Der riesige Erfolg der #boycottqatar2022-Kampagne
Die Berliner Zeitung dokumentiert heute einen Buchbeitrag von Ronny Blaschke, gegenwärtig vielleicht der beste deutsche Sportjournalist, der zugleich sportkritisch arbeitet: “Bei Wirtschaftsinteressen sind uns die Menschenrechte egal, aber beim Fußball unabdingbar – Der Fußball muss sich rechtfertigen, während die Wirtschaft milliardenschwere Verbindungen zu Katar unterhält. Das gehört auch zur Debatte über diese WM.” Ich nehme vorweg: Blaschkes Text ist spitze – dieser Teaser ist es nicht.
Mein alter Bekannter Dietrich Schulze-Marmeling, der journalistisch als einer von wenigen in Blaschkes Liga mitspielt, hatte strategisch gut erkannt, welches extrem dynamische Aufklärungspotenzial in einer WM-kritischen Kampagne liegt. Es hat sich mehr als erwartet bewahrheitet, dass es nun Deutschland ernsthafte aussenpolitische Probleme macht. Die Despoten, die das Megaereignis veranstalten, führend mitteleuropäische Korruptionshäuptlinge, halten der Kritik den europäischen Neokolonialismus entgegen. Das hat einen grossen Vorteil: die Debatte dringt zum Kern vor. Das ist super.
Und sie geht eben nicht von Regierungen aus, am wenigsten von unserer. Sondern sie startete unten, bei den partiell verachteten radikalen Ultra-Fans. Die Kampagne #boycottqatar hält also ein weiteres Mal die Lehre bereit, dass Engagement von unten etwas bewegen kann. Instrumentalisierungsversuche von oben – so viel Realismus gehört dazu – sind dabei immer inklusive. Wer klug ist, kalkuliert das bei seiner Strategieentwicklung bereits ein.
U.a. führte die Debatte z.B. zur Veröffentlichung dieser klugen Überlegung von Mark Siemons/FAZ (Paywall), die sich – es geht immerhin um “Universalismus” – auf zahlreiche aussenpolitische Konfliktfälle anwenden lässt (die FAZ wird auch im wertegeleiteteten Auswärtigen Amt gelesen):
“Das spricht natürlich nicht gegen den Universalismus selbst, wohl aber gegen die Weigerung, ihn mit Neugier zu verbinden und mit einem wachen Bewusstsein für die historischen und geopolitischen Bedingungen des eigenen Orts. Wem es mit den Menschenrechten ernst ist, der sollte nicht davor zurückschrecken, sich auch einmal mit den Augen der anderen zu betrachten.”
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