oder auch: Scorsese, De Niro, Al Pacino und das wirkliche Leben
Gerade auf Mubi (eine Streaming-Plattform, die ich allen empfehle, die Netflix-müde sind) den italienischen Film „Chiara“ gesehen (2021). Es ist einer der Filme auf halbem Weg zwischen TV und Kino, der in der Produktion wohl drei bis vier De Niro-Tagesgagen kostet (Robert ist übrigens einer meiner absoluten favourites, durfte bei der Berlinale mal in der zweiten Reihe hinter ihm sitzen (-:).
Was mir bei dieser neuen Produktion endgültig klar wurde: Fast alle großen Mafia-Filme der letzten 50 Jahre (und damit ein wichtiger Teil der kommerziell erfolgreichen Filme) scheitern an der falsch gewählten Figurenperspektive. Es sind fast immer die – wie auch immer gebrochenen – Heldengeschichten aus einer heroisierten Männersicht, die hier erzählt werden.
„Chiara“ wählt die Perspektive einer 15-Jährigen aus Gioia Tauro (Kalabrien), der langsam klar wird, dass ihr Vater ein Drogenhändler ist und in alles Üble verstrickt, was in der Gegend so geschieht. Das ist „shocking“ für die junge Frau und gerade nicht heroisch. Eine ganze Kinder- und Jugendlichen-Welt bricht zusammen.
In dieser Situation tritt ein halbwegs einfühlsames Jugendamt auf den Plan und versucht, der jungen Frau zu helfen. Tatsächlich hat Italien – das wir im Mafia-Geldwäsche-Paradies Deutschland immer nur als weitgehend chaotisch wahrnehmen – viele gut durchdachte Einrichtungen, die dann irgendwie auch funktionieren. Nach einigem Hin und Her landet Chiara in Urbino, meiner alten Erasmus-Studienstadt, und schafft den Absprung aus dem Mafia-Milieu. Kleines Hoffnungszeichen, dass man doch etwas machen kann gegen das vermeintlich unerbittliche Schicksal.
Der Film kommt natürlich nicht an gegen einen übermächtigen Hollywood-Apparat. Aber er zeigt deutlich, aus welcher Perspektive man heute erzählen muss, um etwas halbwegs Sinnvolles zu sagen.
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