Best of 24.5.: Türkei, Indien, Nahost, China (mit Update nachmittags)

Jürgen Gottschlich/taz hilft. Er macht die rätselhafte Strategie von Oppositionskandidat Kemal Kılıçdaroğlu verständlich. Aber nicht besser. Hier sein Bericht plus Kommentar. Hier spiegelt sich, was ich hier schon beklagt habe, und was Gottschlich vernünftigerweise mit im Blick hat. Ein scheinbar nur taktisches Manöver wirkt strategisch: der gesamte Diskursrahmen verschiebt sich nach rechts, und die engagiertesten eigenen Leute werden demobilisiert.

Hinzu kommt die strategische Bedeutung der Aussenpolitik. Der Herausgeber der Berliner Zeitung wird von der übergrossen Mehrheit seiner Kolleg*inn*en in der Hauptstadtblase als Irrlicht angesehen. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich ihn nicht persönlich kenne. Sein vorgesetztes Verleger*innen-Ehepaar Friedrich wird von den etablierten Altmilliardärsfamilien keines Seitenblicks gewürdigt (obwohl sie ähnlich reich sind, vielleicht weil sie Ossis sind?). Ist mir alles egal. Klassengegner sind sie auf jeden Fall. Aber Maiers Text zur aussenpolitischen Rolle der Türkei ist komplett zutreffend: Wie der Westen die Türkei in die Arme Putins getrieben hat – Der Westen hat Russland die Türkei auf dem Silbertablett serviert. Das ist nicht gut für Deutschland, Europa und die Idee von der Demokratie.”

Parallele Indien

Fehler wiederholen sich als Farce. Andreas Eckert/FAZ: Hindu-Nationalismus : Umgekehrt wird nicht – Wohin führt Narendra Modis indischer Weg? Bei einer Diskussion über das neue Buch des Politikwissenschaftlers Rajeev Bhargava offenbaren Wissenschaftler und Intellektuelle tiefe Sorge.”

Die FAZ-Paywall berichtet heute ausführlich über die inneren Kompetenzgefechte der Bundesministerien zur Entwicklung einer sog. “Nationalen Sicherheitsstrategie”. Die Damen und Herren sind also vollbeschäftigt und haben für Wichtigkeiten des Regierungsalltags keine Zeit.

Update nachmittags

Wiederholung als Farce(II, arabisch, chinesisch)

Oliver Eberhardt/telepolis: Europäische Außenpolitik in Syrien: Brüskiert – Trotz Gegenwehr aus dem Westen haben die arabischen Staaten den syrischen Diktator Baschar al-Assad wieder in ihre Mitte aufgenommen. Was dies mit dem iranischen Atomprogramm zu tun hat.”

Merke: es ist notwendig, aber nicht hinreichend, “das Gute” zu wollen. Hinzukommen muss, die Welt, wie sie ist, verstehen (von: Verstand!) zu lernen: was sind Ursachen? Was sind Triebkräfte/Interessen/Systemmechanismen? Welche Prozesse können was ändern? Und daraus Politik (ungleich heilige Mission; ungleich Kreuzzug egal für was; ungleich: Glaubenskrieg; ungleich richtiger Krieg) zu entwickeln. Wenn darauf verzichtet wird, dann passiert, und zwar ganz sicher, das:

Marcel Richters/Jungle World: China hat Chancen, zum neuen Welthegemon aufzusteigen: Autoritär und innovativ – Die Dynamik der chinesischen Wirtschaft besonders bei der Entwicklung wichtiger Technologien wie der Künstlichen Intelligenz ist einmalig. Auch Wirtschaftskrisen könnten deshalb kaum verhindern, dass China im 21. Jahrhundert zum mächtigsten Staat der Welt aufsteigt.”

Wollen Sie das? Also ich nicht.

Ein Atomkrieg könnte das stoppen. Wollen Sie das? Also ich hoffe, wenn das so weit ist, von hier weg zu sein.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net