Einige meiner Freunde aus der christdemokratischen Union halten (hielten) mich ja für einen ziemlichen „Dr. Doom“. Denn vor einigen Jahren (noch zu Merkel-Hoch-Zeiten) schien es mir realistisch, dass die Union auf 25% abfallen könnte. Habe ich dann auch auf – mit Argumenten unterlegt – an verschiedenen Stellen zum Ausdruck gebracht. Bei der letzten BT-Wahl ist die Union dann dort (etwas früher als von mir angenommen) angelangt. Und jetzt, nach zwei Jahren Merz-Vorsitz, surft sie weiter in dieser Region – und die AfD hat sich verdoppelt.

Meine Diagnose:

– Die Union hat ihr „Geschäftsmodell“ verloren!

– Sie ist in höchster Gefahr!

Und bei fast jedem Wort, dass der Generalsekretär Linnemann gestern Abend bei Maybrit Illner sagte, verfestigt sich dieser Eindruck.

Die Union ist eigentlich eine „Regierungspartei“, die an der Regierung ultrapragmatisch regiert. Sie ist keine Programm-Partei (Stichwort: „Kanzlerwahlverein“), die in der Opposition gute Gegenvorschläge machen könnte. Dazu ist die Programmdecke zu dünn.

Das Problem der Partei ist: Ihr Versuch, heftig – und leider weitgehend inhaltsfrei – gegen die Regierung anzukoffern, zahlt heute bei den Populisten ein. Und er treibt Wähler weg von der Union. Linnemanns Auftritt heute ist Negativ-Campaigning für die eigene Partei!

Verschärfend kommt hinzu, dass wir demnächst neben der rechtsextremen AfD auch noch „Hubsis“ rechtspopulistische FW-Formation im Bundestag sehen könnten – so wie heute schon in Bayern, wo die beiden Rechtsparteien zusammen bei fast 30% auflaufen. Soviel übrigens auch zur Ansage von Franz-Josef Strauss, dass rechts neben der CSU nur die Wand kommen darf:

– Auch das CSU-Geschäftsmodell ist am Ende!

Meine Dr.-Doom-Prognose für die Union kommt übrigens ohne Schaum vor dem Mund, sondern fast eher leidend. Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass die liberale Demokratie eine Mitte-Rechts-Partei braucht, die fest zur Demokratie steht. Wenn so eine Kraft wegbricht, dann haben wir schnell Ungarn oder Italien. Merz/Linnemann haben Null (0!) Idee, was sie dagegen tun könnten. Sie sehen das Problem offensichtlich gar nicht.

Alles was mir zu ihnen einfällt:

– Schnell weg, liebe UnionlerInnen, mit diesen Gestalten, die nicht begreifen, in welcher Gefahr die eigene Partei schwebt.

– Und einen modernen, weltoffenen, ökologisch-liberalen Konservatismus profilieren:

Sicherheit geben in der Transformation – das wäre eine Unions-Position, die sich von rechtsaußen genügend unterscheidet und gleichzeitig einer breiten rechts-mittigen Wählerschaft Orientierung bietet.

Bitte drüber nachdenken und Werbung dafür machen, liebe Unions-Freunde! (-:

Mehr zum Autor hier.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.