Oliver Anthony bringt Leute mit kaputtem Kompass ins Schleudern
Wie lange habe ich die Billboard-Charts nun schon ignoriert? In den 70er Jahren sass ich noch vor dem Radio und habe sie mitgeschrieben und mitgeschnitten (MCs). Aber ob es BFBS, WDR2 oder Radio Luxemburg war – das weiss ich beim besten Willen nicht mehr. So lange ist das her. Schon damals war mir aber klar: was auf dem grössten Musikmarkt der Welt vorne liegt, das ist auch politisch relevant. Dieses Licht scheint nun, als gebe es ein PR-Drehbuch dazu, auch deutschen Medien aufgegangen zu sein.
Auch und gerade linke Medien brechen sich analytisch einen ab. Alle leiden sie unter gestörtem Kompass. Politisch irrelevant, in diversen Sektenecken versauernd, der Querdenkerei nicht nur “verdächtig”. Hier z.B. die Junge Welt oder hier die nachdenkseiten. Manche alte linke Männer können sich, als seien sie ein spanischer Fussballverbandsvorsitzender, sogar über sekundenlange Inserts im WDR-Nachtprogramm zeilenlang erregen – mit nicht wenigen nicht weniger erregten Kommentaren. Ich hab die Shows auch geguckt – hat gar nicht wehgetan, aber war auch nur teilweise lustig (mehr Otto als Schmidti). Ich schweife ab.
Zu dem neuen Streaming-Star in den USA – danke an Michael Kleff für die Übermittlung – hat der gute Billy Bragg/Guardian eine glasklare Analyse gerschrieben: “Oliver Anthony’s divisive song claiming solidarity with workers only benefits the rich who exploit them – The YouTube singer’s US No 1 hit Rich Men North of Richmond rails against billionaires but punches down on the poor. So I decided to write a song in reply”. Das ist so gut, dass ich mich spontan für den guten Saisonstart von Billys Verein Westham mitgefreut habe …
Übersetzen Sie sich das bitte datensparsam selbst. Meine Lieblingsstelle ist Billys Woody-Guthrie-Zitat, ein toter weisser Mann, leider überhaupt nicht alt geworden (1912-67):
“I hate a song that makes you think you are not any good. I hate a song that makes you think that you are just born to lose. I’m out to fight those songs to my very last breath.”
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