4.000 km mussten Londoner Fußballfans fliegen, wenn sie gestern ihr Lokalderby im Europaleague-Finale sehen wollten. Der Eintrittspreis von 50 € war dabei für sie das kleinste Problem. Sondern eher die bis zu 26 Flugstunden (wg. Mangels an Direktflügen). Anders für die einheimischen Fans in Baku: für sie bedeutete dieser Eintrittspreis ein Drittel ihres Monatseinkommens. Anstoss war um 23 h Ortszeit, nur damit es in den kaufkräftigen mitteleuropäischen Ländern passend in der Glotze laufen konnte. Mit Verlängerung hätte es also bis 2 Uhr (Ortszeit) gedauert. In meiner Fußballkneipe In Bonn-Beuel war das Interesse jedoch – freundlich formuliert – gemässigt. Von den 50 Gästen interessierte sich knapp ein Fünftel für das Spiel, das in der 1. Halbzeit kaum Schauwerte zu bieten hatte. Und in der Zweiten wurde es auch nicht spannend.
Das Arsenal, das in den 90ern von Arséne Wenger inspiriert den One-Touch-Football nach England brachte, mit genialen Spielern wie Denis Bergkamp, Patrick Vieira, Thierry Henry und Robert Pirés, das habe ich verehrt. So viel Ästhetik auf einmal berauschte mehr, als es Alkohol jemals kann. Gestern hätten sie noch eine Stunde weiterspielen können, und sie hätten die Oligarchentruppe von Chelsea dennoch nicht gefordert.
Immer mehr englische Fans sind es ebenfalls leid. Sie unternehmen Fußballreisen nach Deutschland. Hier gibt es noch Stehplätze, in manchen Stadien darf noch richtiges Bier verkauft werden. Mit Billigflug ist es alles inklusive nicht teurer als der Besuch eines Premier-League-Spieles, aber mit viel mehr Erlebnis, vor allem von Fußballatmosphäre und Fankultur.
Vom FC St. Pauli war mir das Phänomen schon länger bekannt. Die Reise London nach Hamburg ist weniger aufwendig als von Köln. Nun macht eine DLF-Kultur-Reportage von Thomas Jaedicke darauf aufmerksam, dass es einen weiteren Hotspot gibt: in Berlin-Köpenick. Es ist sogar schon ein Business geworden. Wird es Fankultur erhalten oder plattmachen? Das bleibt erstmal offen.
Letzte Kommentare