Heute spielt – ein letztes Mal – die sog. “Die Linke” eine Rolle in den Nachrichten. Das Bild von zwei Zügen, “die aufeinander zufahren” liegt nahe. Nehmen Sie beispielhaft die – vergleichsweise niveauvollen – Kommentare der Kollegen Beucker/taz und Stork/overton. Keiner von beiden hat die Absicht, nur einen der “Züge” aufzuhalten. Ist auch nicht nötig. Denn in meiner – ganz persönlichen – Kopfprojektion handelt es sich um diese Holzspielzeug-Bahn, mit der einst grüne Eltern ihre Kleinkinder quälten. Kein Wunder, dass aus diesen Kindern drogenabhängige Nutzer*innen asozialer Medien wurden.
Zu den Denkfehlern von Beucker und Stork
Pascal Beucker ist wie ich ehemaliger Jungdemokrat, hat ein ähnliches Analysebesteck erlernt. Zu ihm kann ich nur kritisieren: alles grundsätzlich richtig, aber viele Jahre zu spät. Statt personalisiert, hätte der Konflikt inhaltlich ausgetragen werden müssen, was absichtsvoll über Jahrzehnte vermieden wurde.
Zu Stork: seine Kritik ist ebenfalls inhaltlich nicht durchgehend abwegig, könnte potenziell als Kritik bis zu den Grünen und Sozis gelesen werden. Aber sie geht von einem schweren Ausgangsfehler aus. Der steht in diesen Sätzen: “‘Deutsche – Wir können stolz sein auf unser Land’. Nein, das ist kein AfD-Slogan für den nächsten Landtagswahlkampf. Es zeigt uns Willy Brandt auf einem Wahlkampfplakat 1972. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, ihm deshalb Nationalismus im Nachgang vorzuwerfen.” Das ist falsch. Und war schon 1972 falsch. Ich selbst habe mich als 15-jähriger für die Wiederwahl Brandts eingesetzt, mich für diese Parole, auf die Albrecht Müller heute noch stolz ist, aber fremdgeschämt. Mehr darüber lernen Sie in diesem von mir schon empfohlenen Film, den die ARD in Kürze mitternachts wiederholen wird.
Dass Brandt immer Nationalist war, wird bis heute von seiner Witwe gegen die Anbeterei durch seine Partei verteidigt. Sie hat Recht. Ich meinerseits habe in den 80ern Jusos mit diesen Talkshowaufnahmen – hier der 2. Teil – kuriert. So kannten sie ihn nicht. Wurde auch nie wiederholt. Es ging um nichts weniger, als das, was heute verschwiemelt “nukleare Teilhabe” genannt wird. Und dafür war dieser Bundeskanzler, wie alle vor und nach ihm, auch zur explosiven Zusammenarbeit mit rassistischen Verbrechern bereit. Von UNO, OAU, Nato, EU u.v.a. liessen sie sich davon nicht abhalten. Und westdeutsche Medien schwiegen brav. Letzteres gelänge nicht mehr. Was heute noch “Totschweigen” genannt wird, ist dagegen larmoyantes Gejammere.
Ich unterstelle Sahra Wagenknecht und ihren Genoss*inn*en nicht, dass sie solchen Politikstrategien anhängt. Sie zeigt aber, und zwar strategisch öffentlich kalkulierend, auch keine Allergie dagegen. Das ist falsch.
Ob es helfen würde, zu machen, was der Medienfuzzi Thilo Mischke/Berliner Zeitung gemacht hat? “Womit haben die Menschen in Nigeria diesen Hass verdient? – In Nigeria könnten bald mehr Menschen leben als in ganz Europa. In den sozialen Netzen kocht die Angst davor hoch. Unser Kolumnist reist in die Hauptstadt Lagos.” Immerhin wirft der seine publizistischen Scheinwerfer dorthin, wo die meisten gar nichts von sehen wollen. Störend allein ist die Fixierung auf Elendsbilder. Das ist einseitig. Für ein vollständigeres Bild müssen Sie Howard W. French lesen, dessen deutsche Übersetzung Augsteins Freitag frevelhafterweise digital eingemauert hat. Hier ein zugängliches englisches Original im Guardian.
Diese Züge sind nicht aus Holz
Gestern war Champions-League-Finale der Männer. Nur 5,6 Mio. (- 3 Mio. zum Vorjahr) haben (hierzulande) zugeguckt. Mit “Wilsberg” schafft das ZDF mehr. Zum Sieger schreibt Michael Horeni in der FAZ-Paywall ganz richtig: “Seit Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan im Jahr 2009 als Hauptanteilseigner bei Manchester City eingestiegen ist, hat der Klub rund 1,8 Milliarden Euro in neue Spieler investiert. Der Klub dominiert die finanziell mit weitem Abstand in Europa führende Premier League seit fünf Jahren (viermal Meister, einmal Zweiter). Nun könnte mit der zweiten Finalteilnahme nach 2021 in der Champions League auch dort die Krönung folgen.” So ist es geschehen. Eine “Nationalmannschaft” von Abu Dhabi hat mit 14 Jahren und 1,8 Mrd. teurem Anlauf mit 1:0 das gewonnen, was nach dem 2. Weltkrieg mal als “Europapokal der Meister” angefangen hatte.
Nun gehen die Klassenkämpfe los. Die Reichen wollen noch reicher werden, wie im wahren Leben. Das Medienkapital will aber nicht mehr mitspielen. Es hat mal durchgerechnet, dass es sich nicht rechnet. Das hätte ich ihnen schon früher verraten können. Aber mich haben sie nicht gefragt.
Mein Rezept für ARD und ZDF: Raus aus der Versteigerung. Nutzung des europarechtlich fixierten Rechts auf Kurzberichterstattung. Das kostet nichts. 15-Minuten-Magazin unmittelbar nach der Tagesschau, und gut ist.
“Ich meinerseits habe in den 80ern Jusos mit diesen Talkshowaufnahmen – hier der 2. Teil – kuriert.”
Danke für diese Videolinks. Eine solche Konfrontation der politischen Spitze mit Kritikern wäre heute im TV undenkbar.