Vor 50 Jahren, am 18. September 1973, trat die Bundesrepublik Deutschland den Vereinten Nationen bei. Mittlerweile ist sie zu einem einflussreichen Mitgliedsland und wichtigen Beitragszahler geworden. Aufgrund der Teilung Deutschlands und der Einbindung der beiden deutschen Staaten in unterschiedliche Bündnissysteme hatte es bis 1973 keine Chancen für einen Beitritt zu den UN gegeben. Entweder die Westmächte oder die Sowjetunion hätten einen Beitrittsantrag der BRD oder der DDR mit ihrem Veto im Sicherheitsrat blockiert.

1972 vereinbarten die Bundesrepublik Deutschland und die DDR Gespräche über eine UNO-Mitgliedschaft. Nach der Neuausrichtung der Ostpolitik unter Willy Brandt und dem Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR im gleichen Jahr wurde es möglich, dass beide Staaten der UNO beitreten. Im Juni 1973 beantragten die DDR als 133. und die Bundesrepublik als 134. Mitglied die Aufnahme in die UNO. 1978 zahlte die BRD einen Finanzbeitrag von 7,74%, die DDR von 1,35%. Die Doppelmitgliedsschaft endete 1990 mit der deutschen Einigung.

Schon im Petersberger Abkommen von 1949 (Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Alliierten Hohen Kommission als Kollektivorgan der Besatzungsmächte) hatte die Bundesrepublik das Recht erhalten, sich in internationalen Organisationen zu engagieren. So trat sie einer Vielzahl von UN-Organisationen bei, denen man auch ohne UN-Mitgliedschaft angehören konnte. 1950 wurde die Bundesrepublik Mitglied der FAO und 1951 der WHO und der UNESCO. 1952 wurde die Ständige Beobachtermission der Bundesrepublik bei der UNO eingerichtet, die DDR folgte 1972.

51 Staaten hatten am 24. Oktober 1945 die Vereinten Nationen gegründet, um „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren.“ (Artikel 1 der Charta der Vereinten Nationen). Nach den Erfahrungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs wollte die Weltgemeinschaft künftige Generationen „vor den Geißeln des Krieges zu bewahren“.

Neben der UN-Charta ist die UN-Menschenrechtserklärung von 1948 die zweite Grundlage der Völkerrechtsordnung. Heute sind 193 Staaten UN-Mitglied, Ausnahmen sind Kosovo, Palästina, Taiwan und Westsahara (alle international strittig) und der Vatikan.

Der späte Beitritt der BRD zu den Vereinten Nationen bedeutete, dass Deutsche im Personal des UN-Sekretariats kaum vertreten waren. Dies galt allerdings auch für die UN-Sonderorganisationen und -Unterorgane, selbst wenn Deutschland dort schon lange Mitglied war. Im gesamten UN-Bereich zahlte Deutschland 1970 einen Beitragsanteil von 4,58% und stellte 3,99% des Personals. Daher vergab die Bundesregierung einen Forschungsauftrag, um eine Bestandsaufnahme des internationalen Personals, Tätigkeitsbeschreibungen und Einstellungspraxis sowie Maßnahmen zur Stärkung der deutschen Mitwirkung zu erarbeiten.

Dies führte u.a. zur Gründung der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung. Heute ist Deutschland mit 6,1% (198 Mio. $) nach den USA (22%), China (15,25%) und Japan (8%) viertgrößter Beitragszahler zum regulären UN-Budget, das 2022 einen Umfang von 3,25 Mrd. hatte. Einschließlich der freiwilligen Leistungen zahlte Deutschland zuletzt 6,7 Milliarden Euro (2021) und war damit zweitgrößter Geldgeber des UN-Systems.

Im Laufe der Zeit verbesserte sich die personelle Beteiligung. Seit 2008 ist Deutschland mit seinem Personalanteil im UN-Sekretariat in Relation zur Beitragsleistung quantitativ angemessen vertreten, jedoch nicht bei wichtigen Leitungsposten im UN-System. Immerhin gelangten auch Deutsche in führende Positionen, z.B.:

Klaus Töpfer, 1998-2006 Leiter des UNDP (UN-Entwicklungsprogramm)

Horst Köhler, 2000-2004 Leiter des IMF (Weltwährungsfonds)

Achim Steiner, 2006-2016 Leiter des UNDP (UN-Entwicklungsprogramm)

Inger Andersen, 2019-2021 Leiter des UNEP (UN-Umweltprogramm)

Gerd Müller, seit 2021 Leiter der UNIDO (UN-Organisation für industrielle Entwicklung)

Schon fünfmal war Deutschland Mitglied des UN-Sicherheitsrates, zuletzt 2019/20. Dieser ist das für die internationale Sicherheit und den Weltfrieden zuständige UN-Gremium. Nur der Sicherheitsrat kann völkerrechtlich bindende Resolutionen verabschieden und Maßnahmen bis hin zum Einsatz militärischer Mittel beschließen. Er besteht aus fünfzehn Mitgliedern, nämlich den fünf ständigen und weiteren zehn, die nach einem regionalen Verteilungsschlüssel für zwei Jahre gewählt werden.

Zudem war Deutschland mehrfach Mitglied im UN-Menschenrechtsrat und kann auf eine Vielzahl von Beteiligungen an UN-Friedensmissionen zurückblicken. Dank der deutschen UN-Mitgliedschaft hat eine Reihe von UN-Institutionen ihren Sitz in Deutschland genommen, bevorzugt in Bonn. Derzeit sind es 33 Niederlassungen mit rund 1000 Beschäftigten.

Die UN sind die einzige Organisation, deren Ziele und Grundsätze weltweit anerkannt werden, auch wenn ihr Handlungsrahmen durch nationale Eigeninteressen und Souveränitätsansprüche eingeschränkt ist. Ihr Verantwortungsbereich nimmt stetig zu: kriegerische Auseinandersetzungen, Flüchtlingsströme, Klimawandel, Epidemien, Menschenrechtsverletzungen, Wirtschafts- und Energiekrisen, Hungersnöte …. Daher wurden den UN im Laufe ihres 70jährigen Bestehens immer wieder neue Zuständigkeiten übertragen; die Folge war die Schaffung neuer Institutionen.

Eine besonders wichtige Aufgabe übernehmen die UN immer wieder mit der Organisation von Friedensmissionen. Hierzu sind völkerrechtlich nur die Vereinten Nationen legitimiert. Seit ihrer Gründung haben die UN mehr als 70 Friedensmissionen selbst durchgeführt und viele weitere durch den Sicherheitsrat mandatiert. Auch wenn die UN selbst tätig werden, sind sie bei ihren Missionen auf Soldaten von Mitgliedstaaten angewiesen. Sie verfügen nämlich über keine eigenen Eingriffsinstrumente und Machtmittel.

Hinzu kommt die Problematik, dass wichtige Entscheidungen des Sicherheitsrates der Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder bedürfen. Kritiker/innen sprechen daher gelegentlich schon mal von Hilflosigkeit und Versagen der UN. Ein weiterer, immer wieder erhobener Vorwurf ist, dass wesentliche Regionen und wichtige Beitragszahler nicht angemessen im Sicherheitsrat, dem wichtigsten UN-Organ, vertreten sind. Dadurch könnte, so die Befürchtung, die Legitimität und Autorität der UN infrage gestellt werden.

Aufgrund des Vetorechts der ständigen Mitglieder ist der Sicherheitsrat ein besonderes Konstrukt. Diese Regelung ist zwar merkwürdig, war jedoch Voraussetzung dafür, dass die Vereinten Nationen im Oktober 1945 zustande kamen. Die sogenannten fünf Siegermächten des Zweiten Weltkriegs wollten auf ihre maßgebliche internationale Rolle nicht verzichten. Deshalb räumt die UN-Charta ihnen besondere Rechte ein: Die USA, die UdSSR (heute Russland), China, Großbritannien und Frankreich sind ständige Mitglieder des Sicherheitsrates und genießen bei Abstimmungen über Friedenswahrung und globale Sicherheit ein Vetorecht.

Schon mehrfach wurde in der UN-Generalversammlung die Zusammensetzung des Sicherheitsrates als historisch überholt bezeichnet und eine Reform durch Aufnahme weiterer Mitgliedstaaten gefordert. Etliche Staaten verlangten eine Abschaffung der undemokratische Praxis, dass sich fünf Mitglieder keiner Wahl stellen müssen und ein Vetorecht ausüben dürfen. Dies habe in der Vergangenheit schon zur Handlungsunfähigkeit in wichtigen Fragen der internationalen Sicherheit geführt. Als erster Schritt wurde (erfolglos) vorgeschlagen, dass betroffene Staaten nicht in eigener Sache ein Veto einlegen dürften.

Eine Abschaffung des Vetorechts und der ständigen Mitgliedschaft dürfte ein aussichtsloses Bestreben sein. Sie würde am Widerstand (und Veto) der ständigen Mitglieder scheitern. Pragmatischer wäre eine Vergrößerung des Rates. 2005 legte der UN-Generalsekretär ein Modell vor, dass eine Erweiterung um sechs ständige und drei weitere Mitglieder vorsieht. Japan und Deutschland als dritt- und viertgrößter Beitragszahler haben bereits ihren Anspruch auf einen ständigen Sitz angemeldet. Genannt wird auch Indien, während es in Lateinamerika (Brasilien, Argentinien, Mexiko) und Afrika (Ägypten, Südafrika, Nigeria) mehrere Bewerber geben dürfte. Ein Vetorecht für neue ständige Mitglieder wird wohl nicht durchsetzbar sein.

In der UN-Generalversammlung vom Herbst 2022 wiederholte Kanzler Scholz recht überraschend den Anspruch Deutschlands auf einen ständigen Sitz. Lange Zeit hatten deutsche Regierungen dieses Anliegen vertreten, zuletzt aber darauf verzichtet. Auch im Koalitionsvertrag findet sich ein solcher Anspruch nicht. Dort ist nur von einem Einsatz für eine Stärkung der Vereinten Nationen und für eine Reform des Sicherheitsrates die Rede.

Das Vorgehen von Scholz ist verschiedentlich kritisiert worden, nicht nur aufgrund des Zeitpunkts. Deutschland könne sich international auch ohne eine Prestigeposition wirkungsvoll und nachhaltig für die internationale Friedens- und Umweltpolitik einsetzen. Zudem sei es außenpolitisch unklug, noch einen weiteren Sitz für ein europäisches Industrieland zu fordern statt für die bislang vernachlässigten Staaten der südlichen Kontinente.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.