Bakterien sind der KI überlegen – der Mensch ist keine Maschine, und die Natur auch nicht
Schon am Gymnasium lernte ich die Diktatur der Mathematik hassen. In der mündlichen Abi-Prüfung rächte ich mich grausam an meinem Mathelehrer. Ob “4” oder “5” – meine schriftliche Prüfung hatte ich überraschend bestanden – war mir egal. Ich war provokativ schlecht, verweigerte jedes Betreten von Eselsbrücken, und der Lehrer stand bzw. sass vor dem Prüfungskollegium blamiert da. Schulleiter Herbert Sokolowski (bei Paywall gehen Sie über die Suchmaschine), ein fortschrittlicher Sozialdemokrat, von der Stadt einem mehrheitlich reaktionären Kollegium auf die Nase gedrückt, wusste ja, was für ein intelligenter Kerl ich war, hatten wir doch mehrere Jahre – ich war Geschäftsführer der Schülervertretung – exzellent zusammengearbeitet.
Wie komm ich drauf? Fabian Scheidler/Blätter hat in einem exzellenten Aufsatz “Die große Trennung – Die Geburt der technokratischen Weltsicht und die planetarische Krise” beschrieben, wie der Kapitalismus versucht hat, Erde, Natur, Wissenschaften und den einzelnen Menschen zu einer mathematisch berechenbaren Grösse zu machen, und daran scheiterte und scheitern wird. Zwischenüberschriften sind “Die Natur als Objekt”, “Der Mensch als Objekt und die Spaltung von Körper und Geist”, “Was zählt, ist allein, was man zählen kann”, “Die Zerstörung kollektiver Sinngefüge”, “Digitalisierung als Radikalisierung der Großen Trennung”, Die Blätter-Redaktion verspricht, dass in ihrer Mai-Ausgabe “ein weiterer Artikel von Fabian Scheidler, der sich mit möglichen Auswegen aus der planetarischen Krise beschäftigt” erscheinen werde. Wie schön, dass er nicht da aufhört, wo es richtig spannend wird.
Eine sehr gute Ergänzung zu Scheidlers Grundsatzbetrachtung waren die Beiträge der DLF-Reihe “Essay&Diskurs” für deren inhaltliche Belebung ich mich vor der verantwortlichen Redakteurin Barbara Schäfer respektvoll verneige. Die lesens-/hörenswerten Ausgaben des abgelaufenen Wochenendes waren von Markus Metz und Georg Sesslen “Kriegsbilder – Über Narrative des Kriegs im Film” und von Roberto Simanowski “Komplizen der Digitalisierung – Pandemie und digitale Kollateralschäden”. Für eine Aktualisierung der Weltsicht passen diese Beiträge glänzend zusammen.
Nicht versäumen will ich einen Hinweis auf Extradienst-Autor Helmut Lorscheid/telepolis: “Corona für die Kirche”.
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