Kriminelle veröffentlichen Details zu Abtreibungen und Drogenbehandlungen – hat die Gematik wieder einen Schuss in den Ofen abgefeuert?
Nein, keine Angst, wer jetzt Schluckauf bekommen sollte, das ist gerade eben in Australien passiert – weit genug weg. Die Gematik wartet derzeit damit, die sammeln erst noch Daten. Und zur Beruhigung: das wird auch noch dauern! Und wenn der Gematik das in ferner Zukunft gelingt, sind sie bestens gerüstet, sobald Kriminelle den Patientendatenschatz endlich plündern können. In Australien waren die nur zu geizig 9,7 Millionen australische Dollar (rund 6,2 Millionen Euro) der Cybergang zu zahlen – das purzelt bei der Gematik doch locker aus der Portokasse, beleglos.
Im Moment liegt da noch ein Brocken, den sie nicht verteilen können, das sind rund 300 Millionen für die Goldbarren – nein – Konnektoren nennen sie das. Mit einem beunruhigendem Tempo suchen sie einen Weg aus dieser Zwickmühle, ein Blick auf die Seite der Gematik, im “Newsroom” unter “Aktuelles” lesen wir am 21. Juli 2022 die “Stellungnahme zur heise-Berichterstattung über Konnektorentausch” und müssen erkennen, das ist alternativlos, der Tausch! Am 30. August 2022 heißt es: “Konnektortausch bleibt aktuell beste Lösung” (für wen?) und am 6. September 2022 kommt eine “FAQ zum Konnektortausch” – und die weist im ersten Satz schon auf die Meldung vom 30. August hin.
Danach herrscht zu dem Thema friedvolle Ruhe. Dennoch scheint es im Gebälk ganz leise zu knirschen, am 1. November 2022 schreibt der Heise-Newsletter dazu: der Zwangsaustausch sei aus technischer Sicht und aus Sicherheitsgründen vollkommen unnötig und nachdem die Autoren Thomas Maus und Lorenz Schönberg des Heise-Verlages “dies bereits im Juli nachgewiesen hatten und nun der Chaos Computer Club Mitte Oktober sogar eine mögliche Laufzeitverlängerung per Software vorstellte, musste die Gematik schließlich nachgeben.”
Auf den ersten Blick hört sich das so an, als wäre die Gematik tatsächlich von ihrem Holzweg – gezwungenermaßen – ein wenig abgekommen. Deshalb möchte sie ihr eigenes Konzept den drei Herstellern zumindest “als Option” vorschlagen. Die Übersetzung dazu: Wir sind aufgefallen, wartet auf unser – ganz eigenes – Konzept, dann bekommt ihr, was wir versprochen haben, vielleicht sogar ein wenig mehr – nur bitte jetzt keinen Staub mehr aufwirbeln.
Auch ist der Gematik bewusst, dass sie einzelne Hersteller nicht bevorzugen dürfen, allen voran die CGM, die mit ihren 52.000 Konnektoren sich auf 120 Millionen Euro der Krankenkassenbeiträge beim Tausch freut. Die CGM war im Vorfeld bereits so umsichtig, dass die Software auf dem Konnektor (Firmware) gar nicht darauf ausgelegt ist, ein Update für die Zertifikate einzuspielen. Das war zwar Bestandteil der Anforderungen an die Konnektoren durch die Gematik – die aber haben großzügig darüber hinweg gesehen und die Zulassung erteilt.
In der Konsequenz müsste das heißen, die CGM rüstet die Konnektoren auf eigene Kosten nach und verzichtet zusätzlich auf unsere Krankenkassenbeiträge. Oder CGM sagt, das sei technisch nicht möglich, die Gematik glaubt das und CGM darf die Konnektoren tauschen. Dann aber machen sie die Rechnung ohne Secunet und RISE, die wollen auch was haben (Schweigegeld vielleicht?).
Versagen ist eine hohe Form von Zuverlässigkeit, wenn es denn mit vorhersehbarer Regelmäßigkeit gelingt. Die Gematik ist an Vorbildlichkeit in diesem Punkt fast unübertroffen. Im Selbstversuch möge der geneigte Leser oder auch die Leserin in einer Suchmaschine ihrer Wahl (das muss ja nicht Google sein) die Begriffe “heise” für den Verlag und “gematik” eingeben. Eine tiefere Einarbeitung ist nicht nötig, es reicht, die Überschriften zu überfliegen.
Andererseits: die Telematikinfrastruktur der Gematik ist so vorausschauend angelegt, dass bei einem Ausfall der Gesundheitsbetrieb ohne Einschränkung weiterlaufen kann – das hat die Gematik in einem mehrmonatigen unfreiwilligen Selbstversuch sogar bewiesen.
Wenn aber die Gematik so überflüssig ist, wäre es dann nicht klug (und kostensparend) sie komplett aufzulösen? Mit einem Bruchteil von dem, was die Gematik bereits verpulvert hat, könnten wir nochmal anfangen und Leute einstellen, die können, was sie tun.
iGem – hatte ich schon mal im Kopf…
PS: Und dann kam bei mir auch die Flucht von Twitter dazu: Mastodon
Letzte Kommentare