Am 1. Januar 2021 haben die CO2-Emissionen fossiler Brennstoffe einen Preis erhalten. Unternehmen, die solche Brennstoffe vertreiben, müssen Emissionsrechte in Form von Zertifikaten kaufen. Diese Kosten geben sie an die Verbraucher/innen weiter. 2021 wird mit einem Preis von 25 Euro pro Tonne CO2 gestartet, das entspricht knapp 10 Cent pro Liter Kraftstoff oder Heizöl. Die Abgabe erhöht sich schrittweise bis 2025 auf 55 Euro/Tonne.
Gleichzeitig sollen die Bürger/innen auf unterschiedliche Weise entlastet werden. Die Strompreise sinken, indem die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung teilweise zur Senkung der EEG-Umlage, die Teil des Strompreises ist, verwendet werden. Um die Belastung durch steigende Kraftstoffkosten auszugleichen, wird die Entfernungspauschale zwischen Arbeitsstätte und Wohnort von 30 auf 35 Cent/km erhöht. Drittens sollen Alternativen zum Autoverkehr attraktiver gemacht werden: Zuschüsse beim Kauf von Elektro- und Hybridfahrzeugen und für den Aufbau der Ladeinfrastruktur, zusätzliche Finanzmittel für den ÖPNV, den Radverkehr und das Schienennetz, dauerhafte Senkung der MWSt beim Bahnfahren im Fernverkehr von 19 auf 7 Prozent.
Soweit der Beschluss der Regierungskoalition. Zu weitergehenden Kompensationen heißt es im CDU-Wahlprogramm nur, dass nicht vermeidbare Emissionen in anderen Bereichen ausgeglichen werden sollen. Die SPD verspricht, Bürger/innen mit niedrigem Einkommen von Mehrbelastungen zu verschonen und die EEG-Umlage bis 2025 abzuschaffen.
Die Oppositionsfraktionen vertreten konträre Auffassungen: Die Grünen wollen laut Wahlprogramm den Treibhausgas-Ausstoß beim Autofahren und Heizen um 40 Euro pro Tonne CO2 verteuern (16 Cent/l); seit der Flutkatastrophe plädieren sie für 60 €. Zugleich soll die Stromsteuer weitgehend abgeschafft werden und jedem Bürger pro Jahr ein „Energiegeld“ von 75 Euro gezahlt werden. Die Linke betont, dass eine CO2-Steuer die Lohnabhängigen überproportional treffe und eine deutliche Entlastung der Verbraucher/innen, vor allem der Mieter/innen, notwendig sei. Die FDP will zwecks sozialen Ausgleichs eine Klimadividende einführen und die Energiebesteuerung drastisch absenken. Ihr Generalsekretär will die CO2-Abgabe für Unternehmen aussetzen, um Kompensationsmechanismen zu entwickeln.
Zur Kompensation von Umweltabgaben
Die Idee einer Kompensation bei der Erhebung von Umweltabgaben ist indes nicht neu. Schon vor mehr als 30 Jahren wurden hierzu Modelle entwickelt! Damals wurde eine Vielzahl und Vielfalt von Konzepten zu Ökosteuern vorgelegt. Alle vier Bundestagsparteien beschlossen und publizierten 1989/90 ihre Vorstellungen, wobei der Konkretisierungsgrad erheblich schwankte. Auch Verbände wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) oder der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Umweltinstitute wie das Umwelt- und Prognose-Institut UPI), das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), das Institut für Europäische Wirtschaftspolitik (IEUP) sowie einzelne Wissenschaftler beteiligten sich mit konkreten Ausarbeitungen.
Das Thema entfaltete damals ein besondere Dynamik, was zu kontroversen Diskussionen führte, nicht nur über die Notwendigkeit, die Ansatzpunkte und die Höhe der Ökosteuern, sondern auch über die Verwendung der erzielten Einnahmen. Hier kann man drei Strategien unterscheiden:
# Verwendung für drängende öffentliche Aufgaben (Arbeitsmarkt, Sozialwesen, Renten, Bildung, Neue Bundesländer, Dritte Welt),
# Verwendung für ökologische Maßnahmen (Förderung umweltfreundlicher Technologien und Produkte, Energiesparmaßnahmen, Verkehrswende, Altlastensanierung, Umweltforschung und -überwachung)
# Kompensation durch eine irgendwie geARTEte Rückgabe an die Steuerpflichtigen.
Die Verwendung der Einnahmen für den ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft und zur Förderung umweltverträglicher Produkte, Verfahren und Verhaltensweisen liegt nahe. Ein solcher Mitteleinsatz würde auf doppelte Weise ökologisch wirken, nämlich durch die Lenkungsfunktion der Abgabe und durch umweltschonende Techniken und Produkte. Alle kommen in den Genuss einer „ökologischen Dividende“ durch sinkende Kosten für umweltbedingte Krankheiten, Waldschäden, Gebäudesanierungen, Trinkwasseraufbereitung, Altlastensanierung oder Abwasserreinigung.
Anlass für die dritte Lösung sind die Verteilungswirkungen der Ökosteuern. Diese sind nicht zu leugnen: Wer nicht auf umweltverträglicheres Verhalten umsteigen will oder kann, wird zur Kasse gebeten. Ökosteuern orientieren sich nicht am Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Sie erlauben keine Differenzierung nach der Einkommenshöhe und können deshalb einkommensschwache Bevölkerungsgruppen übermäßig treffen, während sich finanzstärkere Personen ein Mehr an Umweltverbrauch leisten und damit der Lenkungswirkung der Steuern entziehen können.
Verteilungswirkungen
Mögliche negative Verteilungswirkungen können jedoch nicht den Verzicht auf Ökosteuern rechtfertigen. Allerdings muss sichergestellt sein, dass die Höhe der Ökosteuern in angemessener Relation zu den Kosten der Umweltschädigung steht. Eine (alternative) Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen aus dem allgemeinen Haushalt würde bedeuten, dass die Lenkungswirkung entfällt und dem Verursacherprinzip nicht Rechnung getragen werden kann.
Letztlich wurden, um sozialen Verwerfungen entgegenzutreten, Korrektur- und Ausgleichslösungen entwickelt. Die Bandbreite der vorgeschlagenen Kompensationen bzw. Rückzahlungen war groß und ziemlich unterschiedlich. Die weitaus meisten Vorschläge betrafen Steuersenkungen oder -streichungen und Transferleistungen:
# Senkung der Lohn- und Einkommensteuer (UPI), Anhebung des Grundfreibetrags bei der Einkommensteuer (SPD, BUND), Senkung der Einkommensteuerprogression, Energiesteuer statt Kfz.-Steuer (SPD, DGB), Streichung der Mineralölsteuer, Abschaffung der Mehrwertsteuer (UPI),
# Steuerliche Entlastung der Unternehmen, z.B. Streichung der Gewerbesteuer (FDP), Subventionierung betrieblicher Umweltinvestitionen, Ausgleichszahlungen an landwirtschaftliche Betriebe
# Ökobonus (UPI: Zahlung an jeden Verkehrsteilnehmer), Ausweitung der Pendlerpauschale (SPD), Verkehrsgeld für Fahrten zum Arbeits- und Ausbildungsplatz (GRÜNE), Ausgleichszahlungen an Nicht-Steuerpflichtige (SPD, BUND), Anhebung der Sozialhilfe (BUND)
# Senkung der Lohnnebenkosten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Senkung der Rentenbeiträge (UPI), Senkung der Krankenversicherungsbeiträge, soziale Abfederung (DGB)
Bei der Wahl des Verwendungszwecks taucht ein grundsätzliches Problem auf: Einerseits lohnt sich umweltfreundliches Verhalten umso mehr, je höher der Abgabensatz ist. Andererseits wird der ökonomische Druck, sich umweltverträglich zu verhalten, umso geringer, je konsequenter die Einnahmen an die Abgabepflichtigen zurückgegeben werden (Einkommenselastizität der Nachfrage). Zudem widerspricht eine solche Rückgabe dem Verursacherprinzip.
Dieses Problem, das vor allem bei einer breiten und undifferenzierten Streuung der Zahlungen auftaucht, muss bei der konkreten Ausgestaltung von Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden. Beispielsweise würde eine Senkung des Einkommensteuertarifs dazu führen, dass aufgrund der Steuerprogression die Entlastung mit wachsendem Einkommen steigen und negative Verteilungswirkungen bewirkt würden. Dagegen würden, wenn bei einer CO2-Abgabe gleich hohe Rückzahlungen an alle geleistet würden, die Einkommensschwächeren stärker profitieren, da ihre CO2-Zahlung geringer ist. Insofern gab es sogar Warnungen, Kompensationszahlungen für sozialpolitische Zwecke zu missbrauchen.
Eine Verwendung der Abgaben zur Senkung der Lohnnebenkosten wirft Verteilungsprobleme und -ungerechtigkeiten auf. Alle Nicht-Erwerbstätigen, Rentner, Hausfrauen, Schüler, Studenten, Arbeitslose u.a., aber auch alle Freiberufler, zahlen zwar Ökosteuern, profitieren aber nicht von der Senkung der Lohnnebenkosten.
Verteilungsneutral wären Lösungen, bei denen die Abgabenhöhe nach dem jeweiligen Umweltnutzen für die Abgabepflichtigen festgelegt bzw. ein entsprechender Teil des Abgabeaufkommens zurückfließen würde. Ein derart komplexes Abgabensystem dürfte jedoch am Informationsbedarf und Verwaltungsaufwand scheitern. Immer wieder werden statt dessen „Härteklauseln“ empfohlen, die die persönliche Lage der Betroffenen berücksichtigen. Doch auch solche personengebundenen Kompensationen (z.B. abgabenfreier Sockelverbrauch, Sozialrabatt beim Strompreis, erhöhtes Wohngeld bei steigenden Heizkosten) sind verwaltungsaufwendig und zudem missbrauchsanfällig.
Erfolgreiche Ökosteuern senken die Einnahmen
Ein wichtiger Aspekt bei der Wahl der Verwendung des Abgabenaufkommens ist der Umstand, dass erfolgreiche Ökosteuern, die wie geplant umweltschädliches Verhalten reduzieren, sinkende Einnahmen aufweisen. Wenn also, wie in etlichen der genannten Konzepte vorgeschlagen, Steuern abgeschafft (Körperschaftssteuer, Kfz.-Steuer) oder gesenkt werden sollen (Einkommensteuer, Mineralölsteuer, Mehrwertsteuer), so wird dies zu finanziellen Engpässen führen, wenn die Ökosteuer erfolgreich wirkt. Dies gilt natürlich auch für die Anregung, die Rentenbeiträge zu kürzen. Eine solche Zweckbindung birgt zudem die Gefahr, dass die Höhe der Steuersätze künftig nach fiskalischen Überlegungen festgesetzt wird.
Dieses Problem kann gemeistert werden, wenn die Steuereinnahmen zur Finanzierung von alternativen Angeboten eingesetzt werden. Eine sinnvolle indirekte Kompensation wäre die Verwendung des Abgabenaufkommens zur Verbilligung, Förderung und Schaffung von umweltverträglichen Verhaltensalternativen, z.B. im Verkehrs, Energie- oder Abfallsektor, damit das ökologische Ziel des „Umsteigens“ auch erreicht werden kann.
Ein Aspekt, der nicht in jedem Konzept hinreichend beachtet wurde, ist die Frage, auf welcher staatlichen Ebene Ökosteuern erhoben werden und wo die Kompensation stattfindet. Werden z.B. auf Bundesebene Energiesteuern erhöht oder eingeführt und zum Ausgleich die Gewerbesteuer abgeschafft, die den Kommunen zusteht, oder die Mehrwertsteuer gesenkt, die anteilig Bund, Ländern und Gemeinden zufließt, so sind erhebliche Verwerfungen gewiss.
Vertiefende Lektüre zu den früheren Debatten: Heiner Jüttner: Umweltpolitik mit Umweltabgaben. Die Grünen (Hrsg.), Bonn/Aachen 1992
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