Leiharbeit, „Servicepartner“, mies bezahlte Geflüchtete
Am 27. April 2023 berichtete die linke Tageszeitung „nd“ über einen Arbeitskonflikt in einem DHL-Paketzentrum in Staufenberg bei Kassel. 24 dort arbeitende Kollegen, fast alle Migranten aus Eritrea und Somalia, kämpfen um die Nachzahlung von Löhnen. Der Konflikt, der inzwischen vor dem Arbeitsgericht Göttingen ausgetragen wird, wirft ein Licht auf das „System DHL“.
Die afrikanischen Kollegen arbeiten zwar in einem DHL-Paketzentrum, sind aber nicht beim Konzern Deutsche Post DHL beschäftigt, sondern bei dessen ausgegründetem Subunternehmen DHL Home Delivery GmbH. Aber auch dort sind sie nicht angestellt, sondern bei einer Leiharbeitsfirma namens WorKings GmbH, die über einen weiteren Subkontraktor die Arbeiter an DHL Home Delivery verliehen hat. Wie das läuft, erzählt in dem nd-Bericht einer der Kollegen: „Viermal habe ich bei DHL gearbeitet für vier verschiedene Zeitarbeitsfirmen, in drei verschiedenen Lagern am Standort Staufenberg.“
Ein Kennzeichen des „System DHL“ besteht also darin, die oftmals selben Beschäftigten bei verschiedenen Zeitarbeitsfirmen anzufordern. Oft handelt es sich dabei um Geflüchtete, die nur schwer einen Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt finden und deshalb bereit sind, für sehr niedrige Löhne bei Zeitarbeitsfirmen zu arbeiten, in der Hoffnung, darüber in ein festes Arbeitsverhältnis zu kommen. Aber daran hat die Deutsche Post DHL kein Interesse.
Ein weiteres Kennzeichen des „System DHL“ sind die vermeintlich „Selbstständigen“. Wenn Kolleg*innen in Dienstkleidung von Deutscher Post DHL-Pakete ausliefern, Briefkästen leeren oder Post in die Ablagekästen bringen, wo die Briefzusteller*innen sie auf ihrer Tour abholen, sind dies häufig keine Angestellten des Konzerns, sondern Selbstständige, die mit ihrem eigenen Fahrzeug die Arbeit erledigen. „Servicepartner der Deutschen Post“ ist auf ihren Jacken und Fahrzeugen zu lesen. Die Auslagerung von arbeitsintensiven Tätigkeiten auf Honorarbasis ist seit Langem eine der Strategien des Konzerns, um die Lohnkosten zu senken, ebenso wie die befristete Verträge und die erwähnte Leiharbeit bei dem ehemaligen Staatsbetrieb inzwischen die Regel sind.
Bei dem Arbeitskampf in Kassel fordern die afrikanischen Kollegen die Auszahlung der Differenz der ihnen in den Arbeitsverträgen mit der Leiharbeitsfirma zugesagten Löhnen und den niedrigeren Zahlungen, die sie tatsächlich erhalten haben. Dass Leiharbeiter*innen weniger Lohn erhalten als vereinbart, kommt offenbar häufiger vor. Das Besondere in Kassel ist, dass sich die Betroffenen mit Unterstützung der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft FAU dagegen wehren und beim Arbeitsgericht Göttingen klagen. Das hat in zwei Fällen schon Vollstreckungsbescheide gegen die Zeitarbeitsfirma verhängt.
Mit den Arbeitsgerichtsverfahren ist die Deutsche Post DHL nicht behelligt. Obwohl die Kollegen im DHL-Paketzentrum arbeiten, sind sie ja keine Postmitarbeiter. So kann der Konzern die Hände in Unschuld waschen und bei Kritik gegebenenfalls zerknirscht konstatieren, dass es unter den „Dienstleistern“ leider immer wieder schwarze Schafe gäbe. Aber wie sagt schon ein altes Sprichwort: Verdorbener Fisch stinkt vom Kopf her.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus ila 465 Mai 2023 (Schwerpunktthema: “Logistik”), hrsg. und mit freundlicher Genehmigung der Informationsstelle Lateinamerika in Bonn.
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