mit Update mittags und Update 5.12.

An der Elbchaussee hat sich mein Vater, der in Hamburg aufgewachsen ist, immer ein Haus gewünscht. Seine Eltern konnten sich das nicht leisten, sein Vater malochte in “kriegswichtiger Industrie”, hasste die Nazis, wohnte nach dem Krieg jahrzehntelang in einem Behelfsheim, mit schönem Garten in einem Hamburger Vorort. Gemessen daran brachte es mein Vater (90) als Fahrsteiger im Ruhrbergbau des Wirtschaftswunderlands BRD recht weit. Für die Elbchaussee (Video 58 min; Mediathek bis Jahresende) hat es aber nie gereicht.

Gestern waren Oliver Schröm und Oliver Hollenstein im NDR (Video 45 min) bei Inka Schneider, um ihr Buch “Die Akte Scholz. Der Kanzler, das Geld und die Macht” vorzustellen. Vieles an der Geschichte ist merkwürdig, auf vieles wurde im Extradienst schon eingegangen.

Bemerkenswert und einprägsam am gestrigen TV-Auftritt blieb das von Schröm vorgetragene angebliche Scholz-Zitat – ich glaube sofort an seine Authentizität: “Gegen die Elbchaussee kann mann nicht regieren”. So soll es der frühere Kommunalpolitiker Scholz gesprochen haben. Und die Frage bleibt: spielt die “Elbchaussee” nun mit Durchstechereien gegen Olaf, um ihn an seine Abhängigkeit zu erinnern?

Diese Frage scheint mir einfach mit “Ja!” zu beantworten. Schröm selbst wundert sich im gestrigen DAS-Auftritt demonstrativ, dass ein berufliche Diskretion pflegen müssender Banker überhaupt ein Tagebuch geführt hat, aus dem dem permanent unter schwacher Erinnerung leidenden Olaf Scholz nicht wenige Stricks gedreht werden.

Ein abhängiger Kanzler? Das sieht nicht gut aus. Vielleicht studiert mal jemand die Elbchaussee-Grundbücher. Gewiss sind dort nicht nur St.Pauli-Luden zu finden, sondern auch Rüstungs- und Werftaktionär*inn*e*n.

Update mittags

Irgendwoher aus dem unergründlichen Cyberspace ist mir eine weitere Bohrmaschine gegen Bezahlmauern zugeflogen. Sie bohrt jetzt auch den Spiegel auf, der letztes Wochenende Sibylle Berg gegen ihren Willen digitalpublizistisch beerdigt hat. Heute überkamen mich Zweifel, ob diese Bohrmaschine mir nützlich ist.

Ich las nämlich die Paywall-Story darüber, welche Bücher der Bundeskanzler liest. Ich dachte: vor 40 Jahren kanntest Du ihn persönlich. Da könnte es interessant sein, wie er sich seitdem weitergebildet hat. Autorin und Autor war die erste Elite-Reihe der Spiegel-“Hauptstadttoilette” (zit. Friedrich Nowottny). Es erwies sich als mit der Nowottny-Vokabel treffend charakterisiert.

Nach dieser Lektüre war ich regelrecht wütend über die Zeitverschwendung. Schuld der Autor*inn*en? Oder meine eigene? In die eigenen Formulierungen selbstverliebtes extremistisch ausgedehntes Geschwafel. Hätte ich es nicht wissen müssen? Ja sicher, hätte ich. Neues für mich in – laut Spiegel-Berechnung – “19 Min.”: 0 (in Worten: Null).

Welch ein Kontrast zur FAZ-Mauer: die hat immerhin im Sportteil relevantes bietet: Michael Horeni nimmt den DFB nach allen Regeln journalistischer Kunst auseinander; und Christian Eichler, Gladbach-Fan und Freund des schönen Fussballs wie ich, hat die schönsten WM-Momente gesammelt. Die FAZ leistet sich – noch – Fachleute. Die herrschenden Klassen sind auf seriöse Informationen und Analysen angewiesen.

Update 5.12.

Keine Zeitverschwendung auch Olaf Hoffjann/bruchstuecke: “Tief im Soll: Bilanz der öffentlichen Kommunikation des Kanzlers”. Was der Autor hier zutreffend bilanziert und kritisiert, juckt den Olaf nicht. Entscheidend ist, was unten rauskommt. Nicht hiermit verwechseln!

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net