Es passt auf die politische Lage, wie die Faust aufs Auge. Philip Blees/oxiblog bespricht ein Buch von Johannes Bellermann über “Gramscis politisches Denken”. Antonio Gransci setzte denkerisch die Wurzeln des vom vorherrschenden dogmatisch-sowjetischen Kommunismus im 20. Jahrhundert abweichenden “Eurokommunismus”, der in Italien sein strategisches Zentrum fand. Ich habe in den 90ern noch lokale Pressefeste der PCI in der Toskana besucht, in der diese Hegemonie lustvoll, also mit bestem Essen, Trinken, Musik und Tanz gelebt wurde. Ein härrlisches Bild.
Heute in der Klimakrise stellt sich die Hegemonie-Frage härter und dringlicher denn je. Blees schreibt dazu: “Folgt man Gramsci und seiner Theorie der Hegemonie kommt es darauf an, die führende Rolle in dieser Bewegung zu werden und politischen Konsens zu organisieren. Doch welche Bewegung sich für die progressive Umgestaltung der Gesellschaft am ehesten eignen, werden diese wohl selbst ausmachen müssen.”
Dä. Dann müssen wir das jetzt alles wieder selber denken und beantworten. Was haben die derzeitigen politischen Akteur*inn*e*n hierzulande dazu zu sagen? Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn Sie dazu was finden.
Winfried Wolf/telepolis, und alter Trotzkist, schreibt noch mal all die – berechtigte – Kritik auf, die ich schon kenne. Eine Strategie schlägt er – trotzkistentypisch – nicht vor. Ein wenig weiter vorwagend ist Wolfgang Storz/bruchstuecke mit seinem IG-Metall-typischen Vorwissen. Er zeichnet nach, wie lange wir “es” alles schon wissen, bzw. wissen könnten, wenn es uns interessiert hätte – und wenn die Überbringer*innen der Botschaft nicht fortgesetzt gesellschaftlich marginalisiert worden wären. Und zwar hauptsächlich, aber nicht nur, von den bösen Rechten und Konservativen. Storz’ Erinnerungen stimmen mit meinen weitgehend überein.
Doch wo sind die Grünen, die SPD, die Linke, die nun den Kampf um die Hegemonie aufnehmen? Für weitere Wahlniederlagen und vier Jahre Stagnation im zweitreichsten Land der Welt ist keine Zeit mehr. Und wenn die Wahlniederlagen schon einkalkuliert sind – den Eindruck machen alle genannten Parteien derzeit – wie gedenken sie dann aus der Opposition heraus um die Hegemonie zu kämpfen? Gibt es dazu eine Strategie? Warum wird sie geheimgehalten?
Hegemonie kann nur erobern, wer öffentlich kämpft. Wer gekämpft hat, darf auch verlieren. Das erzeugt Respekt. Wer nicht kämpft / kämpfen will, kann abtreten. Es muss nicht alles über Parteien organisiert sein. Vielleicht werden die auch bald weggeschwemmt.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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