Der Immobilien-Irrsinn wühlt das Bundesland Berlin auf – und Millionen Mieter*innen. Sonst niemand?
Diese Woche bin ich zum Blumengiessen beauftragt. In einer Wohnung in direkter Beueler Rheinuferlage. Donnerstagabend sass ich dort auf einem Dachgeschoss-Balkon. Es ging mir dabei so ähnlich, wie einst im 38. Stock des Kölner Colonia-Hochhauses: lecker Wein, geiler Ausblick, beruhigend tuckernde Schiffsmotoren. Wer dort jeden Tag wohnen “muss”, für die*den ist das vielleicht “nur” noch eine Fototapete. Eine sehr Gutaussehende. An der Ahr und im Erftkreis versinken sie im Schlamm, und “wir” hier haben es so dermassen gut. Wie kann das sein? It’s the economy, stupid!
Die Bewohnerin der geilen Wohnung erzählte mir, dass sie jüngst ehrenamtlich Dienst an der städtischen Hotline geschoben habe, die Übergangs-Unterkünfte für die Hochwasseropfer vermittelt. Das Angebot der zahlreichen solidarischen Bonner*innen habe klar die Nachfrage überstiegen. Das ist erfreulich.
Weniger erfreulich ist, dass es in der Beueler Rheinaustrasse, also bei den geilen Ausblicken, keine Wohnung in familienfähiger Grösse mehr gibt, die unter einer Million Euro zu kaufen wäre.
Das liegt, wie in diesem Blog schon mehrmals ausgeführt, daran, dass es “zu viel” Kapital gibt. Wie ungerecht es verteilt ist, ist dem Kapital egal. Im Kapitalismus verlangt es nach Rendite. Es findet nicht genug Anlageobjekte. So bläst es ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Wirklichkeiten die Preise für Aktien und Immobilien auf.
Meine Wohnung habe ich 1999 von der städtischen Vebowag gekauft. Die hat heute grösste Mühe, Grundstücke zu finden, auf denen bezahlbare Mietwohnungen noch rentabel gebaut werden können. Allein die leeren Grundstücke sind viel zu teuer, um das noch “betriebswirtschaftlich darstellen” zu können.
Die Bonava-Wohnungen in Beuel an einer vierspurigen Strassenkreuzung, kosteten unmittelbar vor der Pandemie schon in Euro so viel, wie ich in einer verkehrsberuhigten, begrünten Stichstrasse direkt hinterm Rheindeich (ohne “geilen Ausblick”) seinerzeit in D-Mark aufbringen musste.
Nun entdeckte ich durch den “Zufall” einer Spiegel-online-Anzeigenwerbung, wie weit sich die Schraube in kurzer Zeit weitergedreht hat. Einer der erfolgreichsten Dreher dieser Schraube ist der aus Schwaben ins Rheinland migrierte Reinhold Knodel, ein Altersgenosse, der seinen eigenen Namen nicht so werbewirksam fand wie “Pandion AG”. AG täuscht in diesem Zusammenhang. Alle Aktien sind seine. Zahlreiche Tochterfirmen dienen – jede Wette – ebenso der “Steueroptimierung”, wie die Gründung einer Stiftung, die der Sohnemann führen und damit gute Taten tun darf. Mutmasslich.
Pandion verkauft in Bonn gerade Wohnungen in der Duisdorfer Julius-Leber-Str. und nennt das “zentrumsnah”. Naja. Das Duisdorfer Zentrum ist “nah”, dort, wo derzeit einiges leerstehen soll. Die Entfernung ist durchaus grösser als meine zur Beueler City. Nach Bonn ist es etwas weiter. Busse gibt es, Bahn erst unten in Duisdorf. “Westbahn” kann noch dauern. Und auf dem Heimweg würde es mit dem Fahrrad durchaus ernsthaft bergauf gehen. Aus meiner Sicht wichtige Abstriche. Aber nicht bei der Preisgestaltung. Eine 7 qm kleinere Wohnung ruft Pandion mit 25.000 Euro mehr auf, als ich 1999 an D-Mark zahlen musste. Ob das alles für “Bildung in Afrika” ist?
In einem in der FAZ-Paywall eingemauerten Porträt beklagt der Herr Knodel “dass er böse sei und sich reinwaschen wolle”. So fürchtet er, sehen wir, die Öffentlichkeit, ihn. Der arme Mann hats echt nicht leicht. An den hohen Preisen ist er unschuldig. Schuld seien “Die hohen Grundstückspreise und die Knappheit im Markt … Wir kommen im Haifischbecken der Städte gut zurecht …” Joh, das ist Kapitalismus: überall Haifische.
In Berlin werden sie nicht nur den Bundestag wählen, sondern auch über Enteignungen abstimmen. Der Haifisch Deutsche Wohnen will sich scheinbar vom Haifisch Vonovia doch nicht fressen lassen. Ob der Staat, bzw. die Gesellschaft einen von ihnen zumindest in Berlin frisst, wird nach einem mglw. erfolgreichen Bürger*innen*entscheid höchstwahrscheinlich sehr viele Jahre durchprozessiert werden. Die Immobilienlobby für die grösste Geldwäschebranche unseres schönen Landes hat die “besten” (= teuersten) Anwältinnen und Anwälte von allen. Dennoch wäre ein erfolgreicher Bürger*innen*entscheid ein politisches Signals, das endlich auch bei den zukünftigen Bundestagsparteien ankommen dürfte, unabhängig davon, ob wir Laschet oder Baerbock wählen.
Der Kampf geht dann erst richtig los. Der schlaue Herr Knodel wird vorsorgen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net