Künstlerpech. Ich weiss nicht zum wievielten Mal, gewiss angestupst durch Durchstecher im BVB, fragte sich die geschätzte Kollege Theweleit vor dem heutigen Spiel des BVB gegen diese Wald-und-Wiesen-Mannschaft aus Frankfurt: “Kann Favre noch BVB?” . Ich habs gesehen und muss gestehen: das 3:4 in Leverkusen anzugucken, hat mir mehr Spass gemacht. Der spätere Sieger leistete Gegenwehr. Heute dagegen besagte die Torschussstatistik 17:1.
Die bei Theweleit zitierten Sprüche der BVB-Führung sind in ihrem Fußballverständnis so dermassen von vorvorgestern, dass es mich gruselt. Ich kann nur hoffen, dass die nicht wirklich selbst dran glauben, sondern solche Zitate den fachlich ahnungslosen Boulevardmedien zur Verdauung hinwerfen. “Profis”, wie sie selbst glauben zu sein.
In der ersten Halbzeit, in der dem BVB nur ein 1:0 gelang, hatten alle Zuschauer*innen in meiner Fußballkneipe das Gefühl, dass es noch jederzeit kippen kann. Bis zum 1:0 in der 33. Minute hatte ich sogar das Gefühl, bei den Dortmundern Angstgefühle zu sehen – bloss keinen Fehler machen, nach so einer Einstimmung, wie nicht nur beim erwähnten Theweleit. In der 2. Halbzeit wechselte Frankfurt den überall populistisch zurückgeforderten “Stoßstürmer” Bas Dost ein – und war von nun an komplett harmlos. Völlig abwegig ist es selbstverständlich anzunehmen, dass der Fußballlehrer Favre ein Spielkonzept mit seiner Mannschaft erarbeitet hat, das diesen Gegner harmlos machte – im Fußball gehören immer zwei Seiten dazu.
Nach dem 3:0 in der 54. Minute war die Luft raus, das Spiel wurde langweilig. Der BVB zeigte viel weniger Unsicherheiten, und die Frankfurter noch weniger Gegenwehr. Sieg der Gerechtigkeit: das 4:0 von Guerrero, der von allen BVBlern am meisten, über 11 km, gelaufen war. Sehr beeindruckt hat mich Axel Witsel, der intelligente Anspiele, u.a. zum 2:0 lieferte, aber nie für die Ego-Galerie spielt. Erwähntes Anspiel an Sancho hätte Günter Netzer einst als Kunstwerk zelebriert; bei Witsel sieht das Gleiche wie Routinearbeit aus. Auch ragte er bei der Laufleistung statistisch nicht heraus (immerhin unter den stärksten 3-4), sondern durch Intelligenz, das Zulaufen von Lücken, das richtige Timing beim Tackling und Abspiel. Fußballlehrer wissen, dass es kaum wertvollere Einzelspieler als solche Mannschaftsdiener gibt. Blöd für die Medien, dass er so wenig geschwätzig ist.
Der Unterschied zwischen Favre und Klopp
Es gibt eine unausgetragene Kontroverse darum, was zum Berufsbild eines Teammanagers/Coaches/Trainers/Fusballlahrers gehört. Es hat sich, ohne argumentative Auseinandersetzung, die Auffassung als herrschende Meinung durchgesetzt, insbesondere in Dortmund, so einer müsse sein, wie Jürgen Klopp. Oder ein guter Schüler/Kumpel von ihm. Dass sich das durchgesetzt hat, spricht jedoch nur für den genialen Sich-Selbst-Verkäufer, der ohne ein halbes bis ganzes Dutzend mit Millionen dotierten Werbeverträgen nicht nachhause geht. Die Verkäufer*innen des Medienprodukts moderner Fußball lieben ihn. Niemand will sich dagegen mehr daran erinnern, dass Klopp im Winter 2014 eine Spitzenmannschaft auf den letzten Tabellenplatz trainiert hatte.
Lucien Favre hat das seinerzeit in Mönchengladbach umgekehrt gemacht: einem Abstiegskandidaten die Klasse erhalten, und später auf Champions-League-Plätze hochtrainiert. In einem Verein, dessen Management ihm nicht Stöckchen in die Speichen warf. Favre ist wie ich in dem Alter, in dem mann sich von seinem Business nicht mehr jeden Schwachsinn gefallen lässt, und die Lust an geschwätziger Zeitverschwendung verliert; die zur Verfügung stehende Lebenszeit wird halt knapper. Das mögen Journalist*inn*en gar nicht. Dabei könnten solche Menschen den Fußball vor seiner hemmungslosen Modernisierung retten.
Update 15.2.: Lesen Sie hier, wie der gleiche Kollege Theweleit/FAZ nach dem 4:0 rumdruckst. Schlimmer noch das regionale Monopol WAZ. Jedes Spiel von BVB oder S04 ist Aufmacher der Onlineausgabe. Nicht dieses 4:0, dem wird ein chinesischer Virus vorgezogen. Denn vor dem 4:0 wurde dort noch propagiert: “Der BVB muss über Alternativen zu Favre nachdenken”. Wenn ich im Journalismus etwas wirklich hasse, dann sich auf diese Art und Weise von Intrigant*inn*en in Vereinen oder Parteien willig instrumentalisieren zu lassen. Ekelhaft!
Zum Spiel des BVB kann ich wenig sagen, weil ich lediglich eine Zusammenfassung gesehen habe. Aber 4:0 und ohne Akanji, das bestätigt meine Kritik an diesem fahrigen Spieler. Witsel war für mich eh der beste Spieler Belgiens bei der WM 2018 und ist eine gute Verstärkung für den BVB.
Ich stimme Martin zu, wenn er Fußballjournalist*innen konsequent kritisiert, denen es wenig um die Analyse eines Spiels, sondern mehr darum geht, sich mit sensationellen Phrasen in den Vordergrund zu drängen. Ich frage mich ohnehin öfter, wann sie das letzte Mal gekickt oder ob sie das je getan haben. Was die stetig wiederholte Diskussion um Favre betrifft, kann ich Martins Ekel gut nachvollziehen.
Aus Düsseldorf gibt es über den neuen Trainer Rösler etwas mitzuteilen. Er hat laut NRZ-Düsseldorf am Freitag vor dem Spiel gegen Martins Borussia verkündet: Am Samstag, das könne er versprechen, “spielen wir um unser Leben”. Wenn das korrekt wiedergegeben ist, bin ich dafür, ihm die Trainerlizenz umgehend zu entziehen. Solche Knaller brauchen wir nicht an der Seitenlinie.