Ein europäischer Realo und eine hirntote Bundesregierung
Ich nehme an, er hat “evil” gesagt, der “mächtigste Mann der Welt”. Er muss es ja wissen. Es ist gefühlt seine meistgebrauchte Vokabel, die seine gottgläubige evangelikale Basis am besten versteht. Gemünzt war es auf den letzten Realo unter den europäischen Staatenlenkern, den Monsieur Emmanuel Macron. Mit diesen Akteuren ist bereits benannt, dass es sich um zwar scharfe, aber interne Interessengegensätze innerhalb der herrschenden Klassen der beteiligten Länder handelt – eine Ähnlichkeit mit 1914.
Was Macron wirklich gesagt hat, ist in voller Länge beim britischen “Economist” nur hinter Paywall nachzulesen. Auch das ist schon ein Politikum: der Franzose wählt das Zentralorgan der globalisierungsorientierten herrschen Klasse Londons, um die Botschaft von der hirntoten Nato zu überbringen. Die deutsche Bundesregierung ist entsetzt über so viel Offenheit (dieser Link verschwindet in einigen Tagen in einem Paywall-Archiv). Als Nichtatommacht ist sie auf Schaukel-Interessenpolitik zwischen den Atommächten angewiesen. Eine einseitige Abhängigkeit von Frankreich würde ihren Dominanzanspruch in der EU nach dem Brexit empfindlich demontieren. Und Macron ist ja nicht doof … sogar einigermassen gescheit. In Bezug auf die europäischen Russlandbeziehungen denkt er den Berliner*inne*n ebenfalls einige Kilometer voraus. Geografisch ein Kunststück, intellektuell eher nicht.
Wie hirntot ist die Bundesregierung?
Gegenüber dem ambitionierten Diktator Erdogan liess es Macron an wünschenswerter Deutlichkeit ebenfalls nicht fehlen. Das kann er sich gut erlauben, weil die Millionen Migrant*inn*en-Communities in Frankreich weit weniger türkisch dominiert sind als hierzulande. Die deutsche Verantwortung aufgrund der starken gesellschaftlichen Verbindungen in die Türkei läge darin, eine Strategie zur Stärkung demokratischer türkischer Kräfte zu entwickeln. Sie tut jedoch das Gegenteil. Wie Roland Appel hier bereits ausführte, ist alles schlimmer, als die meisten wissen oder denken: es gibt eine direkte Zusammenarbeit und Datenaustausch der notdürftig als “Sicherheitsbehörden” getarnten Repressionsorgane – und dabei nicht die geringsten Religions- oder Kulturschranken.
Das Verbrechen ist nicht nur in Ankara, sondern auch in Berlin (und Köln und Wiesbaden) zuhause. Die müssten sich Schämengehen; und wir müssen sie absetzen, mindestens.
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