“Die Anstalt” kämpfte dialektisch für den Zweifel, findet aus masochistischer Selbstkritik hinaus und spricht für die Vielen ohne Repräsentanz in der aktuellen Politik
“Jetzt hassen uns alle” versteht das Anstalt-Ensemble als Auszeichnung für Satire. Richtig so. Zwar ernteten sie schon eine lobende Nacherzählung in der FR (Moritz Post). Sie verzichteten aber auf platt-propagandistisches “Stellung beziehen” – Auftrags-Kunst gibt es schon genug. Stattdessen wurde ein Panorama von Politiken und Positionen entfaltet, mit Fakten konfrontiert, und gleich wieder zusammengefaltet.
Die Anordnung als Gerichtsverhandlung mit rasant wechselnden Rollen zwischen Anklage, Verteidigung, Zeug*inn*en und Publikum ist der Kriegsöffentlichkeit, die auch hierzulande längst – dem Regierungskurs folgend – etabliert ist, adäquat. Und erleichtert den Autor*inn*en das dialektische Spiel. Wie wohltuend für den Geist, fürs Denken und Zweifeln. Bravo!
Meine Lieblingsszene war die lebensnahe Auseinandersetzung mit der US-amerikanischen “Realismus-Schule” (Mearsheimer), die ambivalent, wie sie ist, sowohl von Rechten wie Linken gerne adaptiert wird, auch hier im Extradienst. Es ist auch nicht sachfremd, denn sie ist politisch relevant, ernstzunehmen.
Doch schauen Sie selbst, wenn Sie es noch nicht, wie gestern 2 Mio., getan haben.
Praktisches Realismus-Beispiel
Ein sehr gutes Beispiel gibt heute Liudmila Kotlyarova/Berliner Zeitung: “Warum liefert Ukraine russisches Gas nach Europa? Warum gibt es keine Sabotage? – Der russische Staatskonzern Gazprom liefert ungeachtet des Krieges weiterhin Gas über die Ukraine in den Westen. Was stimmt nicht mit Putins politischer Waffe?” Möglich, dass der Verlag es gleich digital einmauert. So läuft das in Kriegsöffentlichkeit.
Disclaimer: ich habe vor einigen Jahren die Recherche-Redaktion der “Anstalt” für ein Programm zur Pressevielfalt bei der Vermittlung von fachlich versierten Gesprächspartner*inne*n unterstützt, unbezahlt, aber sehr gerne.
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