Wundersame Bahn XLVIII
An manchen Tagen sollte man lieber zu Hause bleiben. Aber wir wollten uns die Revierkunst in Zeche Ewald in Herne gerne anschauen. Das war auch gut so. Die Hinfahrt funktioniert ganz gut. Wir konnten zu zweit mit meinen VRS-Ticket bis Herne und zurück fahren, ohne das sonst notwendige “Weiterfahr-Ticket” zusätzlich lösen zu müssen. Diese Regelung galt wegen Corona während der gesamten Schulferien, für uns bedeutete dies eine Ersparnis von 27,20 Euro. Die Ausstellung war auch gut, aus dem Bonner Raum war Sandra Eisenbarth aus Siegburg mit ihren neuen Arbeiten vertreten.
Unsere Rückreise bagann kurz nach 16.00 Uhr im Bus von Herne zum Bahnhof Wanne-Eickel. Eine halbe Stunde warten auf den Anschluß nach Essen. Dort sollte es um 17.09 Uhr weiter gehen nach Köln Hbf. Sollte. Es tat sich nichts. Im RRX-Zug waren anfangs noch zwei der Fahrkartenkontrolleure zu sehen. Diese Herren haben ein recht uniformes Erscheinungsbild. Kurzhaarfrisur und Muskelpakete. Bodybuilder in Uniform – sie könnten auch die Türen von Discos bewachen. So recht wohl ist mir bei dieser Personalauswahl nicht. Zwar sind diese jungen Männer stets freundlich, – aber wie reagieren sie wohl im Konfliktfall? Da fühl ich mich in DB-Zügen mit erfahrenen Schaffnerinnen wohler. Im Gegensatz zu den Schaffnerinnen bei der DB, sind diese Security-Menschen bei National Express angeblich nicht angestellt, sondern, zu den üblichen Bedingungen von Sicherheitsfirmen lediglich an den Bahnbetreiber “ausgeliehen”.
Bahnbetreiber ohne Züge und ohne Personal
Die meisten Lokführer, so erzählt einer von ihnen meiner Kollegin, kommen von der Bahn. Nur wenige hätten den Arbeitgeber wirklich gewechselt. Sie warten sozusagen, bis die Bahn bei der nächsten Ausschreibung die an National Express verlorene Strecke wieder bedienen kann. Viele seien von der Bahn AG “ausgeliehen”. Die Züge stammen meist von Siemens – die sind geleast. Die Anzeigetafeln stammen angeblich von einer weiteren Firma, was sich angeblich auf die Qualität der Anzeigen auswirkt. Jedenfalls soll es nicht immer möglich sein, Ansagen der Bahninformation im Zug aufzuschalten. Warum eine Firma ohne Personal, ohne Technik überhaupt eine Ausschreibung gewinnen kann, ist mir ein Rätsel. Meine diesbezüglichen Anfragen an den VRS blieben bisher ohne Antwort. Vom VRR gab es diese eher grundsätzliche Auskunft:
“Die Betriebsleistungen im SPNV werden von den NRW-Aufgabenträgern (VRR, NWL, NVR) organisiert. Das bedeutet, dass ein Aufgabenträger die Verkehre bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) bestellt. Diese wiederum erbringen ihre Leistungen in Eigenregie – und zwar im Rahmen von entsprechenden Verkehrsverträgen. Den Verkehrsverträgen vorausgehend werden die Betreiber der SPNV-Linien im Rahmen von europaweiten Ausschreibungsverfahren ermittelt – in diesem Zusammenhang erfolgt auch die Prüfung der Unternehmen – und über Vergabeauschüsse bezuschlagt. Im Jahr 2020 betreiben sieben EVU die 51 Regionalexpress-, Regionalbahn- und S-Bahn-Linien im VRR. Das entspricht einer jährlichen Verkehrsleistung von über 50 Millionen Zugkilometern.”
Alternative Fakten
Doch zurück zur Bahnfahrt am 2. August 2020 – Der Bahnhof Essen wurde wegen eines, durch einen Vogel ausgelösten Brandes für Stunden vollkommen gesperrt. Dies erfahren die Fahrgäste im RRX-Zug aber nur, wenn sie den Zug verliessen und den widersprüchlichen Ansagen der Bahn AG lauschen konnten. Denn einerseits verlautete, der Bahnhof sei komplett gesperrt – um dann wenige Minuten später einen Zug anzusagen. In unserem Zug erfuhren wir nichts. Und auch die kräftigen Jungs mit der sportlichen Kurzhaarfrisur, also die Kontrolleure, waren unauffindbar. Auch meine zwei Wanderungen durch den kompletten Zug blieben erfolglos. Ich erfuhr lediglich, dass auch andere Fahrgäste denen gerne ihre Fragen stellen würden. Ich schilderte meine Erlebnisse der Pressestelle und erhielt eine erstaunliche Antwort: “Bezüglich der Verfügbarkeit unseres Personals im RRX können wir folgende Auskunft geben: Die Kollegen haben im Fahrzeug mehrere Durchsagen zur aktuellen Situation am Essener Hbf getätigt. Unglücklicherweise waren die Durchsagen in der hinteren Traktion des RRX nicht zu hören, da es hier technische Schwierigkeiten gab. Dies ist in Anbetracht der Lage am Hbf in Essen äußerst unglücklich gewesen. Deshalb zeigten beide Kundenbetreuer Präsenz an Bord des Fahrzeugs, beantworteten die Fragen der Fahrgäste, ebenfalls auch durch Mithilfe des Triebfahrzeugführers, und informierten die Fahrgäste persönlich. Es ist daher durchaus möglich, dass die Kollegen den Bereich, in dem Sie sich aufgehalten haben, erst dann erreicht haben, als Sie den Zug bereits verlassen hatten. Ihre weiterführende Beschreibung unseres Personals möchten wir uns verbitten, so ist diese für die Beschreibung des Vorfalls am vergangenen Samstag gänzlich irrelevant. Für grundsätzliche Beschwerden/Anregungen/Hinweise erreichen sie unsere Kolleginnen und Kollegen des Kundencenters über die kostenfreie Hotline rund um die Uhr unter 0800 223 5546.” (Die Nummer sollen sich Bahnfahrer notieren.)
Ich hatte das äußere Erscheinungsbild der Kontrolleure als “Bodybuilder in Uniform” beschrieben – was schlicht den Tatsachen entsprach. Der übrigen Antwort müssen “alternative Fakten” zu Grunde liegen. Denn das Personal war unsichtbar und die erwähnten Durchsagen blieben, so es sie überhaupt gab – für uns “unhörbar.”
Wir waren kurz vor 18.00 Uhr von Gleis 2 zu einem anderen Gleis gewechselt, weil dort im Bahnhof, der ja eigentlich total gesperrt war, eine S 6 nach Köln Nippes zu erreichen. Ok, Köln-Nippes wurde es nicht, nicht mal Köln, sonder nur Düsseldorf. Aber schon näher an Bonn als Essen. Als die S 6 endlich los fuhr, war der RXX-Zug an Gleis 2 noch gut gefüllt, die dortigen Fahrgäste haben von der Möglichkeit von einem anderen Gleis aus in Richtung Köln zu fahren, offenbar nichts erfahren. Es gab natürlich weitere Verzögerungen, die dazu führten, dass wir nach fünf Stunden endlich in Bonn Beuel eintrafen. Fünf Stunden von Herne nach Bonn. Bahnfahren macht Freude und mit Maske in gut gewärmten S-Bahnen besonders.
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