Austrittserklärung: Die Asylpolitik der Grünen tragen wir nicht mehr mit – In einem offenen Brief erklären Grünenpolitiker ihren Austritt wegen des EU-Migrationskompromisses. Der Brief im Wortlaut
Wir, eine Gruppe Geflüchteter, die zwischen 2014 und 2016 vor Verfolgung und Krieg nach Deutschland geflohen sind, sehen uns gezwungen, eine schwierige Entscheidung zu treffen. Wir haben uns entschlossen, aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen auszutreten. Der Grund dafür ist die Asyl- und Migrationspolitik der Parteispitze in der Ampelregierung.
Die Zustimmung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, die das Asylrecht – ein fundamentales Menschenrecht – faktisch abschafft und zum sogenannten „Rückführungsverbesserungsgesetz”, das zu massiven Grundrechtsverletzungen für viele Geflüchtete führen wird, ist ein historischer Verrat grüner Politik an Geflüchteten Menschen.
Unsere Entscheidung ist nicht nur eine Reaktion auf unsere persönliche Betroffenheit, sondern ein Ausdruck des Widerstands für die Menschenrechte. Denn es ist nicht nur unsere Pflicht als Betroffene, für die Menschen auf der Flucht zu sprechen und ihre Grundrechte zu verteidigen, sondern auch Eure. Dieser Pflicht seid Ihr mit Eurer jetzigen Haltung und Zustimmung nicht nachgekommen.
Unsere Zeit bei Bündnis 90/Die Grünen war geprägt vom Streben nach einer gerechten und inklusiven Zukunft. Viele von uns engagierten sich in Ämtern der Partei, angetrieben von dem Glauben an eine offene und gleichberechtigte Gesellschaft, in der wir gemeinsam und mutig unsere Zukunft – unabhängig von Herkunft, Religion oder Hautfarbe – gestalten können.
Die aktuelle Ausrichtung der Partei steht jedoch unseren Bemühungen als Betroffene und den Bemühungen vieler anderer innerhalb der Partei entgegen. Besonders kritisch finden wir die zunehmend flüchtlingsfeindliche Rhetorik innerhalb der Partei, die in keiner Weise einen Kampf gegen rechts darstellt, sondern vielmehr einen Rechtsruck signalisiert. Dies führt nicht nur zu einer weiteren Zunahme der Gewalt gegen Geflüchtete, sondern stärkt auch die AfD, die eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie in Deutschland darstellt.
Die Haltung der Partei zur aktuellen Asyl- und Migrationspolitik steht im deutlichen Widerspruch zu Menschenrechten und dem Solidaritätsprinzip. Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass die Parteispitze dieser Reform zugestimmt hat und dies jetzt als Erfolg darstellt, obwohl sie den Parteigrundsätzen, dem Wahlprogramm und dem Koalitionsvertrag widerspricht.
Angesichts dieser Kluft zwischen unseren Überzeugungen und der politischen Ausrichtung von Bündnis 90/Die Grünen sehen wir uns gezwungen, unsere Mitgliedschaft zu beenden. Wir können nicht Teil einer Partei bleiben, die unsere Bemühungen, die Allgemeingültigkeit der Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien zu schützen, untergräbt.
Wir fordern Euch daher auf, zu den Grundsätzen der eigenen Partei zurückzukehren. Denn Eure Politik der vermeintlichen Ordnung trifft am Ende Menschen wie uns. Wir können und wollen dem nicht kommentarlos zuschauen. Wir wünschen allen Menschen, die innerhalb der Partei engagiert für die Rechte geflüchteter Menschen eintreten, weiterhin viel Kraft und hoffen, dass die Partei ihren menschenrechtlichen Kompass wiederfindet.
Unterzeichner*innen:
• Bakri Haj Bakri – KV Charlottenburg-Wilmersdorf. Sprecher der LAG Migration und Flucht Berlin.
• Haneen Stif – KV Baden-Baden
• Mouatasem Alrifai – Mitglied des Nürnberger Rates für Integration und Zuwanderung
• Nouri Kharouf – Sprecher der LAG Migration- und Flucht BW
• Qusay Amer – Vorstandsmitglied des KVs Neukölln
• Tareq Alaows – Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht
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