Norbert Seitz, langjähriger Redakteur einer SPD-eigenen Zeitschrift, dann Redakteur für Essay&Diskurs beim DLF (eine Sendereihe, die nach seinem Eintritt in den Ruhestand wieder spannend geworden ist) lieferte gestern beim gleichen Sender ein Stück zum Jahrestag der Gründung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) ab. Dass er als Originalzeugen für ehemalige DKPler Franz Sommerfeld auswählte, darauf hätte ich fast wetten können. Sommerfeld war ab 2000 Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeiger. Die Rhein-Sieg-Ausgabe hatte ich, als sie noch eine exzellente Bonner Lokalseite hatte, abonniert. Im Zuge der HartzIV-Diskussionen schrieb Sommerfeld einen Leitartikel, dass wir jetzt “alle den Gürtel enger schnallen” müssten für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Damit wollte ich nicht zögern, und spARTE mir den Luxus dieses Abonnements. Sommerfeld beendete sein aktives Berufsleben als Vorstandsmitglied des Verlagskonzerns DuMont Schauberg 2014 und sagt Seitz, dass seine DKP-Tätigkeit “sehr viel” zu seiner “Persönlichkeitsentwicklung beigetragen” habe. Das immerhin ist sehr ehrlich vom ehemaligen Chefredakteur und Autor der dreiteiligen “rote-blätter”-Serie (das war die Zeitschrift des MSB Spartakus) “Ich mag die DDR”.
Ich gestehe, da ist Georg Fülberth für mich der interessantere Zeitzeuge, der ein DKP-Jahrestag-Stück in der Jungen Welt veröffentlichte. Ich kenne ihn persönlich viel weniger als Sommerfeld. Politisch ist er entschieden weniger Konvertit, weil er sich als Politikwissenschaftler immer ein analytisches Distanzminimum zu erhalten versucht. Etwas manisch wirkt es auf mich, wie er kommunistische Sekten bis in die tiefsten Tiefen ihrer gesellschaftlichen und politischen Isolation weiterbeobachtet.
Beide Herren haben erlitten, was eine Konstruktionskrankheit kommunistischer Organisationen war und ist: sie wollen sich die gesamte Persönlichkeit des Mitglieds einverleiben. Eine individuelle und/oder private Autonomie lassen sie nicht übrig, bzw. versuchen das – in einer wachsenden Zahl von Einzelfällen gelang es nicht, wie es Fülberth auch anschaulich beschreibt. Jede*r, die*der das erlebt hat, nimmt es als lebenslanges Trauma mit. Und jede*r verarbeitet das anders. Als linksliberale Jungdemokrat*inn*en haben wir das aufmerksam kritisch beobachtet, und dort wo ich engagiert war, haben wir von solcher organisationspolitischer Praxis immer einen gesunden Sicherheitsabstand gehalten. Aus dieser Erfahrungsdistanz heraus sympathisiere ich stärker mit der Fülberthschen Traumaverarbeitung, als mit einer im Konzernvorstand DuMont Schauberg.
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