Offener Brief an die Stadt Köln – Ungleichbehandlung geflüchteter Schwarzer Menschen durch die Stadt Köln – An die Oberbürgermeisterin der Stadt Köln Frau Henriette Reker – An die Amtsleiterin des Ausländeramtes der Stadt Köln Frau Ulrike Wilms – An den Dezernenten für Soziales, Gesundheit und Wohnen Herrn Harald Rau
Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine kümmern sich Organisationen und Einzelpersonen wie Gina Hitsch (Be Your Future), Sonnenblumen Community Development Group e.V., Initiative N-Wort Stoppen, ISD Lokalgruppe Köln – Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, Die Urbane NRW unterstützt von ehrenamtlichen Helfer:innen um die Versorgung, Unterbringung und aufenthaltsrechtliche Beratung von Schwarzen Geflüchteten aus der Ukraine. Wir sind entsetzt über die diskriminierenden Strukturen, mit denen wir uns dabei seitens der Stadt Köln konfrontiert sehen.

Die Menschen, die wir betreuen, haben dauerhaft in der Ukraine gelebt. Sie haben dort studiert und/oder gearbeitet. Sie sind – wie alle anderen aus der Ukraine – nach Köln gekommen, weil sie vor dem Krieg und der Bombardierung und Zerstörung ihrer Wohnungen, Universitäten und Arbeitsstätten fliehen mussten. Viele von ihnen mussten miterleben, wie ihre Wohnviertel in Schutt und Asche gebombt wurden und wie Freund:innen und Nachbar:innen umgekommen sind. Wie die meisten der Geflüchteten mussten auch sie ihre Habseligkeiten in der Ukraine zurücklassen. Dazu gehören nicht nur Wohnungseinrichtungen, Kleidungen, Studienunterlagen, Bücher und Computer, sondern auch Papiere wie Zeugnisse und Prüfungsnachweise, die sie bei ihren Universitäten und Arbeitsstätten vorlegen und abgeben mussten.

Bei ihrer Flucht aus den Kriegsgebieten der Ukraine sahen sich Schwarze Geflüchtete mit massivem Rassismus konfrontiert. Sie mussten miterleben, wie Schwarzen der Zugang zu Zügen und Bussen in Richtung ukrainischer Grenze verwehrt wurde und dass auch die Grenzbehörden Geflüchtete offenkundig nach Nationalitäten und Hautfarben unterscheiden.

In Köln setzt sich diese rassistische Diskriminierung alltäglich weiter fort. Alle, die keine ukrainische Nationalität besitzen und keinen ukrainischen Pass vorweisen können, werden auch in Köln wie Geflüchtete zweiter Klasse behandelt. Während ukrainischen Staatsbürger:innen dauerhafte Aufenthaltserlaubnisse und sofortige Arbeitserlaubnisse gewährt werden und ihre Kinder Kindergärten und Schulen besuchen dürfen, gilt dies für Menschen aus Drittstaaten nicht, selbst wenn sie mehrjährige Aufenthaltsgenehmigungen für die Ukraine vorweisen können. Betroffen von dieser Ungleichbehandlung sind in Köln vor allem Schwarze Menschen – afrikanische Student:innen und Arbeiter:innen, deren Lebens- und Zukunftsperspektiven aufgrund des russischen Angriffskriegs ebenso zerstört wurden wie die der Ukrainer:innen.

In Köln angekommen werden sie jedoch schon bei der Anmeldung beim Ausländeramt selektiert: Dort gibt es zwei verschiedene Eingänge – einen für Menschen mit und einen für Menschen ohne ukrainischen Pass. Auch die meisten Informationen für Geflüchtete werden nur in Deutsch, Ukrainisch und Russisch angeboten, nicht jedoch in Englisch, das die meisten Geflüchteten aus Drittstaaten sprechen.

Im Welcome Center am Hauptbahnhof, der zentralen Anlaufstelle der Stadt Köln, versicherten Mitarbeiter:innen, dass Geflüchtete aus Drittstaaten genauso so behandelt und versorgt würden wie Ukrainer:innen. Und auf dem dort verteilten knappen Handzettel mit „Informationen für geflüchtete Menschen“ (dem einzigen, den es auch in englischer Sprache gibt), wird unterschiedslos allen Geflüchteten finanzielle Hilfen und eine Krankenversicherung zugesagt, die beim Sozialamt in Nippes zu beantragen sei.

Tatsächlich sieht die Praxis ganz anders aus: Die meisten der von uns betreuten Geflüchteten warten inzwischen schon drei Wochen vergeblich auf einen Termin bei diesem Sozialamt, um diese Hilfen beantragen zu können. Sie haben bislang keinen Cent Unterstützung von der Stadt erhalten! Die wenigen, die es geschafft haben, beim Sozialamt vorgelassen zu werden, erhielten dort – wie auch im Welcome Center am Bahnhof – die Fehlinformation, dass sie in Köln auch arbeiten dürften und sich lediglich eine Arbeitserlaubnis beim Ausländeramt in Kalk abholen müssten. Doch als sie dort vorsprachen, wurden ihnen – anders als Ukrainer:innen – Arbeitserlaubnisse schlichtweg verwehrt. Auch hieß es dort, dass ihre Aufenthaltserlaubnis nur bis zum 23. Mai 2022 gelte. Danach müssten sie entweder Asyl beantragen oder in ihre afrikanischen Herkunftsländer ausreisen. Einigen der von uns Betreuten wurden beim Ausländeramt sogar die Pässe abgenommen, obwohl es dafür keinerlei rechtliche Grundlage gibt.

Für die Betroffenen ist ihre Ungleichbehandlung durch die städtischen Ämter nach ihrer beschwerlichen und lebensgefährlichen Flucht eine extrem traumatische Erfahrung, da ihnen jegliche Unterstützung und Sicherheit verwehrt bleibt. Fast alle sind bislang ausschließlich auf die Hilfen angewiesen, die wir als ehrenamtlich arbeitende Vereine und Initiativen zu organisieren versuchen. Dazu gehören nicht nur die Suche nach Unterkünften und die Beratung bei Behördengängen, sondern auch die alltägliche Verpflegung und wo nötig Gesundheitsversorgung (wie z.B. bei der Organisation von Covid-Impfungen).

Von der Stadt Köln erhalten unsere Initiativen für diese Arbeit bislang keinerlei finanzielle oder logistische Unterstützung. Im Gegenteil: Als Mitarbeiter:innen des Welcome Centers von unseren Bemühungen erfuhren, fragten sie uns, ob wir die Beratung von Neuankömmlingen ohne ukrainische Pässe in der städtischen Anlaufstelle für Geflüchtete übernehmen könnten. Dabei arbeiten wir alle komplett ehrenamtlich und haben mit der Rundum-Betreuung von Dutzenden Schwarzen Geflüchteten hier in Köln längst unsere Kapazitätsgrenzen erreicht und überschritten.

Bislang gibt es für uns bei der Stadt Köln nicht einmal direkte Ansprechpartner:innen innerhalb der Verwaltung, während die Stadt mit privaten Hilfsorganisationen, die sich um Ukrainer:innen kümmern, durchaus kooperiert.

Inzwischen gibt es Berichte aus anderen Städten wie z.B. Berlin, Hamburg, Aachen und Bad Oeynhausen, dass auch afrikanischen Student:innen, die aus der Ukraine geflohen sind, sofort einjährige Aufenthaltsbescheide und Arbeitserlaubnisse gewährt wurden. Dies ist nach §24 der EU Verordnung für Geflüchtete aus der Ukraine auch möglich. Wir fragen uns, warum die Stadt Köln, die sich doch stets als weltoffen, divers und tolerant darstellt, Geflüchtete aus der Ukraine nach Herkunft und Hautfarbe selektiert und ihnen keineswegs gleiche Rechte gewährt.

Tatsächlich ist es jedoch nicht das erste Mal, dass sich Schwarze Menschen von den Behörden der Stadt Köln und insbesondere vom Ausländeramt diskriminiert sehen. Bereits im Oktober 2021 fand vor dem Ausländeramt der Stadt Köln eine Demonstration statt, weil die Behörde für geflüchtete People of Color und ihre Berater*innen monatelang schwer bis gar nicht erreichbar war.

Für uns ist die Ungleichbehandlung von geflüchteten Schwarzen Menschen aus der Ukraine Ausdruck eines strukturellen Rassismus. Denn es geht dabei nicht um ein paar Einzelfälle, sondern um eine grundlegende Ungleichbehandlung von Menschen of Color. Lippen-Bekenntnisse, dass Rassismus in Köln keinen Platz habe, helfen dagegen nicht weiter. Wir fordern eine sofortige Änderung der diskriminierenden Strukturen und gleiche Rechte in Köln für alle Geflüchteten und bereits hier lebenden Schwarzen Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft.

Für die vielen afrikanischen Student:innen, die aus der Ukraine nach Köln geflohen sind, müssen Möglichkeiten eröffnet werden, ihre Ausbildungen hier fortführen zu können. Eine Rückkehr in die Ukraine wäre für sie selbst nach einem Kriegsende nicht möglich, da in Städten wie z.B. Charkiw und Mariupol auch ihre Hochschulen bombardiert und zerstört wurden. Und in ihren afrikanischen Herkunftsländern haben die Geflüchteten ebenfalls keine Möglichkeiten, ihre Studien fortzuführen oder ohne die angestrebten Studienabschlüsse Arbeit zu finden. Oft mussten ganze Familien sparen und zusammenlegen, damit einzelne in der Ukraine ein Studium aufnehmen konnten. Viele mussten dort auch nebenbei arbeiten, um ihre Aufenthaltskosten zu finanzieren. Werden Ihnen hierzulande Aufenthalts-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten verwehrt, so sind ihre sämtlichen Zukunftsperspektiven zerstört.

Köln beteiligt sich jedes Jahr an den „Internationale Wochen gegen Rassismus“ und hat im Jahr 2021 ein Projekt zur Aufarbeitung des (post)kolonialen Erbes der Stadt Köln gestartet. Ziel des Projektes sei es, “die Bedeutung der Kolonialgeschichte als Kern von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, von Rassismus und Diskriminierung herauszuarbeiten.” Die aktuelle und allgemeine Diskriminierung von Schwarzen Menschen durch die Behörden der Stadt Köln sehen wir als eine direkte Kontinuität dieser Kolonialgeschichte. Weiterhin hat der Rat der Stadt Köln am 3. März 2020 beschlossen die Ziele der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft in Köln umzusetzen. Wir möchten deshalb daran erinnern und darauf hinweisen, dass der Kampf gegen Rassismus mit der Überwindung rassistischer Strukturen im Alltag und bei den städtischen Behörden beginnt. Und dazu gehört auch eine verlässliche finanzielle und institutionelle Unterstützung von hier lebenden Schwarzen Menschen und ihrer Organisationen durch die Stadt Köln. Dies ist insbesondere zur Überwindung der akuten Notsituation von Schwarzen Geflüchteten aus der Ukraine in Köln ebenso dringlich wie unverzichtbar.

Wir fordern von der Stadt Köln:

  • Die sofortige Gleichbehandlung aller Geflüchteten aus der Ukraine und aller hier lebenden Schwarzen Menschen
  • Die Erteilung von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen für Geflüchtete aus Drittstaaten, die aus der Ukraine nach Köln kommen bis spätestens 30.4.2022
  • Sofortige finanzielle Hilfen und Krankenversicherungen für alle Geflüchteten
  • Englischsprachiges Informationsmaterial für ukrainische Geflüchtete aus Drittstaaten
  • Möglichkeiten zur Fortsetzung ihrer Ausbildungen für geflüchtete Schwarze Studierende
  • Recht auf Zugang zu Schulen und Kindergärten für Kinder Schwarzer Geflüchteter
  • Kurzum: Die Gleichbehandlung von Schwarzen Menschen in Deutschland.

Zur Unterstützung unserer Arbeit fordern wir von der Stadt Köln:

  • Direkte Ansprechpartner:innen und Kontakte innerhalb der Stadtverwaltung
  • Ein zentrales Gebäude als Anlaufstelle für Schwarze Menschen in Köln und zur Unterbringung von Schwarzen Geflüchteten
  • Die Einbeziehung und akute Unterstützung von bestehenden Schwarzen Organisationen in Informations- und Entscheidungsprozesse der Stadt Köln bezüglich der Hilfsmaßnahmen für Geflüchtete

Über Gina Hitsch (u.a. Gastautor*inn*en):

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