähig?

Die Welt hat andere Sorgen

Da draussen in der Welt lachen sie über uns und unsere kleinlichen Luxusproblemchen. Chinakenner Felix Lee/taz beschreibt den Fortgang der ökonomischen chinesischen Expansion in Afrika, Bernd Murawski/telepolis die globalen Machtverschiebungen zu Lasten Europas und der USA.

Italien – Brescello im Besitz der Mafia, Kaffee im Besitz von Starbucks

Ein besonderer Fall des Niedergangs ist unsere Hassliebe Italien. Dazu zwei Beispiele, um unsere Vorurteile mit kräftigen “Siehstes” zu bestärken: als McDonalds es wagte, sich an der Spanischen Treppe in Rom anzusiedeln, war das der Auslöser die Slowfood-Bewegung zu begründen. Nun hat es Starbucks gewagt. Oje, wo kann man jetzt noch hingehen? Nunja, hier in Beuel gibts viele Möglichkeiten. Aber Italien? Zum Essengehen gibts den unschlagbaren Osterie-Führer von Slowfood. Wie werden die Cafebars überleben? Es geht dabei nicht nur um die Qualität des Kaffees. Auch bei Aldi gibt es guten Wein. Das Problem sind die “Terms of Trade”, die Machtverhältnisse im Handel. Sie ebnen alles ein, wie Glyphosat die artenvielfalt, fast so schlimm und noch unaufhaltsamer, als es Pol Pot einst erträumt hat. Das droht uns, wenn wir nicht alle Hebel umlegen. Wie weit es in Italien schon ist, illustrierte heute Thomas Migge im DLF anhand seiner Schrulle über Brescello, die Heimat von “Don Camillo und Peppone”.

Europawahl 2019 – skurriler Wettbewerb: wer scheitert am schlimmsten?

Wer wird die Europawahl im nächsten Frühjahr gewinnen? Die, die mehr Hoffnung haben und verbreiten. Dazu gibt es einen skurrilen Wettbewerb um das Scheitern, den Steffen Vogel in den Blättern aktuell zusammenfasst. Eine strategische Schlüsselfrage formuliert Guardian-Autor Larry Elliott (deutsch im Freitag): die Riesenchance der Bankenkrise hat die europäische Linke so gnadenlos vergeigt, wie Engländer ein Elfmeterschiessen. Um dieses Bild zu vervollständigen hier noch ein sehr giftiger Verriss eines #aufstehen-Protagonisten (Wolfgang Streeck in der Zeit) von Anett Selle/taz.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net