Die britische Justiz galt einmal als Vorbild für rechtsstaatliches Handeln und Aushängeschild der demokratischen Justiz im monarchischen Europa. Lang ist’s her. Sie hat zum Jahresende 2022 einen besonderen Bock geschossen. Sie hat den Steuerflüchtling, Schwindler, und Hochstapler Boris Becker aus der Haft entlassen und abgeschoben. Der Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiter (immer, wenn ein Konzern, ein Sender oder ein Verband irgendwie begründen kann, dass “das Bobbele” irgendentwas bezahlbares tun, repräsentieren oder nichtstun kann, bekommt er richtig viel Kohle) wird er jede Million, die er dadurch verdient, zum größten Teil abgeben müssen. Der arme Kerl.
Ob er verstanden hat, warum, weiss man nicht genau. Er hat ja nie irgendwelche Verantwortung gegenüber seinen Fortpflanzungen oder Finanzen übernommen. Der andere prominente Häftling des zerfallenden Königreichs, Julian Assange, ist wegen überhaupt keines Delikts angeklagt oder verurteilt worden. Er wird lediglich als Whistleblower, der gezielte Morde der US-Armee an Zivilisten aufgedeckt und Unterlagen über Kriegsverbrechen der US-Armee der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, illegal festgehalten und droht, der US-Justiz ausgeliefert zu werden, die ihn wegen seiner Verdienste um die Demokratie mit bis zu 175 Jahren Haft bestrafen will.
Perverse Welt der Menschenrechtsrhetorik
Unsere Außenministerin zögert ja nicht, alle Staaten der Welt, die Menschenrechte verletzen, mit klaren Worten zu geißeln, koste es an diplomatischem Gewicht und Glaubwürdigkeit – z.B. in Katar – was es wolle. Allerdings hat sie dabei das zerfallende Königreich, das vor der holländischen Küste im Ärmelkanal vor sich hin dümpelt, geflissentlich übersehen: Ja, das “Bobbele” mit seinen intellektuell unterbelichteten Eskapaden hat ein Weihnachten im Kreise seiner verbliebenen Restfamilie verdient. Aber ein politischer Mensch, der sich für die Freiheit des Wortes und der Information eingesetzt hat, der bereits seit acht Jahren unter fadenscheinigen Vorwürfen im zunächst selbst gewählten, aber nicht freiwilligen Exil isoliert war, und der inzwischen ohne Urteil in einem Hochsicherheitsgefängnis der britischen Justiz festgehalten wird, muss sich von dieser Justiz weiter drangsalieren lassen. Ohne dass ihn Annalena Baerbock wie ihr Junges verteidigt.
Haft ohne Urteil
Seine Grundrechte werden dauerhaft verletzt, er hat kein Recht auf Schutz vor ungerechtfertigter Verfolgung durch die USA, er scheint der Willkür ausgesetzt. Der einzige Grund ist, dass die von ihm veröffentlichen Dokumente im Internet die janusköpfige, brutale Kriegführung, in diesem Falle der USA im Irak, und den Mord an Zivilisten aufgezeigt haben. Er hat damit der Glaubwürdigkeit von Freiheit und Demokratie einen Dienst erwiesen. Und anstatt ihm einen Orden zu verleihen, lässt man ihn im Knast schmoren. Bis heute gibt es kein rechtsstaatliches Urteil durch die britische Justiz, weil er nach englischen Recht auch nichts verbrochen hat. Aber wie schon Blair, der das Kriegsabenteuer George W. Bushs willfährig unterstützt hat, sind die Tory-Regierungen der letzten Jahre und ihre Justizministerinnen den USA gerne zu Diensten – koste es auch die Bürgerrechte eines Bürgers aus dem Commonwealth, dem Britannien und Australien seit 1931 angehören.
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