Zum Glück ist der Beueler Extradienst nur ein kleines Nischenmedium. Darum ist die folgende Lobpreisung der Schwarzrheindorfer Rheinaue hoffentlich unschädlich. Wenn Sie sie nicht so ernst nehmen, wird sie hoffentlich auch nicht zu voll. Ich wohne seit 1999 in ihrer Sichtweite und schon damals wies sie wichtige Unterschiede zur Rheinaue rund um die Südbrücke auf. Nicht rummelig, kein Gegenstand des Stadtmarketings, nicht gewollt parkgestaltet, keine kommerziellen Niederlassungen oder Aktivitäten, ungeeignet für jegliche Eventisierung. Was sie damals aber noch hatte, war eine ästhetisch unwiderstehliche Pappelallee: in Reih und Glied waren nach dem Krieg mit dem Lineal drei parallel gesetzte Baumreihen gepflanzt worden, unter ihnen ein bundesstrassenbreiter Flanierweg, der den “Vorteil” hatte, dass auch überbreite Bau- und Landwirtschaftsmaschinen auf ihm spazierenfahren konnten. Die Bäume verursachten ein meeresbrandungsähnliches Blätterrauschen; Regenschauer konnten unter ihnen abgewartet werden.
Als Stephan Mense damals (2006) sein Amt als Stadtförster der Stadt Bonn antrat, und ich meins als Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Stadtrat, hatten die Bäume die Grenze ihrer Lebenserwartung erreicht. Nach dem Krieg war schnellwachsendes Billigholz bevorzugt worden. Das wird nicht alt, und drohte nun bei starkem Wind den zahlreichen Jogger*inne*n da drunter auf den Kopf zu fallen. Im Bürokratiedeutsch heisst das “Verkehrssicherungspflicht”: wenn die Stadt sich nicht drum kümmert, und jemand deswegen totgeht, kann sie haftbar gemacht werden. Mense erkannte also zu meinem damaligen Bedauern: es hat keinen Zweck, die Bäume müssen weg.
Ein im Rückblick nicht unbedeutender Bündnispartner für ihn wurde der damalige Grüne Bezirksfraktionschef und zeitweilige Bezirksbürgermeister, der verstorbene Werner Rambow, der hier um die Ecke in der Rheindorfer Strasse wohnte. Mindestens einmal jährlich machte er mit Mense zusammen öffentliche Spaziergänge, bei denen das Vorgehen und die weitere Planung bis zur letzten gestellten Frage geduldig erläutert wurde. Am Ende waren alle Zuhörer*innen einsichtig, und erzählten das Erlebte in ihren Familien- und Freundinnenkreisen weiter.
So wurde noch in Menses Regie die Baumreihe komplett gefällt und nach seinen Plänen Ersatz nachgepflanzt. Das ist nun über gut 10 Jahre angewachsen. Letzte Woche bin ich es komplett mit einer Kölner Freundin neugierig abgelaufen. Und bin begeistert. Statt oberflächlicher Ästhetik fürs menschliche Laienauge sind fundamentale ökologische Gewinne erkennbar. Der einst breite Weg ist zu einem Trampelpfad verengt worden. Beidseitig ist eine Pflanzenvielfalt herangewachsen, die in Bonn ihresgleichen sucht. Es ist zu hören an der Vielfalt von Vogelstimmen, die nur entstehen konnte, wenn es gleichzeitig ein vielfältiges Insekten-Fressangebot gibt. Die Schattenspende der alten Bäume ist wiederhergestellt. Eine angenehme Kühle für die nächsten drohenden heissen Sommer. In der Rheinnähe hoffe ich, dass die Pflanzen sich im absehbaren Notfall von unten mit Wasser versorgen können.
Ich bin seit 21 Jahren glücklich, in dieser Nähe wohnen zu können. Stephan Mense verliess Bonn 2010, um im schönen Schleswig-Holstein die Leitung eines “Erlebniswaldes” zu übernehmen. Er war in Bonn ein leuchtendes Beispiel dafür, dass auch in einer konservativ geführten Verwaltung konsequent fortschrittliche Charaktere gute Arbeit leisten können.
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