Die Stadt Bonn hat 400 Schöffinnen und Schöffen gesucht – 800 haben sich der Stadt zur Verfügung gestellt. Das ist eine gute Nachricht.
Weniger gut und noch weniger zu verstehen ist, dass Schöffinnen und Schöffen – sie sind nach dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) rechtlich ehrenamtliche Richter – nicht jünger als 25 Jahre und nicht älter als 69 Jahre sein dürfen. Der Bundesverband ehrenamtlicher Richterinnen und Richter (DVS) hatte schon 2015 in seinem Grundsatzpapier die Abschaffung der Altersgrenze nach § 33 Nr. 2 GVG vorgeschlagen: Vergeblich. Diskriminierung aus Altersgründen bleibt bestehen.
Dabei entfaltet sich im Schöffenwesen eine Art buntes Panorama: In den Verwaltungsgerichten bestehen für ehrenamtliche Richter und Richterinnen keine Altersgrenzen. Die Sozialgerichte kennen ebenfalls keine Altersgrenzen für die genannte Gruppe. Arbeitsgerichte haben für alle Beteiligte – ausgenommen die auf den Anklagebänken und Anwälte – eine strikte Altersbegrenzung von 65 Jahren. Jugend-und Strafrecht weisen die erwähnten 25 beziehungsweise 69 auf.
Das niedersächsische Justizministerium beispielsweise hat 2018 zur Frage der Diskriminierung im Alter geschrieben: „Mit fortschreitendem Alter steigt die Gefahr von unvorhersehbaren und gegebenenfalls länger andauernden Ausfällen wegen Krankheit oder anderen Belastungserscheinungen. Durch die besonderen Anforderungen und die Folgen des Ausfalls einer ehrenamtlichen Richterin oder eines ehrenamtlichen Richters im Strafprozess unterscheidet sich die Schöffentätigkeit erheblich von der Tätigkeit ehrenamtlicher Richterinnen und Richtern in anderen Rechtsgebieten, die eine Altersgrenze nicht kennen.“ In den Gerichten würden deswegen Menschen „mit geringer Ausfallwahrscheinlichkeit“ benötigt, erklärte eine Sprecherin des Berliner Justiz-Senats unlängst.
Soso. Gucken wir mal genauer hin: „Erkennbar ist, dass Frauen bis zur Altersgruppe 25-30 Jahre einen steigenden Anteil von Kranken verzeichnen, bis hin zu 14,7 %. Dieser Anteil sinkt anschließend bis zur Altersgruppe 40-45 auf 12,2 herab, um dann bis zum Renteneintrittsalter auf 15,7 % wieder zu steigen. In der Altersgruppe 65-70 sinkt der Anteil auf 10,9 % stark….Aus den Daten wird im Umkehrschluss ….sichtbar, dass sich die überwiegende Zahl der Menschen als gesund bzw. nicht krank bezeichnet. Das gilt auch für die ältere Bevölkerung; Alter und Krankheit sind nicht identisch.“
So eindeutig mit der geringeren Belastbarkeit im Alter ist die Sache daher nicht, wenngleich die Zahlen der sozialpolitik-aktuell.de auf Eigeneinschätzungen beruhen. Hinzu kommt, dass im Alter weniger geraucht und gebechert wird. Das Statistische Bundesamt fügt hinzu: „Die durchschnittliche Verweildauer je Krankenhausaufenthalt ist bei den älteren Patienten und Patientinnen stärker zurück gegangen als bei den jüngeren.“
Wo landen wir eigentlich, wenn es nach der „Ausfallwahrscheinlichkeit“ geht? Gilt dann vollumfänglich noch Artikel 33 Satz 2 des Grundgesetzes: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“ Die Ausfallwahrscheinlichkeit als Kriterium würde bedeuten, Frauen auszuschließen, weil die schwanger werden könnten; oder Menschen, die in Abständen unter krankhaften Anfällen leiden.
Alles in Allem besteht zur durchgängigen Skepsis gegenüber den über 69-jährigen – und auch gegenüber unter 25-jährigen – kein Anlass. Zu den unter 25-jährigen ein Hinweis: wer Volljährig ist, kann in den Deutschen Bundestag gewählt werden und kann in die Situation geraten, über Krieg und Frieden entscheiden zu müssen. Die Diskriminierung im Schöffenwesen aus Altersgründen hat rasch zu verschwinden. Ober muss am Ende an die Solidarität der zwischen 25- und bis 69-Jährigen appelliert werden, erst dann ein Schöffenamt zu übernehmen, wenn diese Benachteiligungen nicht mehr bestehen?
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