Am 25. September 2021 wird wieder ein neuer Bundestag gewählt. Derzeit werden die Kandidaten aufgestellt. Also habe ich mit mal angeschaut, wer heute so darin sitzt. Der Chef des Ganzen, Wolfgang Schäuble, macht, sollte er im Herbst wieder gewählt werden, nächstes Jahr seine 50 voll. Ja dann ist er tatsächlich seit 50 Jahren im Bundestag. Als die Grünen in den Bundestag einzogen, hatten die gewählten Abgeordneten gleich ihre “Nachrücker” dabei. Die Mandate sollten nach der Hälfte, also nach zwei Jahren an diese “Nachrücker” auf der Liste abgegeben werden. Die Idee hielt nicht lange an.
Jürgen Trittin sitzt – nach mehreren Wahlperioden im Landtag Niedersachsen und dortigem Ministeramt nun schon seit 1998, also seit sechs Wahlperioden im Bundestag. Nein, Berufspolitiker wollten die Grünen zunächst nie haben. In den ersten beiden Wahlperioden sassen dort für die Grünen überwiegend Menschen mit einer längeren Berufserfahrung. Heute sitzen dort Abgeordnete, deren Vita sich auf das Politikumfeld der Grünen beschränkt. Abi, danach Politik studiert, im Stadtrat gesessen oder dort gearbeitet, oder in einem Landtagsbüro und danach für den Bundestag kandidiert. Oder man war Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten. Lebens- oder Beruferfahrung außerhalb der Grünen – meist Fehlanzeige.
Aber bei den anderen sieht es nicht besser aus. Bei der Recherche für einen Artikel in Telepolis über den von Schäuble beschirmten derzeit stattfindenden Bürgerrat hatte ich mich mit einigen Abgeordneten näher befasst und fand beispielsweise den Wuppertaler SPD-MdB Helge Lindh. Bevor er Bundestagsabgeordneter wurde, hat er studiert und als Referent eines NRW-Landtagsabgeordneten gearbeitet. Weil er mit von Fraktion als zuständiger Ansprechpartner in Sachen “Bürgerräte” genannt wurde, habe mich mit seiner Vita befasst.
Auch die Berufserfahrung des für diesen Bereich zuständigen stellvertretende Fraktionsvorsitzenden Dirk Wiese erschöpft sich in der Politik. In seiner Vita heißt es:
“2008 bestand ich in Münster das erste juristische Staatsexamen. Nach dem zweijährigen Referendariat im Bezirk des OLG Hamm mit einem Aufenthalt an der Deutschen Botschaft in New Delhi legte ich im Oktober 2010 mein zweites juristisches Staatsexamen in Düsseldorf ab.Vom November 2010 bis zur Bundestagswahl 2013 arbeitete ich als Referent/ Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Franz Müntefering (MdB) im Deutschen Bundestag in Berlin.”
Ein guter oder auch enger Kontakt zum SPD-Pensionär Franz Müntefering war auch für andere SPD-Abgeordnete eher von Vorteil. Zum Beispiel für dessen junge Frau. Michelle Müntefering schaffte es nach ihrer Heirat mit dem Franz von der Mitarbeiterin der SPD-Pressestelle zur Bundestagsabgeordneten und in ihrer zweiten Wahlperiode zur Staatsministerin im SPD-geführten Auswärtigen Amt.
Sebastian Hartmann, MdB aus Siegburg, kann ebenfalls keine Berufserfahrung außerhalb der Politik nachweisen. In Wikipedia heißt es: “Lange Jahre war er Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten Ulrike Merten. Von 2011 bis 2013 war er Assistent des Europaabgeordneten und Präsidenten des Europa Parlaments Martin Schulz. Bei der Bundestagswahl 2013 trat er als Direktkandidat im Wahlkreis Rhein-Sieg-Kreis I an. Er kam über die Landesliste in den Bundestag.”
Bei anderen Parteien sieht es nicht anders aus. So hat sich auch die bei den Grünen für den Bürgerrat zuständige Abgeordnete, Anna Christmann, eigentlich auch immer nur mit Politik befasst, aber, so steht in ihrem Lebenslauf, immerhin zu Beginn ihres Studiums auch „in einem Altenpflegeheim ausgeholfen”.
Bei der Linken befasste sich der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte mit dem Thema. Auch er hat erst Politik studiert und danach gleich welche gemacht. Weitere Berufserfahrungen sind auch in seiner Vita nicht verzeichnet.