In der Fleischproduktion ist Deutschland seit Jahrzehnten ein Billiglohnland. Deshalb produzieren auch niederländische Firmen wie Vion und dänische wie Danish Crown in Deutschland. Die meisten Arbeiter in den Schlachthöfen kommen im Rahmen von Werkarbeitsverträgen aus Rumänien, Bulgarien und weiteren Ländern Osteuropas. Sie schuften für einen Hungerlohn, hausen in oft heruntergekommenen Unterkünften, oft zu mehreren in einem Zimmer. Dafür wurden ihnen zumindest in der Vergangenheit oft noch horrende Mieten abverlangt. Große deutsche Schlachthofbetreiber im Raum Oldenburg, am Niederrhein und in Westfalen sind die Firmen Tönnies und Westfleisch. Über die Situation osteuropäischer Werkvetragsarbeiter habe ich bereits vor 20 Jahren in Artikeln und auch einem Filmbericht der damaligen “Ausländersendung” des WDR-Fernsehens namens “Babylon” berichtet.
Durch die Vermittlung von Zeugen aus Rumänien konnte ich damals dazu beitragen, dass einem der Werkarbeitsverleiher und zwei Schlachthofbesitzern der Prozess gemacht werden konnte. Weitere ähnliche Strafprozesse sollten folgen, u.a. auch gegen einen der Großen im Arbeitskräftehandel, der einen Großteil der Arbeitskräfte für Westfleisch vermittelte. Einige Firmennamen und auch Eigentumsverhältnisse haben sich verändert, die Situation für die Arbeiter ist trotz aller Bemühungen, insbesondere der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), fast gleich schlecht geblieben. Nur selten wird darüber berichtet. Erst das verstärkte Auftreten von Corona in Schlachthöfen von Westfleisch lenkte, wahrscheinlich wieder nur für kurze Zeit Aufmerksamkeit auf die unhaltbaren Zustände in diesem Industriezweig.

Zur aktuellen Situation hat sich Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG),geäußert: „Die in der Schlachtindustrie über Werkverträge mit oft dubiosen Subunternehmen beschäftigten Menschen werden seit vielen Jahren rücksichtslos ausgenutzt. Die Arbeitgeber lagern nicht nur die Arbeit, sondern auch jede Verantwortung bequem an Subunternehmen aus. Das System ist krank: Werkverträge für die Kernaufgabe eines Unternehmens zu vergeben, muss verboten werden. Ein Schlachthofbetreiber sollte das Schlachten nicht an billige Fremdfirmen auslagern dürfen. Die Corona-Fälle sind trauriges Resultat des extremen Preisdrucks beim Fleisch. Diese Krise macht deutlich, wie überfällig es ist, auf Stopp zu drücken und den ruinösen Preiskampf beim Fleisch zu beenden. Ich hoffe, Politik und Behörden nehmen diese schlimme Krise endlich zum Anlass, konsequent gegenzusteuern und die Beschäftigten vor Ausbeutung zu schützen. Dazu gehören auch flächendeckende Kontrollen und Regeln für die Unterkünfte der Beschäftigten.“

Zum Weiterlesen: Adrian Peter Die Fleischmafia: Kriminelle Geschäfte mit Fleisch und Menschen, econ 2006