Es gibt den Film schon seit mindestens Februar. Vielleicht hat ihn das ZDF damals irgendwann nach Mitternacht versendet. Ich kannte ihn noch nicht, und entdeckte ihn erst gestern auf ZDFinfo. Wenn ich gestern schrieb, dass Sie beim Uwe-Seeler-Film vermutlich eine Träne verdrücken, dann sollten Sie hierfür eine Packung Taschentücher bereitlegen. Denn trotz der “grössten humanitären Katastrophe” des Jemen-Krieges werden Sie Beispiele sehen, wie die Menschen nicht nur überleben, sondern den zivilen Kampf gegen Krieg, Hass und Dummheit aufnehmen. Begeisternd. Stecken wir unsere mitteleuropäischen Politdepressionen doch sonstwohin …
Das ZDF nennt das Werk korrekt “Jemen – Leben im Krieg” (Video 43 min, Mediathek bis Anfang Februar 2024). Der Sender spart mit Informationen zum Film und seiner Entstehung. Ich studierte den Abspann im Standbild.
Abspänne sind im deutschen Fernsehen seit Jahrzehnten geächtet, weil sie den Audience Flow stören. Es wird davon ausgegangen, dass wir Zuschauer*innen uns in Wirklichkeit für die ausgestrahlten Filme gar nicht interessieren. Darum werden sie in Sekundenbruchteilen abgespult, gerne in unlesbarer Schrift – oder in den Hauptprogrammen inkl. Musik ganz abgeschnitten, um nichtnutzige Trailer für Folgesendungen hineinzupressen.
Dem Abspann entnahm ich, dass die Filmautorin Laura Silvia Battaglia ist, eine preisgekrönte Freelancerin, die zwischen Sanaa (Jemen) und Italien lebt. Was für ein spannender Mensch, die ein eigenes Porträt wert wäre. Produziert wurde der Film, mutmasslich unter häufiger Lebensgefahr der Macher*innen, von GA&A Productions in Rom.
Zu sehen gibt es u.a. ein 14-jähriges Mädchen, das seinen Lebensmut mit Musik erkämpft, einen Mann, der eine Schule für 740 Kinder betreibt, einen Journalisten, der kurz nach den Dreharbeiten fliehen musste. Alle Porträtierten sind Vertreter*innen einer real existierenden Zivilgesellschaft – im Krieg. Sie sind so mutig, tapfer und schön, dass mann gegen die Strippenzieher dieses Krieges zum Terroristen werden könnte. Niemand muss dafür weit reisen: “passende” Rüstungsunternehmen gibt es hier im Rheinland. Aber zum Glück bin ich ja feige.
Call My Agent-Folgen in der ARD-Mediathek
Diese schon von mir gefeierte Perle lieferte die Folgen mit Guy Marchand und Juliette Binoche in die ARD-Mediathek, nur bis 29.11.!

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net