Hat TV-Fußball schon lange nicht mehr zu bieten
“Es gibt immer einen Markt für das Besondere”, hat mir Alexander Kluge in einem langen, spannenden Telefongespräch in den 90er Jahren erklärt. Umgekehrt heisst das: für das Langweilige, das Erwartbare, das immer Wiederkehrende, kannst du nicht auch noch Geld verlangen. Ob die bei der DFL und dem DFB das kennen? Sie werden jetzt endlich dazu gezwungen.
Medienmeldungen witzeln heute, dass gestern in der Glotze mehr Leute “Bares für Rares” als ein Länderspiel des DFB (1:0 gegen Tschechien) gewählt hätten. Nicht berücksichtigt wird, dass es für DVB-T2-Empfäger*innen (= keine Kabelgebühr) wie mich im Pay-TV lief: die Privatsender von Bertelsmann und der Pro7Sat1-Gruppe verlangen jährlich 70 € Gebühr für ihren Trash. Nee danke, brauch’ ich nicht.
Das Produkt mit dem leistungsstärksten Fußball, die Uefa-Champions-League, mit der sich die Spitzenvereine die Konten füllen, läuft schon seit geraumer Zeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Pay-TV-Kneipen sind alle geschlossen. Die immer zahlreicheren Ausfälle infizierter Spieler stoppen die Kapitalmaschine so wenig, wie die wachsende Zahl stressbedingter Verletzungen (Ansu Fati, 18, vier Monate) , weil für die zahlende Glotze täglich gespielt werden muss – ob mit oder ohne Länderspiele.
Das gegenseitige Beschimpfen, angeführt von dem westfälischen Rotbäckchen-Konzernchef in Süddeutschland – wahlweise gegen zuviele Länderspiele, Gehalt fordernde Leistungsträger (Alaba), oder ihren gerechten Anteil fordernde “kleine Vereine” – soll verdecken, dass allen zusammen der Arsch auf Grundeis geht.
Nicht nur der Massenbasis der Amateurvereine drohen Pleiten und Insolvenzen, auch die Grossen (Barca, S04, BVB und die in Süddeutschland) wird es schnell ereilen. Statt den Kindern, Jugendlichen und Amateuren ihren Sport (und sozialen Zusammenhalt) zu verbieten, hätten die Millionärsprofis vorangehen müssen mit dem Alles-Stilllegen. Nichts wäre glaubwürdiger und Wirksamer gewesen, als wenn alle Profiteure das gemeinsam in Sport- und Tagesschau proklamiert hätten. Die TV-Virolog*inn*en hätte das arbeitslos gemacht, sie hätten sich aufs Forschen und Menschenheilen zurückziehen können.
Stattdessen haben die Rummenigges und Seiferts “erfolgreich” lobbyiert, Bundes- und Länderregierungen, selbst die verängstigten TV-Konzerne in ihrer Westentasche verpackt, und die Kapitalmaschine ohne Fanvolk und Basis weitergedreht, als gäbe es kein Gestern, kein Morgen und keine Welt da draussen mehr.
In den kommenden Wochen und nur wenigen Monaten wird sich das rächen – in einem traurigen Schauspiel, einer Farce. Spektakuläres Entertainment einer endgültigen Art.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net