Melnik die Allzweckwaffe – Ukrainische Charme-Offensive in Brasilien und Indien (BRICS-Staaten) – Im Herzen der BRICS: Der aus Deutschland abberufene Botschafter und Anhänger Banderas macht nun in Brasilien weiter.
Ich habe nie geglaubt, dass die Abberufung Andrij Melniks aus Berlin erfolgte, weil er in Kiew wegen seiner unflätigen Äußerungen gegenüber deutschen Spitzenpolitikern in Ungnade gefallen sei. Viele Kollegen in den Leitmedien von rechts bis links glaubten das ja, einige jubelten sogar, dass wir ihn endlich los wären. Ganz im Gegenteil. Wie sich kurz darauf herausstellte, ist der Mann ist die Treppe hochgefallen und wurde Vize-Außenminister der Ukraine.
Es scheint, dass das ukrainische Außenministerium ähnlich strukturiert ist wie das State Department. Die Informationen, die ich mir nur stückchenweise aus von öffentlichen Quellen wie Ukrinform und diversen Twitteraccounts zusammensuchen konnte, und die leider sehr lückenhaft sind, ergeben für mich, dass es in geografische Regionen aufgeteilte Zuständigkeiten zu geben scheint.
Die Spitze des Außenministeriums hat eine Strategie entwickelt, sicher in enger Absprache mit den amerikanischen väterlichen Freunden, wie die Ukraine dem russischen Einfluss im globalen Süden entgegentreten könne. Das wurde von deutschen Medien bislang kaum beachtet. Nur Foreign Policy und andere US-Medien berichten bislang darüber.
Die Ukraine hat reiche Bodenschätze und könnte mittelfristig Russland als Lieferanten für Gas ersetzen. Das hatte ja schon Hunter Biden erkannt.
Außerdem könnte sich ja für die anvisierten Länder des Südens, in diesem Fall erst Indien, Brasilien und später sicher Südafrika ergeben, dass nähere Beziehungen mit der Ukraine förderlich wären für gute Beziehungen zu deren väterlichem Verbündeten, den USA.
Andrij Melnik ist nun also offenbar für Südamerika zuständig, seine Amtskollegin, Vizeaußenministerin Emine Dzheppar scheint für die näher an der Ukraine gelegenen Staaten Türkei und Indien zuständig zu sein. Emine Dschaparowa oder Dzheppar ist außerdem zuständig für diplomatische Bemühungen zur Rückgewinnung der Krim. Und sie ist Leiterin der Nationalen Delegation der Ukraine zur UNESCO. Sie ist – laut der englischen Wikipedia – Musikerin, Journalistin und Anhängerin eines indischen Gurus, Sri Satya Sai Baba, den sie schon öfter in seinem Ashram besucht habe, so die Wikipedia. Anläßlich ihrer letzten Indienreise im April 2023 besuchte sie ihn wieder, aber sie traf auch die Botschafter der EU-Staaten in Indien und dankte ihnen für die Unterstützung der Ukraine und für die Förderung eines Kulturfestivals, das von der Vereinigung der nationalen Kulturinstitute der Europäischen Union (EUNIC) in Indien ausgerichtet wird. Zudem, so schreibt Ukrinform am 11. April 2023, habe sie sich auf Twitter bei den Staaten des globalen Südens für die Unterstützung der Ukraine bedankt.
Sie ist Angehörige des Volkes der Krimtataren, das unter Stalins Herrschaft besonders zu leiden hatte und fast vollständig von seinem angestammten Land auf der Krim deportiert und in innere Regionen der Sowjetunion, insbesondere Sibirien und Zentralasien verfrachtet wurde. Kein Wunder, dass grade die Krimtataren gegen Russland ankämpfen.
Wenn Melnik nun ausgerechnet nach Brasilien geschickt wird, bedeutet das: Mitten ins Herz der Freunde des russischen Feindes. Ich frage mich, warum Lula das akzeptiert und ihn akkreditiert hat. Weiß er nicht, mit wen er es da zu tun bekommt? Konnte er es nicht abwenden? Der linke Präsident Lula hat die Wahl gewonnen und den Faschisten Bolsonaro verjagt, aber Bolsonaro hat immer noch viele Anhänger im Land, allem voran die ultrarechten Ableger von US-amerikanischen evangelikalen Sekten. Das wird Melnik geschickt auszunutzen wissen. Es fängt gut an: erst mal schimpft Melnik auch von seinem neuen Posten aus auf deutsche Politiker, jubelt darüber, dass sein Plan, eine Kampfjetallianz zu schmieden, doch aufgegangen sei, und fordert nun eine Allianz der Kriegsmarinen zum Aufbau einer ukrainischen Kriegsflotte, natürlich mit dem Hafen Sewastopol.
In diesem Zusammenhang dankt er am 23. Mai auf Twitter ausdrücklich dem verteidigungspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion Roderich Kiesewetter und der gesamten CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und besonders auch dem SPIEGEL.
Sein erster Tweet zu Brasilien ist, dass nur ganz wenige Brasilianer die Meinung ihres Präsidenten Lula, dass der Westen mitschuldig am Ukrainekrieg sei, teilten. Und das nicht auf portugiesisch, damit auch alle Brasilianer es mitkriegen, sondern auf englisch. Sein zweiter Schritt, ebenfalls nachzulesen auf Twitter: ein Treffen per Internet mit dem uruguayischen Staatssekretär für auswärtige Beziehungen. Das sei das allererste Treffen überhaupt zwischen der Ukraine und Uruguay gewesen, teilt er freudestrahlend mit. Er ist begeistert von der Tatsache, dass Uruguay den russischen Angriffskrieg verurteile. Und erhöht damit indirekt den Druck auf die Position Brasiliens zum Krieg in der Ukraine. Die anderen lateinamerikanischen Länder werden sich das genau ansehen, denn an einer Verurteilung des russischen Angriffes auf die Ukraine könnten eine Verbesserung der Beziehungen des Subkontinents mit den USA, dem Paten und Protektor der Ukraine, hängen.
Exkurs Krimtataren.
Krimtataren spielen eine besondere Rolle in dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. 190.000 Angehörige dieses Volkes wurden aufgrund der Kollaboration eines Teiles der Bevölkerung mit der deutschen Wehrmacht in die nördlichen Teile der Sowjetunion deportiert, unter katastrophalen Bedingungen, und auf der Halbinsel wurden russischsprachige Menschen angesiedelt. Erst seit dem Ende der 1980er Jahre konnten die meisten der Vertriebenen und ihre Angehörigen auf die Krim zurückkehren, treffen dort aber auf den erheblichen Widerstand der inzwischen dort ansässigen russischsprachigen Bevölkerung, Heute leben auf der Krim nach Angaben der Wikipedia wieder 250.000 Krimtataren, das sind 12 Prozent der Gesamtbevölkerung von etwa 2,5 Millionen. Auf der Krim wurden in den letzten Jahren viele Krimtataren wegen Umsturzverdachtes und Widerstands gegen die Annexion durch Russland verfolgt und ins Gefängnis nach Russland gebracht. Ein großer Teil dieses Volkes lebt zudem schon seit Jahrhunderten in der Türkei, in Rumänien und Bulgarien.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem taz-Blog der Autorin, mit ihrer freundlichen Genehmigung. Lesen Sie ergänzend auch Susanne Weigelin-Schwiedrzik/taz: “China und Russland: Die ungleichen Partner – Der Krieg hat China und Russland zusammenrücken lassen. Trotzdem zeigen sich grundverschiedene Weltbilder.”, sowie Oliver Eberhardt/telepolis: “Saudi-Arabien: Auf Konfrontation mit dem Westen – Das Königreich schaltet in den diplomatischen Turbogang: USA und Israel besorgt über neue Macht-Ambitionen des Partners. Selenskyj will stärkere Unterstützung.”
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