Ich bin kein Freund von als “Kritik” verkleidetem Rumgejammere. Eher ein Freund des “konstruktiven Journalismus”. Aber der ist nicht leicht. Er verlangt mehr gedankliche Anstrengung, als auf Pressekonferenzen und in Hintergrundgesprächen verabreicht wird. Hier weitere aktuelle Beispiele.
Sebastian Köhler/telepolis muss Jeff Bezos’ Washington Post bemühen, um eine Frage zu erörtern, die hierzulande den Eindruck erweckt, als sei sie schon durchs Dorf durch: “Anschläge auf Nord-Stream-Pipelines: Hochexplosive Hinweise? – Mediensplitter (14): Ein Bericht der Washington Post berichtet über Zweifel an der Darstellung, dass Russland hinter den Lecks steht.” Petra Erler hatte diese Fragen schon vor einem Vierteljahr gründlich erörtert. Es verschönert niemandem das Weihnachtsfest, wie umfangreich sie rechtbehält.
Pomrehn – konstruktiver Journalismus für klimaschützende Energie
Es ist bei Licht – derzeit im Rheinland nicht verfügbar – besehen unfassbar, dass der Kollege Wolfgang Pomrehn/telepolis für seinen jahrzehntelangen Einsatz noch nicht mit Ehrungen überhäuft wurde, mit denen sich die was-mit-Medien-Blase regelmässig bewirft. Nehmen Sie das (das macht der wöchentlich und öfter): “Windkraft: Viel Zustimmung – Energie und Klima – kompakt: Akzeptanz von erneuerbaren Energieträgern auf hohem Niveau weiter gewachsen. Ausschreibungsverfahren behindert den Ausbau allerdings massiv.”
Mit Eva C- Schweitzer hat overton eine lesenswert-informative US-Korrespondentin, wie sie telepolis und Jungle World mit Bernhard Schmid in Frankreich haben. Ihr Beitrag überragt den gestrigen Nachrichtenjournalismus von dort – leider – weit: “Selenskij in Washington – Der Besuch Selenskijs in Washington erinnert viele an Winston Churchill. Letzterer verlor aber nach der Kooperation mit den USA »sein« Imperium – das ist aber nicht Selenskijs Plan.”
Nicht sehr “konstruktiv”, aber – leider – kritisch und wahrhaftig Emran Feroz/overton: “Verloren – Schlepper machen Geschäfte mit Geflüchteten – für Geld. Es gibt aber auch eine andere Sorte von Schleppern: Und die lässt sich mit Moral entlohnen. Im Evakuierungsnimbus, erster Teil.”
Und das Letzte: der Spiegel
Jüngst strich das sog. “Sturmgeschütz” der sog. “Vierten Gewalt” – nach meinem Gefühl – ein unverdientes Lob ein. Naja, beweisen kann ich das nicht. Wg. der Paywall lese ich diese Hanswürst*inn*e*n überwiegend überhaupt nicht. Andere tun es, mehr als es irgendjemandem guttut. Der Herr Frederik von Castell/uebermedien (gibt es eigentlich irgendeine Untersuchung über den Anteil von altem deutschem Adel am deutschen Journalismus?) hat es getan: “Wie das Nachtretenmagazin ‘Spiegel’ verzweifelt in Peter Altmaiers Privatleben wühlt”. Und es ist keinem der Beteiligten gut bekommen.
Eine Frage deutet der adelige Autor nur implizit an, formuliert sie aber nicht aus. Dabei hätte er sich das trauen dürfen, arbeiten doch bei ihm ganz offensichtlich hochbegabte Praktikantinnen. Über die Maßen wird von allen Seiten betont, dass es sich bei dem Autor des Altmaier-Porträts Miguel Helm um einen “Journalistenschüler” handele. Dä. Dafür ist der ja schon ganz schön beschäftigt. Das hängt wohl damit zusammen, dass mann und frau schon eine ganze Menge vorweisen muss, um von diesen elitären Schulen überhaupt genommen zu werden. Andererseits ist das Ansehen des Berufes längst so schlecht (“Fachkräftemangel”), dass immer mehr Redaktionen und Anstalten über – ausbeutbaren! – Nachwuchsmangel klagen.
Nur mal angenommen, der Herr Helm sei ein “Schüler” – was machen eigentlich seine “Lehrer*innen” beim Spiegel so den ganzen Tag? Welche*r Redakteur*in mag seinen Text Korrektur gelesen, welche*r ihn abgenommen haben? Wer ist dort die Ressortleitung? Und war die zuhause?
Fragen, die sich Spiegel-Leser*innen stellen sollten. Ich les’ ihn ja nicht.
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