Von Günter Bannas
Die Karten sind neu verteilt. Vor zwei Monaten hatte die CDU einen neuen Vorsitzenden wählen wollen. Das Coronavirus kam dazwischen. Nun nimmt der innerparteiliche Wahlkampf wieder Fahrt auf – unter neuen Umständen. In allen Umfragen liegt die Union nun bei knapp 40 Prozent, was dem Kampf um den CDU-Vorsitz eine zusätzliche Brisanz und Dynamik gibt. Im Wettstreit um die Kanzlerkandidatur hat – laut Demoskopie – Markus Söder die CDU-Bewerber abgehängt. Die Krise nutzte dem CSU-Chef, in die Rolle eines virtuellen Staatsmannes zu wachsen. Sogar in die des CDU-Königsmachers? Söders Äußerungen zu derlei Fragen erinnern an ein Orakel aus Delphi. Klar ist: Söder ist nicht mehr der Söder von früher. Nichts ist mehr selbstverständlich.
Der Abstand zwischen den drei bisherigen Kandidaten für den CDU-Chefsessel ist geblieben. Friedrich Merz, der Bannerträger des konservativen Wirtschaftsflügels, liegt in Front. Zugelegt hat er nicht. Gleichwohl verteilt er auf gönnerhafte Weise Kopfnoten: „Markus Söder ist ein extrem fleißiger Arbeiter. Er macht seine Arbeit in Bayern sehr gut. Das ist auch notwendig.“ Der FAZ sagte er, er sehe den bayerischen Ministerpräsidenten nicht als Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur. „Ich nehme seine Äußerung ernst, dass er in Bayern bleiben will.“ Nach wie vor folgt der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet auf Platz zwei. Auch er will Söder auf alte Zusagen festnageln. Doch hat sich in den vergangenen Wochen der vermeintliche Amtsbonus für ihn nicht positiv ausgewirkt. Es war ihm – auch von Söder – sogar unterstellt worden, seine Vorschläge zur Bewältigung der Coronakrise dienten vor allem Profil und Machterwerb. Laschet ist der Verlierer der Wahlkampfpause.
Der dritte Kandidat, Norbert Röttgen, liegt in den Umfragen weiter hinten. Im Internet betreibt er Graswurzelarbeit – frei nach dem Sponti-Spruch: „Du hast keine Chance, also nutze sie.“ Röttgen wirkt als Gegenentwurf seiner Konkurrenten: Smart, jugendlich und trotz langer politischer Tätigkeit (seit 1994 im Bundestag) und breiter Erfahrung (Fraktionsgeschäftsführer, Umweltminister, Außenpolitiker) unverbraucht. Als einziger der drei Kandidaten hat er nichts zu verlieren. Nicht einmal gegen Söder. Bis zum CDU-Parteitag im Dezember gilt das Wort des amerikanischen Schriftstellers Thornton Wilder: „Der Gelassene nützt seine Chance besser als der Getriebene.“
Günter Bannas ist Kolumnist des HAUPTSTADTBRIEFS. Bis März 2018 war er Leiter der Berliner Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus “DER HAUPTSTADTBRIEF AM SONNTAG in der Berliner Morgenpost”, mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion. © DER HAUPTSTADTBRIEF
Hier kommentierte der Autor auch den Fall Amthor.
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