FFK-Strand in Montenegro: Auf dieser Insel muss der nackte Zauber gerettet werden – Die Deutschen brachten die FFK-Kultur nach Montenegro. Unser Autor hilft dabei, dass sie nicht ausstirbt. Sie ist in Gefahr.
Der deutsche Radikalkonservatismus, der im Nationalsozialismus seinen Höhepunkt erreichte, „half“ nicht nur Jugoslawien, sich in einer nationalen Widerstandsbewegung zu organisieren, aus der es 1945 hervorging, sondern ermöglichte es auch, dass sich das neu geschaffene sozialistische Jugoslawien kurz nach dem Krieg in ein FKK-Paradies verwandelte, eines der größten der Welt, das vor allem bei Deutschen beliebt war.
Bereits in den 50er-Jahren begann Rudolf Halbig aus München, die kleine Insel Koversada in Istrien, dem damaligen Jugoslawien, zu besuchen. Auf der Insel fand er Ruhe und Raum, um die Freikörperkultur zu genießen. Offensichtlich „deutsch und tüchtig“ und gut organisiert, eröffnete Halbig bald die Agentur „Miramare“ mit der Absicht, neue Gäste nach Koversada zu bringen. Im April 1961 wurde ein Vertrag unterzeichnet, nach dem Halbig jährlich 400 deutsche Naturisten für einen zweiwöchigen Urlaub nach Koversada bringen würde. Das Geschäft wuchs unerwartet schnell, die Insel entwickelte ein FKK-Angebot, und das gesamte FKK-Programm begann sich rasch zu verbreiten, zunächst entlang der Küste in Istrien und dann entlang der gesamten jugoslawischen Küste.
Die jugoslawische Führung war der Freikörperkultur nicht sonderlich zugeneigt
So zeigte Jugoslawien, anders und liberaler als die sozialistischen Länder des Ostblocks, einmal mehr, dass es in der Teilung der Welt nach dem Kalten Krieg eine besondere Stellung einnehmen kann. Neben deutschen Naturisten gab es auch viele Italiener, die an der jugoslawischen Küste Zuflucht vor dem Konservatismus der katholischen Kirche fanden, die die FKK-Bewegung heftig bekämpfte.
Auch die jugoslawische Führung war der Freikörperkultur nicht sonderlich zugeneigt. Aber abgesehen vom Geld, das er einbrachte, gefiel ihnen auch die Möglichkeit, Jugoslawien der Welt als eine offene Gesellschaft zu präsentieren, die nicht durch Konservatismus und Klerikalismus belastet war. Oder um es mit den Worten von Jerko Sladoljev, dem Leiter des Lagers Korkoveda (und dem wichtigsten Experten für Campingtourismus in den goldenen Jahren Jugoslawiens), zu sagen: „Die kommunistischen Behörden haben nicht wirklich verstanden, was Naturismus ist. Aber sie sahen, dass die katholische Kirche das nicht mochte, und alles, was der Kirche Unbehagen bereitete, war in ihren Augen ziemlich gut.“
Freiheiten im sozialistischen Montenegro
Der südlichste und in vielerlei Hinsicht speziellste Punkt des jugoslawischen Naturismus war die Insel Ada Bojana in Montenegro. Ada Bojana ist eine kleine Insel, die auf beiden Seiten vom Fluss Bojana umgeben ist, der in die Adria mündet. Auf der südlichen Seite bildete der Flussarm der Bojana auch die Grenze zum geschlossenen, kommunistischen Staat Albanien von Enver Hoxha, dem kommunistischen Diktator Albaniens.
Symbolisch gesehen, könnte die Situation nicht interessanter sein. In Montenegro, der kleinsten jugoslawischen Republik, die für ihre „traditionellen, patriarchalischen Werte“ bekannt ist, wird einer der schönsten Küstenabschnitte für FKK-Anhänger zur Verfügung gestellt, die auf der einen Seite durch die Grenze durch das grausame albanische Regime von Enver Hoxha bedrängt werden und auf der anderen Seite mit den neuen Freiheiten konfrontiert sind, die sich langsam aber sicher im sozialistischen, aber immer noch sehr traditionellen Montenegro entwickeln.
Am Ende geht es in dem Film „Die Schönheit des Lasters“ um neue Freiheiten
Über die Blütezeit des Naturismus auf Ada Bojana und über den Zusammenprall neuer Freiheiten mit „traditionellen Werten“ wurde 1986 einer der besten Filme der jugoslawischen Kinematographie gedreht: „Schönheit der Sünde“ unter der Regie von Živko Nikolić.
In dem Film verlässt eine junge Montenegrinerin aus einer sehr patriarchalischen Familie ihr Dorf und fährt in den Süden, in das FKK-Camp Ada Bojana, um dort als Dienstmädchen zu arbeiten. Bei ihrer Ankunft im Camp ist die junge, schöne Jaglika (gespielt von einer der berühmtesten jugoslawischen Schauspielerinnen namens Mira Furlan) schockiert von einer Welt, in der alles anders ist als in der strengen Welt, in der sie aufgewachsen ist. Am Ende des Films gibt sich Jaglika spontan neuen Freiheiten hin und befreit sich von den Fesseln konservativer „Werte“, die sich im Allgemeinen gegen Frauen richten, vor allem in traditionellen, patriarchalischen Gesellschaften, wie sie in Montenegro herrschten und oft noch heute herrschen.
Das Naturistencamp Ada Bojana wuchs
So wurde die montenegrinische Küste dank historischer Umstände und neuer touristischer Trends zu einem weltweit einzigartigen „FKK-Paradies“, das besonders bei den Deutschen beliebt war, die auf dieser kleinen Insel die Freiheit der Naturisten und endlose, sonnige Tage fanden. Das Naturistencamp Ada Bojana wuchs und erreichte seinen Höhepunkt in den 1970er- und 1980er-Jahren. Die Unterkunftskapazitäten wuchsen, die Zahl der Gäste stieg.
Dann wurde alles kurzzeitig durch den Zerfall Jugoslawiens im Bürgerkrieg von 1991-1995 unterbrochen. Dennoch empfing Montenegro als ein Gebiet, in dem kein Krieg herrschte, weiterhin Touristen und Ada Bojana hat seinen FKK-Charakter behalten. Doch leider sieht die Situation heute ganz anders aus.
Ada Bojana ist nicht länger die Insel aus dem Film „Schönheit der Sünde“. Heute hat Ada Bojana nicht nur weniger Gäste als vor dreißig Jahren, sondern ist auch ein gutes Stück kleiner als damals, als die junge Jaglika das Dorf verließ und in den Süden zog, um die Reize der Freikörperkultur zu entdecken.
Ich habe selbst einen Film gedreht
Die jahrzehntelange illegale Entnahme von Sand hat die Insel verkleinert, die erste Häuserreihe der FKK-Siedlung ist der direkten Einwirkung des Meeres ausgesetzt und wird jedes Jahr aufs Neue überflutet. Die gesamte Siedlung versucht, sich mit improvisierten Sanddämmen zu schützen, die die Armee im Herbst vor den Häusern errichtet und Anfang Mai wieder entfernt, wenn Ada Bojana auf die ersten Touristen wartet. So ist es leider nicht mehr möglich, einen Film über die Reize eines FKK-Paradieses zu drehen.
Anfang dieses Monats hatte ich die Gelegenheit, auf Ada Bojana einen weiteren, ganz anderen Film zu drehen. Dieser Film, den wir auf der heutigen kleinen und vernachlässigten Insel gedreht haben, ist die postapokalyptische Geschichte zweier Schwestern, die durch eine unbekannte Katastrophe auf einer einsamen Insel „gestrandet“ sind. Die beiden sind allein auf der Insel und versuchen zu überleben. Vergessener Müll bedeckt den Strand. Das Meer ist „tot“ und das Netz fängt nur Müll und Unrat. Die Schwestern Ada und Bojana leben in einem der verlassenen Häuser am Rande der ehemaligen Nudistensiedlung.
Ein Investor kommt ins Spiel
Wir haben in eingestürzten Häusern am Ende der Siedlung gefilmt. Diese Häuser sind seit mehr als dreißig Jahren verlassen, geschützt durch Schilf und umgeben von Mini-Müllhalden. Zum Glück für uns – und zum Leidwesen des montenegrinischen Tourismus – war die Kulisse für unsere Geschichte bereits vorgegeben. An bestimmten Stellen der Insel türmt sich seit Jahren der Müll auf, und im Herbst und Winter wirft das Meer die merkwürdige Exemplare menschlicher Abfälle an die Küste. Alte Fernsehgeräte, Plastikstühle und Sessel sind nur ein Teil des Inventars, das die Gäste von Ada Bojana in den ersten Tagen der Saison am Strand begrüßt.
Und hier beginnt der „Plot Twist“ und das Hauptmotiv dieses Textes. Während wir filmten, wie die Schwestern Ada und Bojana versuchen, die letzten Reste des Abendessens zu ergattern und in ihrer verlassenen, gefährlichen Welt zu überleben, veröffentlichte die Tourismusorganisation „Ulcinjska Riviera“, die den Komplex „Ada Bojana“ verwaltet, eine Anzeige, in der sie genau das Haus, in dem wir gefilmt haben, und 33 weitere ähnliche Häuser in diesem Teil des Komplexes einem privaten Investor für 25 Jahre zur Miete anbot, für 1,39 Millionen Euro. Die Bewerbungsfrist betrug sieben Tage.
Umweltaktivisten protestieren gegen die Vermietung
In der Anzeige blieb unklar, ob der Investor aufgefordert wird, etwas zu bauen, das den Bedürfnissen des FKK-Konzepts von Ada Bojana entspricht, oder ob jemand den „textilen“ Tourismus auf die Insel bringt und die Nudisten zwischen dem Fluss Bojana und der künftigen „neuen Siedlung“ einzäunt und den Blicken derjenigen nicht aussetzen möchte, für die der nackte menschliche Körper am Strand eine Quelle von Angst, Unbehagen oder Ekel ist.
Die Anzeige löste eine stürmische Reaktion eines Teils der montenegrinischen Öffentlichkeit aus, von Umweltaktivisten und jahrzehntelangen Gästen der FKK-Anlage. Auch Vertreter der Architektur und Stadtplanung betonten, dass ein solch kurzfristiger Aufruf zu einer solch schwerwiegenden Lösung gegen alle Regeln des Berufsstandes verstößt und dass die Art und Weise, wie mit einem Naturschatz wie Ada Bojana umgegangen wird, öffentlich, sorgfältig und im Bewusstsein dessen diskutiert werden sollte, was dieser Teil der Küste einst darstellte und was er in Zukunft darstellen kann.
Eine Petition soll die Investorenpläne verhindern
Bald wurde eine Petition für den Vorschlag eines Gesetzes gestartet, der Ada Bojana zum nationalen ökologischen und naturistischen Park von Montenegro erklärten soll. Die Petition wurde bisher von 1.884 Personen unterzeichnet. All diese öffentlichen und medialen Aktionen beeinflussten die Tourismusorganisation „Ulcinjska Riviera“ zu dem zynischen Entschluss, die Einladung an die Investoren bis zum 7. Juni zu verlängern.
Wenn jedoch die Petition für den Gesetzesvorschlag von 6.000 Menschen unterzeichnet wird, muss das montenegrinische Parlament den Gesetzesvorschlag diskutieren. Und sollte das Gesetz verabschiedet werden, müsste die Bebauung der Insel im Bewusstsein des natürlichen Reichtums von Ada Bojana neu geplant und überdacht werden.
Der Schatz muss erhalten werden
Als Autor, der in Montenegro geboren und aufgewachsen ist, der Montenegro immer noch als sein Hauptthema und als jenen Raum empfindet, der mein Schaffen inspiriert (obwohl ich im Ausland lebe), und auch als jemand, der gerade einen Film über Ada Bojana gedreht hat, der sich teilweise mit dem Umweltthema, dem Klimawandel und der Situation in der Welt, die uns umgibt, beschäftigt, nutze ich diese Gelegenheit, um so viele Menschen wie möglich einzuladen, den Text der erwähnten Petition zu lesen.
Alle, die der Meinung sind, dass wir die Natur schützen und anders über sie denken müssen, sind herzlich eingeladen, zu unterschreiben und dabei zu helfen, einen kleinen, unvergesslichen und besonderen Teil der Adriaküste zu erhalten, die Insel Ada Bojana, die hoffentlich nie zu einer postapokalyptischen, mit Müll übersäten Insel wird, wie sie in unserem Film „gezeigt“ wurde.
Ilija Đurović (1990) ist ein Schriftsteller aus Montenegro, der seit acht Jahren in Berlin lebt und arbeitet. Er schreibt Lyrik, Prosa, Theaterstücke und Drehbücher. Seine Bücher wurden in Montenegro und Serbien veröffentlicht. Einen Ausschnitt seines Romans in englischer und deutscher Übersetzung können Sie hier lesen.
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