Hildegard Müller ist Geschäftsführerin des VDA, der obersten Lobbyorganisation der Autoindustrie, und gehört zu den finanziell bestausgerüsteten Lobbyist*inn*en in Berlin. Sie äußert zur Eröffnung der IAA die steile These, die Politik sei schuld, dass die deutsche Autoindustrie derzeit droht, bei der Elektromobilität ins Hintertreffen zu kommen. Die IAA sei eine “Leistungsshow der Innovationen”, aber die Bundesregierung würde ihre Hausaufgaben nicht machen. Deshalb bräuchte es massive Subventionen für eine Industrie, die in den letzten drei Jahren Rekordgewinne in Milliardenhöhe eingefahren hat. Eine ziemliche Frechheit, die die wahren Verhältnisse auf den Kopf stellt. schließlich ist die Lage der deutschen Autohersteller auf dem Weltmarkt hausgemacht.
Die deutschen Hersteller haben sich viel zu lange Zeit gelassen, E-Autos auf den Markt zu bringen, und dies zu erschwinglichen Preisen. Allen voran hat sich Porsche viel zu lange auf den Verbrennungsmotor kapriziert. Aber auch die anderen Premiumhersteller in Deutschland fahren keinen klaren Kurs.
BMW irrlichtert
BMW hat 2010 mit dem i3 ein vorbildliches Konzept eines Elektromobils auf den Markt gebracht. Ein geräumiges, aber zugleich kompaktes Fahrzeug (ähnlich dem 10 Jahre älteren Audi A2 mit Aluminiumkarosserie und Verbrennungsmotor) mit ganz vielen Kohlefaserteilen, mit schmalen Reifen, Alles auf sparsamen Energieverbrauch getrimmt. Die damalige Reichweite betrug sensationelle 190 km. BMW hat aber heute kaum brauchbare E-Modelle im Programm – außer riesiger weit über 2 Tonnen schweren SUV, die zwar über eine größerer Reichweite verfügen, aber mit horrendem Energieverbrauch nicht zuletzt aufgrund einer aerodynamisch ungünstigen Karosserie, die einer durch den Fahrtwind geschobenen Schrankwand gleicht, jeglicher nachhaltigen Modellpolitik eine Absage erteilt. Eine endgültige Verabschiedung vom Verbrennungsmotor wurde von BMW bisher nicht verkündet.
Mercedes hin- und hergerissen
Mercedes-Benz hat früh und viel zu lange auf Hybridantriebe gesetzt, die energetisch ungünstig und technisch aufwendig sind. Als einziger Hersteller in Europa haben sie lange an der Brennstoffzelle festgehalten, aber anders als Toyota, unter dem Druck der gesetzlichen Vorgaben in Europa aufgegeben. Der älteste Automobilpionier bietet zwar jetzt mit EQS und EQE zwei moderne E-Autos an, die über hohe Reichweiten und gehobene Ausstattung verfügen, sie richten sich aber an Käufer der oberen Mittelklasse oder Oberklasse – weit jenseits von 100.000 € Anschaffungspreis. Sie sind für “Normalos” quasi unerschwinglich, sie verfügen leider auch über umweltfeindliche SUV-Varianten. Die kleineren E-Fahrzeuge EQC und EQB sind ebenfalls hochbeinige und schwere SUVs. Die indifferente Strategie muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass nach Schätzungen von Aktienexperten bis zu 30% der Mercedes-Benz-Aktien inzwischen in der Hand von chinesischen Investoren liegen. China stellt selbst eine Vielzahl von kleinen E-Autos her. Mit etwa 25% Aktienbesitz in der Hand Kuweits seit den 70er Jahren ist Mercedes-Benz möglicherweise kein deutscher Konzern mehr. Gleichwohl feiert Mercedes-Benz seit drei Jahren rekordverdächtige Milliardengewinne, weil mit großen Autos mehr Gewinne pro Einheit zu erzielen sind, als mit Kleinwagen.
Volkswagen ohne Volk
Deshalb ist es auch kein Wunder, dass der Volkswagen-Konzern in einer besonders schwierigen Krise ist. Porsche als Flaggschiff des Konzerns fährt einen Kurs, der ähnlich wie BMW und anders als Mercedes den Verbrenner noch nicht aufgibt. Porsche setzt auf Biofuels, obwohl diese absehbar nicht ökonomisch wettbewerbsfähig herstellbar sein werden. Der Treibstoffpreis, das ist ein Stück Geschichte der Firma Porsche, hat die Porschefahrer noch nie abgehalten Porsche zu fahren. Der immer noch mehrheitlich in Staatsbesitz befindliche Konzern hat eine historische Verpflichtung: Mit dem Käfer und dem Golf wurden die Autos der “kleinen Leute” in Deutschland gebaut. Aber selbst der ID 3, das erste massentaugliche Mobil von Volkswagen, ist größer und schwerer und vor allem teurer als ein Golf, und als ein Golf plus.
Ford und Opel im abseits
Die klassischen Massenhersteller für Mittelklasseautos Ford und Opel sind in einer ganz ähnlichen Lage. Während sich bei Ford jahrelang außer Stellenstreichungen in Europa wenig Bewegung abgezeichnet hat, heisst es nun, dass Ford die Entwicklung und den Bau eines kleinen Elekroautos in Köln vorantreiben und Arbeitsplätze dort sichern will. Opel hat im französischen Eignerverbund etwas bessere Karten. Wie die Franzosen plant Opel kleine oder mittlere E-Mobile und wir werden sehen, was daraus wird.
Neue Antriebe – alte Fehler?
Dr. Axel Friedrich, ehemaliger Abteilungsleiter des Bundesumweltamts und “Feinstaub-Papst” der Deutschen Umwelthilfe, der durch seine Messungen die Schummelsoftwares der Automobilhersteller entlarvt hat, hat kürzlich im Rahmen einer Veranstaltung des “Radikaldemokratischen Bildungswerks e.V.” , der Vernetzung ehemaliger linksliberaler Jungdemokrat*innen dargestellt, wie der prinzipiell gute Gedanke der Elektromobilität derzeit von den meisten Autokonzernen konterkariert wird. Im Vergleich der Fahrzeuge machte er den Wahnsinn der Proportionen deutlich: So übertreffen der Audi Q 8 E-tron Sport back mit 590 dm³ und der Audi Q 8 e-tron mit 631 dm³ etwa den “normalen” EQE von Mercedes mit 430 dm³ um Längen. Die tonnenschweren Elektromobile brauchen auch keine Akustikwarner, wie man noch vor 13 Jahren beim BMW i3 dachte. Friedrich hat nachgemessen, dass die Abrollgeräusche der riesigen Pneus – bis zu 21 Zoll Felgendurchmesser und 345 mm Breite sind keine Seltenheit – das Laufgeräusch von Oberklasse-Verbrennern bereits im Stadtverkehr überschreiten. Der Effekt ist von LKW-Reifen bekannt. Viel schlimmer aber ist die vermehrte Feinstaubimmission durch Reifenabrieb dieser “Schlappen”, der laut Friedrich höhere Werte erreicht, als die Feinstaubimmission von Diesel-PKW.
Im Klartext: Elektromobilität an sich macht nichts besser
Das bedeutet in der Praxis, dass vor allem die deutschen Automobilhersteller so weitermachen wie bisher. Immer größer, immer schwerer, immer randvoller mit IT-Technik und Überwachungstechnologien. Auch die Automobilhersteller haben Appetit auf die Daten ihrer Nutzer*innen, wie es Google., Facebook sowie TikTok und Co. seit Jahrzehnten praktizieren. Im Gegenteil: haben die deutschen Hersteller sich bisher an die von der DSGVO gesetzten Grenzen gehalten, tauchen mit BYD und anderen chinesischen Herstellern Anbieter auf dem EU-Markt auf, denen datentechnisch nicht zu trauen ist. Schließlich verlangt der chinesische Staat von seinen Automobilen, dass der Standort des Fahrzeugs zweimal pro Minute vollständig an einen Zentralserver gesendet wird – Überwachung total. Plus miese Feinstaubwerte, plus Ressourcenverbrauch an Lithium und weiteren seltenen Erden.
Die Dreistigkeit der Autolobby
Wenn Frau Müller nun beklagt, dass die E-Kaufprämie entfallen ist, kämpft sie für die zusätzliche Subventionierung des steuerrechtlich ohnehin umstrittenen Dienstwagenprivilegs. Das ist doppelt asozial, denn es fordert staatliche Mittel, die die Steuerzahler aufbringen sollen, ohne selbst jemals in ihren Genuss zu kommen, weil die Kaufpreise der E-Autos viel zu hoch liegen. Müller fordert also quasi eine Dienstwagenprämie hoch Drei und will den Markt außer Kraft setzen. Damit darf sie nicht durchkommen.
@rolandappel In der Tat, sehr steil die These von Frau Müller vom VDA. Sich ignorant verhalten, Gewinne abschöpfen, bzw. privatisieren und dann zu jammern, die böse Politik hat es versammelt, wir benötigen Unterstützung, also Aufwände Sozialisieren. Dank auch an die FDP, die hier klare Klimapolitik und Tempo 130 verhindert
@rolandappel Wenn man als Lobbyverband sonst gewöhnt ist, dass die verfilzung zur Politik sämtliche Veränderungen von einem abhält, aber nicht verstanden hat, dass diese Veränderung nicht abgehalten werden kann. Wird aus Wandel durch Gestaltung eben Disruption. Geliefert, wie durch korruption bestellt.
@rolandappel Wie Frau Müller denke ich, dass die Schuldigen vorallem in der Politik zu suchen sind.Was hat die Politik verschlafen?:Tempolimit, Benzinpreis mit einer Kopplung an Umweltschäden, Förderung von Elektrischen, Verbot von PKWs über 2t im Innenstadtbereich, Reduktion von Parkplätzen. Geht mal vor die Hunde, BMW, Mercedes, VW. Ich kaufe einen kleinen bezahlbaren Elektrischen.
@rolandappel Wie kommen Sie darauf, dass die deutschen Hersteller bislang bei den Datenschäften sich zurückgehalten hätten? Hier sind z.B. welche dabei:https://www.vice.com/en/article/k7adn9/car-location-data-telematics-us-military-ulysses-group
Weil ich in Forschungsprojekten z.B. von Fraunhofer SIT zum Thema gearbeitet habe. Ihr Artikel-Link verweist auf Geotracking, das nicht DSGVO-Konform ist und z.B. für Autovermietungen, die so etwas einsetzen würden, nicht zugelassen wäre. In den USA ist so etwas z.T. legal, die Daten, die z.B. in Deutschland zur Aktualisierung des Navisystems TomTom übertragen werden, müssen vollständig anonymisiert sein und es bedarf der Einwilligung nach DSGVO. Es gibt VDA-Datenschutzkriterien, an die sich zumindest die in meinem Artikel erwähnten Konzerne im Geltungsbereich der Datenschzutzgrundverordnung halten.
@rolandappel Billiges Gejammer geht halt nur in Deutschland! Wenn's gut läuft, liegt's an dem eigenen Wirken, läuft's schlecht, ist die Politik Schuld.Sehr lustig! Aber sehr simple 😄 Wer den Trend verschläft, hat halt verloren! Da man in Deutschland genug Lobbyisten schmierte, lief es gut, obwohl man dem Trend hinterher lief. Geht halt nicht immer so weiter. Keine Neuerung, bedeutet halt. STILLSTAND. Aber klar, SCHULD IST DIE POLITIK!!!1112!!
@rolandappel die These stimmt doch, nur die Begründung müsste richtig lauten: Die Milliardensubventionen der letzten Jahrzehnte haben die Entwicklung vernünftiger Elektroautos verhindert