Wundersame Bahn CII
“Bahnreform” ist ein vergiftetes Wort. In der Ära Kohl der 90er Jahre wurde es aus der Taufe gehoben. Der “Sozialismus” der DDR war besiegt. “Privat vor Staat” war die neue Staatsreligion. Heute hocken wir vor den Ergebnissen dieser Ideologie, gegen die auch die kurze rot-grüne Periode (1998-05) nicht nur keinen Widerstand leistete, sondern sie sogar beschleunigte. Die Lokomotiven hiessen Gerhard Schröder und Hartmut Mehdorn. Kein Zufall: das Ansehen beider Herren in der Öffentlichkeit ist heute weitgehend “verbrannt”. Das Grüne Aufsichtsratsmitglied “Ali” Schmidt leistete hinhaltenden Widerstand durch gelegentliche Durchstiche an Medien, hielt den Zug aber nicht auf.
In einem Paywall-Text der FAZ von Corinna Budras und Thiemo Heeg werden die bis heute aufgelaufenen Probleme aufgelistet. Es gibt zum gleichen Thema auch einen digital gut zugänglichen Beitrag aus der WDR-Aktuellen Stunde (ab Minute 10; der WDR hält den Beitrag nur eine Woche verfügbar, warum nur?) von gestern. Autor Nils Rode wählte den emeritierten Heiner Monheim als kompetenten Kronzeugen. Im Ruhestand lässt es sich offener sprechen, als junge Leute, die vielleicht noch gerne den einen oder anderen Beratungsauftrag ergattern wollen. Monheim war schon immer ein Freund der offenen Aussprache.
Aus o.g. FAZ-Beitrag geht hervor, dass sich der FDP-Bundesverkehrsminister und seine Hintersassen politikertypisch in begrifflichen Symbolismus vernarrt haben. Einer davon lautet “Generalsanierung”. Bahnfahrer*innen kennen diese Art Pandemie und erleiden sie bereits, seit es die Bahn gibt. Der Begriff fantasiert, dass nach einer kurzen aber heftigen Zeit des Leidens das Paradies folgt. Das war schon immer eine Lüge. Mit solchen Denkfiguren konnte auch “Stuttgart21” entstehen.
Eine Infrastruktur entsteht in Jahrzehnten und Jahrhunderten und muss täglich gepflegt und instandgehalten werden. Dafür gibt es keine Pause. Intelligente Instandhaltung und Reparatur gelingt darum bei “laufendem Betrieb”. Als Daueraufgabe. So geht Bahn.
In Berlin traf ich damals öfter diesen Hartmut Mehdorn. Wir besuchten die gleiche Galerie, die Galerie “Berlin.” Er wohl auch zum einkaufen, ich zum gucken. Wir sprachen über die Kunst und manchmal auch über die Bahn, deren Chef er damals war. Für ihn, so Mehdorn in einem solchen Gespräch “sind die Deutschen ein Volk von Nörglern”. Das war seine Antwort zur Kritik an dem, was damals schon erkennbar schief lief in der Bahn AG.